„Ende der Pilotphase, Anfang des Rollouts“ – Das ist die eine Interpretation dessen, was in Sachen elektronische Patientenakte (ePA) am 29. April startete, die Interpretation der Krankenkassen. Auf Seiten der Leistungserbringer wird dagegen betont, dass die Praxen vorerst noch nicht zu einer ePA-Nutzung verpflichtet seien. Insofern seien die nächsten Monate eher als eine Verlängerung der Testphase zu verstehen. Die üblichen Scharmützel eben.
Seitens der Techniker Krankenkasse meldet deren Chef Jens Baas jedenfalls deutlich steigende Zugriffszahlen von Versicherten auf die ePA. Mittlerweile gebe es eine halbe Million aktive Nutzerinnen und Nutzer, also solche, die in ihre ePA auch aktiv hineinsehen. „Die beliebteste Funktion in der Akte ist das Datenabo“, so Baas. Damit können Versicherte sich Informationen wie Diagnosedaten, Medikamentenverordnungen oder Impfdaten automatisch in die Akte laden. „Ebenfalls sehr beliebt sind die Impf- und Vorsorgeempfehlungen, mit denen Versicherte auf einen Blick sehen können, welche Impfungen oder Vorsorgeuntersuchungen ihnen noch fehlen.“
ePA hui, Telemedizin pfui?
Perspektivisch soll die ePA auch die Telemedizin bzw. allgemeiner formuliert digital hinterlegte Versorgungsprozesse voranbringen. Das betonten bei der DMEA sowohl Baas als auch die für Digitalisierung zuständige Vorständin der KBV, Dr. Sibylle Steiner. Ziel müsse es sein, so Baas und Steiner unisono, dass die Selbstverwaltung digitale Versorgungsprozesse gemeinsam definiere, ohne dass die Politik dabei reinrede.
Vor diesem Hintergrund irritiert es allerdings ein wenig, wie Krankenkassen und KBV derzeit bei der Telemedizin auf die Bremse treten – und damit einen expliziten gesetzlichen Auftrag der Politik konterkarieren. Unmittelbar vor der DMEA wurde bekannt, dass sich die Spitzenverbände auf neue EBM-Regeln für die Telemedizin geeinigt haben. Bei Patient:innen, die in den letzten drei Quartalen vor Ort in der Praxis waren, können Arztpraxen künftig bis zu 50 % aller Leistungen telemedizinisch erbringen. Bei allen anderen beträgt die Quote 30 %.
Lex TeleClinic statt eigener Konzepte
Das ist gegenüber der bisher geltenden, pauschalen 30 %-Quote insofern ein Rückschritt, als es zwar die Zügel für telemedizinische Behandlungen bei chronisch kranken Patient:innen mit fester Praxisanbindung lockert. Gleichzeitig wird aber nicht chronisch kranken Patient:innen, die Telemedizin nutzen, weil sie keinen zeitnahen Arzttermin bekommen, das Leben schwerer gemacht – genauso wie all jenen Praxen, die bereit sind, Versorgungsangebote für eben diese immer größer werdende Zielgruppe zu schaffen.
Das Ganze ist in weiten Teilen eine Lex TeleClinic, und es erinnert fatal an die Grabenkämpfe der ABDA gegen DocMorris und Co vor einigen Jahren. Ein Problem bleibt, dass die Selbstverwaltung zwar gerne über Digitalisierung redet, aber in Sachen konkreter Umsetzung digitaler und hybrider Versorgungsszenarien nach wie vor ziemlich blank ist. Einzelne eDMPs werden hier genauso wenig reichen wie der eine oder andere telemedizinische Selektivvertrag. Was es braucht, sind Strukturen, die flexibel sind und den medizinischen Einrichtungen Freiheiten geben, die Versorgung so zu organisieren, wie es in der individuellen Situation am besten passt.