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Vernetzung |

Politik pusht offene Schnittstellen

Wie erst jetzt bekannt wurde, will der Deutsche Bundestag den §291d SGB V deutlich verschärfen. Demnach soll die Umsetzung „offener und standardisierter“ Schnittstellen durch die Industrie mit einer Zweijahresfrist hinterlegt werden.

 

Kalt erwischt: Praktisch an der gesamten Branche – auch an E-HEALTH-COM, wie wir selbstkritisch zugeben müssen – ist eine Gesetzesänderung vorbeigegangen, die der Deutsche  Bundestag bereits am 1. Juni im Rahmen des „Gesetzes zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten“ in dritter Lesung verabschiedet hat. Das Gesetz, das primär der Festlegung der Details der elektronischen Meldung nach Infektionsschutzgesetz dient, ändert in einem so genannten „Omnibus-Verfahren“ auch gleich den §291d SGB V.


Systemwechsel ist seit Jahren ein kontroverses Thema

In der bisherigen Fassung besagt dieser Paragraph, dass sich KBV und Industrie so bald wie möglich auf Schnittstellen zur systemneutralen Archivierung von Patientendaten sowie für die Datenübertragung bei Systemwechsel verständigen sollen. Was den Systemwechsel angeht, wurde im Kontext dieser politisch unterstützten Verständigungsprozesse unter anderem die bvitg transfer-Schnittstelle geschaffen, die derzeit rund 5000 Mal im Jahr in Anspruch genommen wird.

 

Insbesondere der KBV hat diese Schnittstelle nie gereicht.  Man fühlt sich dort nach wie vor von der Industrie gegängelt, weil ein Systemwechsel trotz bvitg transfer-Schnittstelle für die Ärzte teuer und eine Anbindung externer Softwaremodule, etwa Medikationsmodule, nicht ohne weiteres möglich sei. Zuletzt war diese Diskussion im Zusammenhang mit Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz aufgeflammt. Damals, Anfang 2017,  ging es um die Kosten der Medikations- und der künftigen GBA-Module. Es gab einen scharf formulierten offenen Brief der KBV und eine ebenfalls forsche Erwiderung des Unternehmens medatixx, die beide breit zitiert wurden.

 

Hersteller sollen Zwei-Jahres-Frist bekommen – auch für Arzneimittelmodule

Jetzt wird die Politik deutlicher: Der neue §291d besagt, dass die Hersteller von Praxis-IT-Lösungen und Krankenhausinformationssystemen zwei Jahre Zeit haben, um „offene und standardisierte“ Schnittstellen für die systemneutrale Archivierung und den Systemwechsel zur Verfügung zu stellen. Die Frist läuft ab dem Zeitpunkt, ab dem ein entsprechender Standard im Interoperabilitätsverzeichnis vesta auftaucht. Vesta öffnet am 1. Juli offiziell seine Pforten. Standards, die in vesta auftauchen, müssen von der Gematik zuvor abgesegnet werden.

 

Gemäß dem neuen §291d geht es nicht nur um Praxis-IT- und Klinikinformationssysteme, sondern explizit auch um Softwaremodule für die Verordnungsunterstützung nach §73 Absatz 9 Satz 1 SGB V, sprich um die umstrittenen Arzneimittelmodule. Das Bundesgesundheitsministerium behält sich außerdem das Recht vor, per Rechtsverordnung die Integration weiterer Schnittstellen in vertragsärztliche IT-Systeme vorzuschreiben. Auch das ist in dieser Schärfe neu.

 

Offizielle Stellungnahmen zu der Gesetzesänderung sind bisher rar. Der Verband Digitale Gesundheit (VdigG) darf für sich in Anspruch nehmen, die Gesetzesänderung als erster in die Öffentlichkeit gebracht zu haben. VdigG-Vorstandsmitglied Florian Fuhrmann von der KV Telematik lobt den Schritt ausdrücklich. Eine Stellungnahme des bvitg liegt bisher noch nicht vor.


Stellungnahme VdigG: http://www.vdigg.de/291dsgbv/#schnittstelle

 

Beschlussempfehlung des Deutschen Bundestags (S. 72/73): http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/126/1812604.pdf

 

Text: Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM