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Vernetzung |

Pflegekassen sollen für Pflege-AAL zahlen

Ein neues Rechtsgutachten plädiert dafür, dass digitale Pflegehelfer eine Kassenleistung werden. Voraussetzung ist ein Nutzennachweis.

Quelle: © Khunatorn – stock.adobe.com

Digitale Assistenzsysteme für alte und pflegebedürftige Menschen, oft Active-Assisted-Living oder auch Ambient-Assisted-Living („AAL“) genannt, gelten bisher im Wesentlichen als Lifestyleprodukte. Sie werden von Menschen, die daran interessiert sind oder sie vielleicht sogar zwingend benötigen, selbst finanziert. Ausnahmen sind Hausnotrufsysteme sowie digital „aufpeppte“ Pflegebetten, die in begrenztem Umfang im Hilfsmittelverzeichnis der Kranken- und Pflegekassen auftauchen.

 

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat jetzt bei Prof. Dr. Christian Dierks von der Berliner Rechtsanwaltsgesellschaft Dierks + Company ein Rechtsgutachten zu digitalen Pflegehelfern in Auftrag gegeben. Es wurde am Mittwochmorgen in Berlin vorgestellt. Im Kern schlägt es einen Erstattungsanspruch für digitale Pflegehelfer im Rahmen des Pflegehilfsmittelanspruchs nach §40 SGB XI vor, und zwar immer dann, wenn die Produkte einen pflegerischen Nutzen erfüllen.

 

Dierks: „Es geht nicht um Lifestyle-Technologien“

Dabei denken Dierks und der vzbv an Ortungs-, Notruf- und Sturzerkennungssysteme, aber nicht nur. Auch Abschaltsysteme für Haushaltsgeräte oder digitale Helfer zur Erinnerung an die Nahrungs- und Getränkeaufnahme seien demnach AAL-Technologien, die in bestimmten Konstellationen im Rahmen der Pflegeversicherung erstattungsfähig sein sollten: „Es geht uns nicht um Lifestyle- und Smart-Home-Technologien. Das ist Privatsache. Aber wenn mit digitalen Warnsystemen die Einnahme von Medikamenten oder Mahlzeiten sichergestellt wird, sodass ein Aufenthalt im Pflegeheim vermieden werden kann, dann sollte das auch erstattet werden“, betonte Dierks.

 

Für eine Erstattung im Rahmen des SGB XI ist es aus Sicht von Dierks + Company sowie des vzbv nötig, Wege zu schaffen, die den Nachweis des pflegerischen Nutzens erlauben. Gedacht ist letztlich an eine Art digitale Nutzenbewertung in Analogie zu jener im SGB V geregelten Nutzenbewertung, die das BfArM künftig für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) orchestrieren soll, bevor diese im Rahmen der Regelversorgung erstattet werden: „Indem die digitalen Assistenzsysteme ihren Nutzen für die Pflegeversorgung nachweisen müssen, wird sichergestellt, dass die Pflegeversicherung nicht die Kosten für bloße Lifestyle- und Smart-Home-Technologien tragen muss“, so Dierks. Die Tatsache, dass bestimmte Produkte im Einzelfall auch von gesunden Versicherten als Smart-Home-Technologie genutzt würden, sollte der Erstattungsfähigkeit aber nicht per se im Wege stehen, so die Gutachter.

 

Müller: „Chancen für finanzielle Entlastung nutzen“

Ganz konkret schlägt das Gutachten vor, einen Erstattungsanspruch für AAL-Produkte im Rahmen des Pflegehilfsmittelanspruchs nach §40 SGB XI zu schaffen, der auch den Nutzennachweis fordert. Als Nutzen könnten günstige Effekte auf Lebensbereiche gemäß §14 SGB XI gelten, also Mobilität, kognitive/kommunikative Fähigkeiten, Verhalten, Haushaltsführung, Selbstversorgung oder der selbständige Umgang mit krankheitsspezifischen Anforderungen und Belastungen.

 

Prinzipiell dürfe der Blick nicht monoman auf die Kosten von AAL-Systemen gerichtet werden, so vzbv-Vorstand Klaus Müller: „Wenn digitale Pflegehelfer den Umzug in ein Pflegeheim hinauszögern oder gar verhindern, bedeutet das eine deutliche finanzielle Entlastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen. Die Chance gilt es zu nutzen.“