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Medizin |

Krankenhaus Rating Report 2023: Wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich 2021 verschlechtert

Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich im Jahr 2021 wieder verschlechtert. 11 Prozent lagen im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr. Auch ihre Ertragslage hat sich negativ entwickelt, 32 Prozent der Kliniken schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust. Maßgeblich für die schlechtere wirtschaftliche Lage der Kliniken war der Rückgang der Ausgleichszahlungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie bei einem nach wie vor geringen Leistungsniveau der Krankenhäuser. Das deutsche Gesundheitswesen steht weiterhin vor großen Herausforderungen, für die es aktuell nicht gerüstet ist. ...

... Zu diesen und vielen weiteren Ergebnissen kommt die neunzehnte Ausgabe des „Krankenhaus Rating Report“, der im Rahmen des „Hauptstadtkongress 2023 – Medizin und Gesundheit“ der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Er wurde gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB) erstellt.

Das Wichtigste in Kürze:

Status quo
• Nach einem guten Jahr 2020 hat sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser im Jahr 2021 wieder verschlechtert. 11 Prozent der Krankenhäuser befanden sich im „roten Bereich“ erhöhter Insolvenzgefahr, 16 Prozent im „gelben“ und 73 Prozent im „grünen Bereich“. Im Jahr zuvor lagen 7 Prozent im „roten“, 25 Prozent im „gelben“ und 68 Prozent im „grünen Bereich“.

• Die Ertragslage hat sich 2021 ebenfalls verschlechtert: 32 Prozent der Krankenhäuser schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust, 2020 waren es 22 Prozent. Im Jahr 2021 betrug das durchschnittliche Jahresergebnis lediglich 0,8 Prozent der Erlöse, im Jahr zuvor waren es noch 1,8 Prozent.

• Maßgeblich für die schlechtere wirtschaftliche Lage der Kliniken war der Rückgang der Ausgleichszahlungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie bei einem nach wie vor geringen Leistungsniveau der Krankenhäuser.

• Die stationäre Fallzahl nahm im Jahr 2022 geringfügig um etwa 0,8 Prozent zu. Im Jahr 2020 war sie aufgrund der COVID-19-Pandemie außerordentlich stark um 13,5 Prozent gesunken war, im zweiten Pandemiejahr 2021 leicht um 0,3 Prozent zurückgegangen.

• Die Investitionsfördermittel der Länder beliefen sich im Jahr 2021 auf 3,3 Milliarden Euro, das waren 0,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Bezogen auf die gesamten Krankenhauserlöse entspricht dies einem Anteil von 3,2 Prozent. Um die Unternehmenssubstanz zu erhalten und weiterzuentwickeln sollten jährlich mindestens 7 Prozent der Erlöse in Investitionen fließen. Der jährliche förderfähige Investitionsbedarf der Plankrankenhäuser zum Substanzerhalt dürfte sich auf mindestens 5,7 Milliarden Euro belaufen, zuzüglich Universitätskliniken insgesamt auf 6,6 Milliarden Euro.

• Krankenhäuser schließen diese investive Lücke nur zum Teil aus eigener Kraft, sodass es zu einem Substanzverzehr kommt, der auch in den Bilanzen deutlich sichtbar wird. Besonders stark war dieser Substanzverzehr bei den ostdeutschen Krankenhäusern, die sich dem niedrigen Niveau der westdeutschen Krankenhäuser immer weiter annähern. Bezogen auf die Erlöse sank das Sachanlagevermögen in Westdeutschland zwischen 2007 und 2021 um fast 15 Prozent, in Ostdeutschland um 40 Prozent.

• Eine Auswertung vorliegender Jahresabschlüsse aus den Jahren 2007 bis 2020 zeigt zeitstabile Muster: Signifikant besser fällt das Rating in Ost-Deutschland aus, am schlechtesten in Bayern und Baden-Württemberg. Kliniken in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft schneiden beim Rating und der Ertragslage deutlich besser ab als öffentlich-rechtliche Kliniken. Gleichwohl verschlechterte sich die Ertragslage privater Krankenhäuser 2021 im Vergleich zum Jahr 2019, während sie bei öffentlich-rechtlichen nur leicht zurückging und bei freigemeinnützigen Häusern sogar stieg. Ein signifikant besseres Rating und eine bessere Ertragslage hatten außerdem größere Kliniken, Häuser in Klinikketten, Krankenhäuser mit einem mittleren und hohen Spezialisierungsgrad sowie Einrichtungen mit einem höheren Casemixindex.

• Die Anzahl sozialversicherungspflichtig beschäftigter Menschen im Gesundheitswesen ist zwischen 2015 und 2022 um 12 Prozent gestiegen, gleichzeitig hat der Anteil der in Teilzeit beschäftigten Menschen leicht zugenommen. Im ärztlichen Dienst in Krankenhäusern hat er sich zwischen 2004 und 2020 von 12 Prozent auf 30 Prozent mehr als verdoppelt. Zudem arbeiten deutlich mehr ausländische Beschäftigte in Krankenhäusern. Trotz der Zunahme der Zahl an Beschäftigten in den medizinischen Gesundheitsberufen sind nach wie vor zahlreiche Stellen nicht besetzt.

• Im Jahr 2022 lag die Zahl der von Krankenhäusern gemeldeten offenen Stellen um 88 Prozent höher als 2015. Erfreulicherweise ist seit 2019 im Gesundheitswesen die Anzahl der Auszubildenden gestiegen, sie lag 2022 bei ca. 110.000. Allerdings wird diese Zunahme nicht genügen, um den Teil der Belegschaft, der in den kommenden Jahren in Rente gehen wird, komplett zu ersetzen.

• Die Akademisierung der Pflege nimmt zu. Der Anteil der Pflegekräfte mit einem akademischen Berufsabschluss ist von 2015 bis 2022 von 2 auf 5 Prozent gestiegen. Ebenso hat sich die Vergütung von Pflegekräften zwischen 2015 und 2021 spürbar verbessert. Besonders hoch sind die Pflegelöhne im Saarland und in Baden-Württemberg, beide Länder grenzen jeweils an die Hochlohnländer Luxemburg und Schweiz. Die Dauer einer Beschäftigung ist von 2015 bis 2021 besonders bei Pflegeberufen gesunken, während sie im ärztlichen Dienst nahezu unverändert blieb.

Projektion
• Für die Projektion wurden die Jahresabschlüsse des Jahres 2021 unter Berücksichtigung der bereits über die Jahre 2022 und 2023 vorliegenden Erkenntnisse und beschlossener Gesetzesänderungen sowie der demografischen Entwicklung bis 2030 fortgeschrieben. Im Szenario „Fortschreibung“ wird angenommen, dass die in den Pandemiejahren beobachtete geringe Leistungsmenge dauerhaft niedrig bleibt und es nur zu einem leichten demografisch bedingten Wachstum kommt. Weiterhin werden die gestiegene Inflation sowie bereits beschlossene Kurzfristhilfen wie die Energiepreisbremse und der Härtefallfonds berücksichtigt.

• In diesem Szenario „Fortschreibung“ würde der Anteil der Krankenhäuser im roten Rating-Bereich im Jahr 2023 auf 18 Prozent und bis 2030 auf 44 Prozent steigen. Der Anteil der Krankenhäuser mit einem Jahresverlust würde 2023 auf 47 und bis 2030 auf 58 Prozent wachsen. Daraus würde ein enormer Anpassungsdruck entstehen.

• Ergänzend wurden fiktiv eine einmalige Stabilisierungshilfe von 1 Milliarde Euro im Jahr 2023 sowie dauerhafte Hilfen in Höhe von 4 Milliarden Euro jährlich ab dem Jahr 2024 angesetzt. Sie würden zu einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage führen. Im Jahr 2030 würden dann lediglich 26 Prozent der Häuser einen Jahresverlust ausweisen.

• Würde das Leistungsniveau durch einen wachsenden Personalmangel und eine voranschreitende Ambulantisierung sinken, würde sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser dramatisch verschlechtern. Die überwiegende Mehrzahl der Kliniken würde in diesem Szenario bereits ab 2024 einen Jahresverlust machen.

Ausblick
• In den kommenden Jahren wird das Erwerbspersonenpotenzial stark sinken, weil die geburtenstarken Jahrgänge schrittweise den Arbeitsmarkt verlassen und die geburtenschwachen Jahrgänge aus den 2000er-Jahren in den Arbeitsmarkt eintreten. Der daraus resultierenden Knappheit von Fachkräften kann mit qualifizierter Zuwanderung nur bedingt entgegengewirkt werden. Da der demographische Wandel die Bevölkerungsstruktur in ganz Europa prägt, müssten hierzu weltweit Fachkräfte angeworben werden.

• Ein weiteres zentrales Vorhaben ist die große Krankenhausreform, die mehrere Ziele verfolgt. Vor allem soll die Einführung einer fallmengenunabhängigen Vorhaltefinanzierung den Mengenanreiz des DRG-Systems reduzieren, die Daseinsvorsorge stärken und über noch zu definierende Leistungsgruppen einen Anreiz zur Optimierung der Krankenhausstrukturen schaffen. Damit wird ein starker Anreiz gesetzt, Standorte zu größeren Einheiten zusammenzulegen, um damit ein höheres Versorgungslevel zu erzielen.

• Ergänzt werden sollte die Krankenhausreform durch eine effektive Patientensteuerung. Sie könnte durch die Etablierung einer „Gatekeeper-Funktion“, sozial abgefederte Eigenbeteiligungen und den Ausbau der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung erreicht werden. Integrierte Leitstellen (ILS) könnten die Gatekeeper-Funktion übernehmen und Hilfesuchenden abschließend helfen. Im Krankenhaus sollten Hilfesuchende auf ein Integriertes Notfallzentrum (INZ) treffen, das gemeinsam vom Krankenhaus und KV-Ärzten betrieben wird.

• Die geplante Krankenhausreform formuliert implizit ein Zielbild der künftigen Krankenhausstruktur. Im Jahr 2021 waren die rund 437.000 Betten in den Allgemeinkrankenhäusern nur noch zu 66 Prozent ausgelastet. Bei einer Zielauslastung von 85 Prozent und bei fortschreitender Ambulantisierung bestünde im Zielbild ein Bedarf von nur etwa 316.000 Betten bzw. rund 1.200 Standorte. Eine flächendeckende Versorgung ist damit weiterhin gut möglich.

• Der Weg vom Status quo zum Zielbild ist mit erheblichen Veränderungen verbunden. Auch in ländlich geprägten Regionen, in denen die Flächendeckung eine große Rolle spielt, müssen Standorte zu größeren Einheiten zusammengelegt werden. Damit ließe sich eine höheres Krankenhauslevel und bei optimaler Standortwahl gleichzeitig die Flächendeckung erreichen. Eine erste grobe Abschätzung vornehmlich in ländlich geprägten Räumen zeigt, dass fast 200 Standorte der Stufe 1 zusammengelegt werden könnten, sodass anschließend rund 80 neue Standorte der Stufen 1 bis 3 entstünden.

• Würden alle diese Standorte neu gebaut, betrüge der Investitionsbedarf 18 Milliarden Euro. Dabei ist näherungsweise gegengerechnet, dass der Sanierungsbedarf an den alten Standorten entfällt. In städtischen Gebieten entsteht darüber hinaus ein Investitionsbedarf, wenn Kapazitäten gebündelt, umgewidmet oder geschlossen werden sollen.

„Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich im Jahr 2021 wieder verschlechtert“, sagt RWI-Gesundheitsexperte Boris Augurzky. „Die geplante große Krankenhausreform ist ein notwendiger Schritt, um das deutsche Gesundheitswesen effizienter und damit zukunftsfähig zu machen“, so Augurzky.

Datengrundlage des „Krankenhaus Rating Report 2023“ ist eine Stichprobe von 521 Jahresabschlüssen von Krankenhäusern aus dem Jahr 2020 und 525 aus dem Jahr 2021. Sie umfassen insgesamt 976 Krankenhäuser. Für das Jahr 2022 lagen noch keine Jahresabschlüsse in ausreichender Zahl vor. Der Report wird gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirt-schaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB) erstellt.

 

Weitere Informationen

Die Studie "Krankenhaus Rating Report 2023 – die Revolution?!“ enthält unter anderem zahlreiche grafisch aufbereitete Darstellungen und Krankenhausbenchmarks. Die Studie kann für 359 Euro inkl. 7 % MwSt. beim Verlag medhochzwei (www.medhochzwei-verlag.de) bestellt werden (Buch inkl. eBook, ISBN 978-3-86216-976-4). Sie ist auch als reines eBook (329 Euro, ISBN 978-3-86216-977-1) oder im Online-Abonnement (329 Euro, inkl. Archivmaterial seit 2012, ISBN 978-3-86216-103-4) erhältlich. Sämtliche Grafiken und Tabellen sind auch separat als Download verfügbar (898 Euro, Bestell-Nr.386216061).


Quelle: RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung