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Vernetzung |

Interview: „Kein ärztlicher Pflichtratgeber!“

Mit Online-Rollout und ePA-Projekten rückt die Frage, wie sich die Datenhoheit des Patienten digital umsetzen lässt, in den Fokus. Das sächsische Sozialministerium will das Zwei-Schlüssel-Prinzip bei der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) hinter sich lassen. Ein Interview mit Martin Strunden, Leiter des Referats Gesundheitswirtschaft, gesundheitliche Prävention und Telematik im Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz.

 

 

Was ist das Zwei-Schlüssel-Prinzip, und warum ist es nicht mehr zeitgemäß?

Das Zwei-Schlüssel-Prinzip bedeutet, Arzt und Patient können nur gemeinsam in Einträge der ePA Einsicht nehmen. Zeitgemäß kann eine solche Regel nie gewesen sein, weil sie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung zuwiderläuft. Dem Patienten gehören die medizinischen Daten über seine Person. Er muss ein effektives Datenmanagement darüber haben – auch ohne Arzt.

 

Wie sollte der Patientenzugriff im Rahmen der Telematikinfrastruktur konkret umgesetzt werden?

Der Patient muss zum einen allein und ohne ärztliche Pflichtratgeber seine Daten einsehen können. Zweitens muss der Patient Einsichtsrechte an seinen Daten vergeben können. Das heißt, er muss bestimmen können, wer was lesen kann. Andernfalls wird die eGK nicht rechtsfest sein. Die oberste Rechtsprechung ist da eindeutig. Klar wird das, wenn man sich in die Situation einer Abtreibung bei Minderjährigen versetzt. Aber Löschen geht nicht: Der Patient darf selbstverständlich die ärztliche Dokumentationspflicht nicht ausschalten. Es sollte auch eine Verständigung auf Notfalldaten bestehen, die unveränderlich sind. Insgesamt gut und beispielhaft geregelt ist das Datenmanagement der ELGA in Österreich.

 

Wo sehen Sie Änderungsbedarf in den Bundesgesetzen?

Im SGB V muss vielleicht nur ein Satz geändert werden. Viel wichtiger ist, dass jetzt zügig eine Verständigung auf die Rechtearchitektur erfolgt. Bislang weiß keiner genau, was einmal sein wird. Administrationsrechte sind aber wie die Statik eines Hauses. Wenn man das nicht vor allem anderen berechnet, fällt nachher alles zusammen. Sachsen bringt sich hier aktiv ein. Staatsministerin Barbara Klepsch hat mit der Telemedizin einen Schwerpunkt gesetzt. Dazu gehört auch ein klarer Blick auf die Patientenrechte, nicht zuletzt in mobilen eGK-Szenarien.

 

Welche Erfahrungen gibt es bei Projekten in Sachsen?

Viele Macher von Telemedizinprojekten, und auch die meisten Programmierer, kennen die Rechtspositionen der Patienten ganz genau und arbeiten gezielt mit dem Patienten auf Augenhöhe. Die Praxis der Projekte ist oft weiter als die politische Diskussion. Die Digitalisierung hilft, weiter wegzukommen von einem manchmal noch paternalistischen Arzt-Patienten-Verhältnis hin zu einer sprechenden Medizin. Am Ende sollte der Patient aus Überzeugung und Verständnis den Weg seiner Therapie gehen. Telemedizin ermöglicht nicht nur mehr Kommunikation, sondern fordert sie auch ein.

Interview: Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM