Die Digitalisierung wird im Zusammenhang mit der Krankenhausreform zwar immer mal wieder thematisiert. Aber so richtig mitgedacht werden telekonsiliarische Versorgungsszenarien bei den Diskussionen um den Ausstieg aus der reinen DRG-Finanzierung und der stärkeren Zentrenbildung bisher nicht. Beim Nationalen Telemedizinkongress der DGTelemed in Berlin wurde auf diese Diskurslücke mit Nachdruck hingewiesen.
Wie entstehen gestufte Versorgungsnetzwerke?
Deutlich wurde insbesondere Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), der den Begriff „Standort“ und das damit verbundene Lamentieren über komplette oder – Stichwort Zentrenbildung – partielle Standortschließungen nicht mehr hören kann. Es gehe in Zukunft nicht um einzelne Standorte, sondern um die Frage, ob Städte, Kommunen oder Landkreise Zugang zu gestuften Versorgungsnetzwerken haben, unabhängig davon, wie viel der jeweiligen Expertise dann tatsächlich vor Ort noch vorhanden ist.
Gaß schwebt vor, dass die Leistungsgruppen der Krankenhausreform mit umfangreichen Kooperationsregeln hinterlegt werden, die dann digital umgesetzt werden. So erhalten Häuser, die bestimmte Expertisen nicht mehr selbst vorhalten, Zugang zu entsprechenden Konsiliarleistungen auf qualitativ hohem Niveau – wodurch die Versorgungsqualität im Idealfall steigt, und nicht sinkt. Damit würde dann letztlich auch der jeweilige „Standort“ attraktiver oder zumindest nicht weniger attraktiv.
Klar sei, so Gaß, dass für ein solches Szenario nicht nur die technischen, sondern auch die finanziellen Rahmenbedingungen erfüllt sein müssten: „Zentren müssen entsprechende Dienstleistungen anbieten und dann auch abrechnen können. Und periphere Krankenhäuser müssen die Möglichkeit erhalten, Behandlungen auch dann abzurechnen, wenn Teile dieser Behandlung durch Telekonsile zugeliefert werden.“
Telemedizin als Distinktionsmerkmal
Für den Anästhesisten Dr. Markus Thyssen vom Augustinus-Krankenhaus Düren ist die Telemedizin noch aus einem ganz anderen Grund ein wichtiger Standortfaktor: In Zeiten knapper werdenden Personals könne sie genutzt werden, um ein Krankenhaus für Bewerber:innen attraktiver zu machen. Thyssen erlebt das bereits: Seine Klinik ist in Sachen Intensivmedizin mit dem Universitätsklinikum Aachen vernetzt. Die Kolleg:innen um DGTelemed-Vorstand Prof. Gernot Marx kommen in regelmäßigen Abständen zur Televisite ins Haus, um die Dürener insbesondere bei komplizierteren Patient:innen zu unterstützen.
Gerade die jüngeren Kolleg:innen wüssten das extrem zu schätzen, so Thyssen. Denn auf diesen Visiten könnten sie viel dazulernen und würden nicht immer nur die Dinge hören, die der eigene Oberarzt schon seit Jahren immer wieder erzähle. Dass das einen Mentalitätswandel benötigt, ist Thyssen klar. Der aber müsse erreicht werden und könne auch erreicht werden: „Ich bin sicher, dass wir in ein paar Jahren motivierte junge Leute besser anziehen können, wenn wir eine gute Telemedizininfrastruktur haben.“