E-HEALTH-COM ist das unabhängige Fachmagazin für Gesundheitstelematik, vernetzte Medizintechnik , Telemedizin und Health-IT für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Mehr

Für das ePaper anmelden

Geben Sie Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden

Anmelden

Passwort vergessen?

Medizin |

Lohnt das digitale Suchen nach Vorhofflimmern?

Widersprüchliche Daten von der Telekardiologie-Front. Während die Vorhofflimmer-Suche in der LOOP-Studie medizinisch nichts brachte, machte sich ein Screening in der STROKESTOP-Studie bezahlt.

Quelle: © Julia Timm – Fotolia

Dank KI und Wearables lassen sich Vorhofflimmer-Episoden heute auch dann recht unkompliziert aufspüren, wenn sie nur selten auftreten oder kaum oder keine Symptome machen. Trotzdem empfehlen Fachgesellschaften wie die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) das Screening bei asymptomatischen Patient:innen nur im höheren Alter, und auch das ist nicht unumstritten. Beim diesjährigen ESC-Kongress haben sich zwei randomisierte Studien der Thematik angenommen – und endlich auch Daten zu klinischen Endpunkten geliefert. Leider sind die widersprüchlich.

 

LOOP-Studie: Mehr Blutverdünnung, kein Schlaganfallnutzen

Die LOOP-Studie, die beim ESC-Kongress von Prof. Jesper Svendsen von der Universität Kopenhagen vorgestellt wurde, umfasste knapp über 6000 Menschen mit hohem Schlaganfallrisiko, aber ohne bekanntes Vorhofflimmern. Ein Viertel der Teilnehmer erhielt einen implantierbaren Loop-Rekorder (ILR), also ein kleines, subkutanes EKG-Implantat. Der lieferte im Mittel über 64 Monate Daten, anhand derer Vorhofflimmer-Episoden detektiert werden konnten. Die übrigen Patient:innen bildeten die Vergleichsgruppe mit normaler, hausärztlicher Versorgung.

 

Wenig überraschend fand sich über die 64 Monate in der ILR-Gruppe deutlich häufiger Vorhofflimmern, nämlich bei 32% der Studienteilnehmer. In der Kontrollgruppe waren es nur 12%. Definiert waren die Vorhofflimmerepisoden hier über eine Dauer von mindestens 6 Minuten am Stück. Die Diagnose hatte für viele Patient:innen Folgen: Bei 29,7% der Studienteilnehmer in der ILR-Gruppe wurde eine Blutverdünnung initiiert, gegenüber 13,1% in der Kontrollgruppe.

 

So weit, so wenig überraschend. Nur: Nutzt das was? Die Antwort der LOOP-Studie lautet nein. Schlaganfälle oder systemische Embolien traten in der ILR-Gruppe bei 4,5% und in der Kontrollgruppe bei 5,6% auf. Das war kein statistisch signifikanter Unterschied. Schwere Blutungen hatten 4,3% der Patient:innen in der ILR-Gruppe und 3,5% in der Kontrollgruppe. Auch das war nicht signifikant, und in der für die Bewertung der Ergebnisse wichtigen Gesamtschau aus ischämischen Endpunkten und schweren Blutungen lässt sich auch kein Trend in irgendeine Richtung erkennen.

 

STROKESTOP-Studie: Number-Needed-to-Screen 100?

Anders sah es in der STROKESTOP-Studie aus, eine schwedisch geführte Studie, deren Ergebnisse zeitgleich mit dem ESC-Kongress in der Zeitschrift Lancet veröffentlicht wurden. Auch an der STROKESTOP-Studie nahmen Hochrisikoprobanden teil, auch hier wurde lange, knapp sieben Jahre, nachbeobachtet. Die Screening-Intervention war aber eine etwas andere: Die Intervention bestand aus zweimal täglicher Ableitung eines 1-Kanal-EKGs mit Hilfe eines Daumensensors, und das über lediglich 14 Tage.

 

Auch hier führte die Diagnostik zu einem Anstieg der Vorhofflimmer-Prävalenz, von 12,1% auf 14,0% unmittelbar nach den zwei Screening-Wochen. Dies führte zu einer etwas höheren Rate an Patient:innen, die eine Antikoagulation erhielten, und am Ende gab es beim primären Endpunkt – einem Komposit aus ischämischem Schlaganfall, systemischen Thromboembolien, Gesamtsterblichkeit und schweren Blutungen – einen Vorteil von 31,9% vs. 33,0% zugunsten der Screening-Gruppe. Das entspricht einer Hazard Ratio von 0,96 bzw. einer „Number-Needed-to-Screen“ von rund 100. In der As-treated-Analyse, für die nur jene in der Screening-Gruppe berücksichtigt wurden, die an dem (freiwilligen) Screening auch tatsächlich teilgenommen haben, gab es sogar eine satte 24%ige Risikoreduktion. Das ist für eine Screening-Studie im Vorhofflimmer-Bereich sehr ordentlich.

 

Rückenwind für die modernen digitalen Tools?

Was tun mit diesen beiden Studien? Kommentatoren sind sich uneinig. Die LOOP-Studie spricht dafür, dass es wenig Sinn macht, über Jahre hinweg jede einzelne Arrhythmie-Episode zu loggen und zu analysieren. Gleichzeitig spricht die STROKESTOP-Studie aber dafür, dass Risikopatient:innen davon profitieren, wenn zumindest episodenweise etwas genauer hingesehen wird. Letzteres wiederum ist ein Szenario, das näher an der Digital-Health-Wirklichkeit mit ihren gelegentlich getragenen Smartwatches dran ist als die quasi permanente Implantation eines Loop-Rekorders. So gesehen können die beiden neuen Studien vielleicht sogar dahingehend interpretiert werden, dass sie für zeitlich limitierte, non-invasive, digital gestützte Screening-Programme Rückenwind bringen.