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Forschung |

Konzept für forschungskompatible EPA schlägt Wellen

Der Think Tank iRights Lab legt ein detailliertes Konzept für eine forschungskompatible elektronische Patientenakte vor – und trifft einen Nerv.

Quelle: www.bundesdruckerei.de

Dass das Thema elektronische Patientenakten in Deutschland in politisch geteilter Verantwortung bearbeitet wird, wurde oft beklagt. Auf Seiten des Bundesgesundheitsministeriums wird über dessen Mehrheit bei der gematik die elektronische Patientenakte (EPA) nach §291 SGB V vorangetrieben. Auf diese EPA, die zunächst eine reine „Versorgungs-EPA“ ist,  sollen GKV-Versicherte ab 2021 ein Anrecht haben. Entsprechende Produkte zur Verfügung stellen müssen die Krankenkassen, die sich dabei nach der gematik-Spezifikation richten müssen. Diese sieht serverbasierte Akten kopierter Dokumente in geschützten Rechenzentren vor, die sich vollständig unter Patientenkontrolle befinden sollen und in die niemand ohne Einwilligung des Patienten Einblick erhält.


Hightech-Strategie: Forschungskompatible EPA bis 2025

Zweiter Akteur ist das Bundesforschungsministerium bzw. die Medizininformatikinitiative (MII), die derzeit Universitätskliniken und perspektivisch auch mit diesen kooperierende stationäre und ambulante Einrichtungen vernetzen will mit dem Ziel, Versorgungsforschung zu ermöglichen. Dies soll über Datenintegrationszentren geschehen, die an vielen Einrichtungen aufgebaut werden. Eine aufwändige Datentreuhänderinfrastruktur sorgt für die Pseudonymisierung. Die Originaldaten bleiben strikt dezentral, der Zugriff für autorisierte Wissenschaftler erfolgt über Forschungsportale, die die Daten integrieren und für Abfragen erschließen.

 

Der dritte Akteur im Patientenaktenkosmos schließlich ist die Bundesregierung als Ganzes. Sie hat im Rahmen ihrer Hightech-Strategie als Ziel vorgegeben, dass Deutschland bis 2025 über forschungskompatible elektronische Patientenakten verfügen soll. Das wird im Moment mehrheitlich so verstanden, dass die Welt der patientenkontrollierten Versorgungs-EPAs – bei entsprechender Zustimmung des Versicherten – für Forschungsarbeiten zugänglich gemacht werden soll, ob durch Datenspende oder auf anderen Wegen.


Studie „Zukunft Gesundheitsdaten“ empfiehlt dezentrale EPA

Vor diesem Hintergrund ist die neue Studie „Zukunft Gesundheitsdaten – Wegweiser zu einer forschungskompatiblen elektronischen Patientenakte“ zu sehen, die der Think Tank iRights Lab im Auftrag der Bundesdruckerei erstellt hat. Die Studie wurde während eines Parlamentarischen Abends vorgestellt, der passenderweise am Vorabend der DVG-Verabschiedung im Bundestag stattfand. Die Bundesdruckerei ist ein Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland und unter anderem  Generalunternehmer des Innenministeriums für die eReisepässe. Zur Unternehmensgruppe gehören D-Trust und Verimi, letzteres ein Startup im Bereich digitale mobile Identitäten.

 

Die unbedingt lesenswerte Studie macht auf 70 Seiten sehr detaillierte Vorschläge zur Ausgestaltung einer forschungskompatiblen EPA und geht dabei unter anderem auf politische und rechtliche Rahmenbedingungen und auf Datentreuhändermodelle ein. Viel Platz erhalten außerdem die Kernelemente für die Infrastruktur eines sicheren Gesundheitsdatennetzes, darunter Authentifizierung, Signaturen/Zertifikate nach eIDAS-Verordnung, Data Governance, Verschlüsselung,E inwilligungsmanagement sowie Anonymisierung und Pseudonymisierung.

 

Politisch pikant wird die Studie unter anderem dadurch, dass sehr deutlich für eine dezentrale Aktenstruktur plädiert wird und damit für eine Architektur, die nicht die der kommenden gematik-EPA ist, sondern die eher an jene erinnert, die die AOKen für ihr Gesundheitsnetzwerk favorisieren. Diese dezentrale Struktur, die auch in Österreich und der Schweiz angestrebt wird, war vor anderthalb Jahren von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit einer inhaltlich sehr fragwürdigen Begründung aus der gematik-EPA-Planung quasi hinausgeschossen worden. Auch auf Kassenseite hatte dieses Modell damals allerdings keine Mehrheit. Das BMG wiederum hat an dem ursprünglich von ihm nicht favorisierten, zentralen EPA-Modell nichts mehr geändert, offiziell weil das dezentrale Modell zu komplex sei, vielleicht aber auch, um die selbstgesetzte Frist 2021 nicht zu gefährden.


Handlungsfelder: Datentreuhändermodell, eIDAS-konforme Signaturen

An politischen Handlungsfeldern sieht die Studie unabhängig von der Frage des Ortes der Datenspeicherung den Aufbau eines deutschen Forschungsdatenzentrums vor, das Teil einer „vermittelnden institutionellen Schicht“ ist, die die EPA-Daten jener Patienten, die dazu eingewilligt haben, pseudonymisiert und für die Forschung sicher und datenschutzkonform zur Verfügung stellt.

 

Dem Bundesgesundheitsministerium wird mit auf den Weg gegeben, dass es auf eIDAS-konforme qualifizierte Signaturen setzen solle. Es gelte außerdem, im Zusammenhang mit der Umstellung der Gesundheitskarten auf NFC-Standards über AusweisIdent oder ähnliche Verfahren sicherzustellen, dass die eGKs tatsächlich zu ihren rechtmäßigen Inhabern gelangen. Zudem wird zumindest mit Blick auf die fernere Zukunft angeregt, das Nebeneinander von eGK und eID des Personalausweises zu beenden und auf einheitliche Identifizierungs- und Authentifizierungsmerkmale zu setzen.

 

Sowohl in den sozialen Medien als auch in der Branche wurde und wird die iRights Lab Studie relativ intensiv diskutiert. Das dürfte auch mit den Datenschutzdiskussionen zusammenhängen, die in den Tagen vor der Verabschiedung des DVG initiiert wurden und bei denen es um den im DVG neu gefassten Paragrafen 303 SGB V ging. Dieser regelt die (schon seit 2004 gängige und rechtlich seit Langem abgesicherte) Versorgungsforschung mit pseudonymisierten GKV-Abrechnungsdaten. Das Thema hat mit der forschungskompatiblen EPA überhaupt nichts zu tun, es handelt sich um komplett unterschiedliche Datensätze und Rechtsgrundlagen.

 

Allerdings werden auch hierfür eine Treuhänderinfrastruktur und ein Forschungsdatenzentrum benötigt. Diese wanderen mit dem DVG als Folge der DIMDI-BfArM-Fusion vom DIMDI zum BfArM. Dass sich hier institutionelle Synergien ergeben würden, wenn ein Forschungsdatenzentrum für die EPA gebraucht wird, liegt auf der Hand. Es gibt allerdings auch noch eine ganz andere Interpretation der „forschungskompatiblen Patientenakte bis 2025“ aus der Hightech-Strategie. Sie besagt, dass die forschungskompatible EPA genau das sei, was die MII entwickelt. In dem Fall bliebe die 291-EPA eine reine Versorgungs-EPA. Das Thema Datenspende würde über irgendeine Exportfunktion geregelt und die Politik hätte einen Zankapfel weniger. Ausdiskutiert ist das alles noch nicht.

 

Weitere Informationen:

Studie „Zukunft Gesundheitsdaten – Wegweiser zu einer forschungsompatiblen elektronischern Patientenakte“  von iRights Lab / Bundesdruckerei

https://www.bundesdruckerei.de/de/Newsroom/Pressemitteilungen/Digitalisierung-im-Gesundheitswesen

 

Berichterstattung der Bundesdruckerei über ihren Parlamentarischen Abend inklusive Kurzfassung als YouTube-Video

https://www.bundesdruckerei.de/de/Newsroom/Aktuelles/Vertrauen-durch-Datentreuhaender