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Vernetzung |

Patientenakte der Techniker Krankenkasse wird von IBM gebaut

© Coloures-pic

Jetzt ist es offiziell: IBM hat die Ausschreibung der Entwicklungspartnerschaft für eine elektronische Patienten- oder Gesundheitsakte der Techniker Krankenkasse gewonnen. In Hamburg wird das Unternehmen dafür eine eigene Entwicklungseinheit aufbauen.

 

Lange wurde spekuliert. Fast alle Unternehmen, die einem in der deutschen E-Health-Szene im Zusammenhang mit dem Thema Patientenakten einfallen, haben sich beteiligt. Am Ende hat das Unternehmen IBM die erste große internationale Ausschreibung einer elektronischen Akte bei einer deutschen Krankenkasse gewonnen. TK-Vorstandsvorsitzender Jens Baas machte die Vergabe, die schon vor anderthalb Wochen erfolgte, am Donnerstag in Berlin bekannt.


Patientenakte wird Satzungsleistung

Die TK-Ausschreibung hatte unter anderem deswegen Aufsehen erregt, weil es die erste derartige Ausschreibung in Deutschland war, bei der sehr streng darauf geachtet wurde, dass sich die zu entwickelnde Aktenlösung an IHE-Profilen orientiert. Das soll es auf Dauer erleichtern, die Akte mit den IT-Systemen von Ärzten und Krankenhäusern zu verknüpfen. Zunächst wird freilich die Techniker Krankenkasse selbst die Akte füllen mit Daten, die der Kasse ohnehin zur Verfügung stehen. Jeder Versicherte der Krankenkasse soll Anspruch auf eine solche Akte haben und dafür auch nichts separat bezahlen müssen. Die Akte wird vielmehr als so genannte Satzungsleistung angeboten.

 

Baas betonte, dass die Akte, die architektonisch als eine zentrale, rechenzentrumbasierte Online-Akte konzipiert ist, nicht von der Krankenkasse, sondern von IBM als neutralem Dritten gehostet werde und dass die Daten konsequent in Deutschland gespeichert würden. Die Krankenkasse könne auch nicht in die Akte hineinsehen. Allerdings wird der Versicherte die Möglichkeit haben, Daten aus seiner Akte zugänglich zu machen. „Er hat die absolute Datenhoheit“, so Baas. Dies sei auch eine wichtige Anforderung des Bundesversicherungsamt (BVA) gewesen, das bei derartigen Kassenleistungen die Funktion einer Aufsichtsbehörde hat.

 

Neue TK-App soll in Zukunft auch das Tor zur Akte werden

In einem ersten Schritt will die TK nach Aussage von Baas alle Daten in die Akte einspielen, die sie von einem Patienten besitzt. Das betrifft verordnungspflichtige Medikamente, bei denen die Krankenkassen die Informationen meist mit nur geringer Verzögerung von Tagen oder wenigen Wochen über die Apothekenrechenzentren erhalten. Es betrifft Informationen über stationäre Aufenthalte, und es betrifft ambulante Diagnosen und Leistungen. Letztere liegen der Krankenkasse durch den Umweg über das KV-System allerdings erst mit sechs Monaten Verspätung vor.

 

Zugreifen können soll der Patient auf all diese Daten einerseits über ein Web-Interface, andererseits und bevorzugt mobil über eine zentrale TK-App, deren erste Version – noch ohne Akte, aber bereits mit eingespielten Rezeptdaten sowie diversen Funktionen im Zusammenhang mit Bonusprogrammen – in den nächsten Tagen in Apples und Googles App-Stores erhältlich sein soll. Bei dieser App meldet sich der Versicherte an und muss dann noch einmal eine separate PIN eingeben, die ihm nach Anmeldung von der TK zugesandt wird. Die App ist außerdem fest an das mobile Endgerät gekoppelt, auf dem sie heruntergeladen wurde. So ist eine „doppelte“ Identifizierung durch Passwort und Hardware-Besitz gewährleistet. All das waren Anforderungen des BVA.

 

Elektronischer Impfpass ante portas?

Natürlich möchte die Techniker Krankenkasse die Akte nicht einfach als einen Container für Daten konzipieren. Zum einen soll der Patient die Möglichkeit bekommen, selbst Daten einzuspielen. Das kann zum Beispiel bei chronisch kranken Patienten Sinn machen, für die die Krankenkasse spezifische Services in der Akte plant. Auch ein elektronischer Impfpass ist offenbar Teil der Vision. Der ist deswegen relativ einfach umzusetzen, weil die Daten über Impfungen Medikationsdaten sind, die der Kasse rasch zur Verfügung stehen. Anwendungen wie ein digitales Bonusheft für Zahnarztbesuche erfordern dagegen eine Kooperation mit Leistungserbringern. Derartige Kooperationen werden ausdrücklich angestrebt, sie sind aber noch nicht spruchreif.

 

Auf Dauer Änderungsbedarf beim Paragraph 291a SGB V

Politisch interessant ist die Frage, wie sich die Techniker-Akte zur Telematikinfrastruktur verhält. TK-Versorgungsexperte Klaus Rupp betont in einem Interview in der nächsten Ausgabe der E-HEALTH-COM, dass diese Frage letztlich noch nicht abschließend beantwortet werden könne: „Wir diskutieren darüber auf Ebene des GKV-Spitzenverbands, und über den Spitzenverband werden wir natürlich auch Einfluss auf die Entwicklungen nehmen. Wir sehen die Telematikinfrastruktur in erster Linie als eine geschützte Kommunikationsumgebung auf Seiten der Leistungserbringer. Mit unserer Akte kommen wir gewissermaßen von der anderen Seite: Wir bauen die Brücke in Richtung Patient.“

 

Als weitgehend politisch gesetzt gilt in Berlin mittlerweile, dass einige patientenaktenbezogene Paragraphen des fünften Sozialgesetzbuchs über kurz oder lang noch einmal angepasst werden müssen, um den veränderten technischen und gesellschaftlichen Realitäten gerecht zu werden. „Ich denke schon, dass wir an einigen Stellen andere Antworten und neue ordnungspolitische Ideen brauchen. Mein Eindruck ist, dass die Politik das weiß“, so Rupp.

 

Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM

 

Das ausführliche Gespräche mit TK-Versorgungsexperte Klaus Rupp finden Sie in der demnächst erscheinenden Printausgabe der E-HEALTH-COM (Erscheinungstermin: 23. Februar 2017).