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Medizin |

Psycho-DiGAs: „Wir wollen keine Wartelisten mehr“

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind bald integraler Bestandteil der psychotherapeutischen Versorgung, davon sind viele überzeugt. Der Bekanntheitsgrad kann aber noch gesteigert werden.

Foto: © methaphum – stock.adobe.com

Eine ganze Menge an Hemmnissen macht die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland schwieriger, als sie sein müsste. Bei dem von Servier unterstützten Symposium E-Mental Health in Deutschland nannte PD. Dr. Rita Bauer von der Universitätsklinik Dresden unter anderem die Angst vor Stigmatisierung seitens der Patient:innen und den Mangel an Weiterbehandler:innen in Situationen, in denen die hausärztliche Versorgung nicht ausreicht. Die Wartezeiten auf eine Psychotherapie in Deutschland sind lang: Im Schnitt 19,4 Wochen wird in Brandenburg gewartet, knapp 10 Wochen im gut versorgten Bayern.

 

DiGA könnten hier eine große Unterstützung sein und Versorgungslücken schließen helfen, betonte Bauer. Dadurch, dass das BfArM-Verzeichnis relativ hohe Ansprüche an eine Aufnahme stelle und einen klaren Evidenznachweis fordere, sei es für Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen eine große Orientierungshilfe in der Vielfalt der digitalen Tools in den diversen App-Stores.

 

An der prinzipiellen Wirksamkeit gut gemachter E-Mental-Health-Anwendungen hat Bauer keinen Zweifel. Sie berichtete über eine Metaanalyse, die 66 randomisierte Studien bei verschiedenen psychiatrischen Indikationen ausgewertet hat. (World Psych 2019; 18(3):325-36) „Die Studien zeigen fast alle, dass online-basierte Therapien vergleichbar wirksam sind wie Face-to-Face-Therapien“, so Bauer. Depressive Symptome, soziale Ängste und Stresserleben ließen sich durch – in aller Regel auf kognitiver Verhaltenstherapie aufsetzende – Apps signifikant verbessern, wobei therapeutenunterstützte Programme oft besser abschnitten als reine Selbsthilfe-Tools.

 

Bauer wies auch auf eine gesundheitsökonomische Dimension hin: So gebe es für die DiGA Deprexis eine Analyse aus dem Jahr 2019, wonach die Behandlungskosten in der Interventionsgruppe um 4,4% fielen, während sie gleichzeitig in der Kontrollgruppe um 11,5% anstiegen. (Health Econ Rev 2019; 9(1):16) Wichtig sei aber, dass nicht alle Apps über einen Kamm geschert werden dürften: „Bezüglich Qualität, Sicherheit und Evidenzbasierung unterscheiden sich die Angebote stark.“

 

Insgesamt gab es von Bauer eine klar positive Bewertung der Entwicklungen im E-Mental-Health-Bereich: „Ich denke, es muss keine Wartezeit mehr geben. Wir wollen keine Wartelisten mehr.“ Würden digitale Programme vorausgeschaltet, gebe es einen großen Entlastungseffekt für die Patient:innen, der letztlich dazu führen könne, dass Wartelisten nicht mehr benötigt würden.

 

Klar ist allerdings auch, dass der Bekanntheitsgrad der DiGA noch gesteigert werden muss – selbst in einem DiGA-affinen Bereich wie der Psychotherapie. Prof. Dr. Michael Landgrebe von den Lech-Mangfall-Kliniken in Bayern fragte im Rahmen seines Vortrags die über 1000 teilnehmenden Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen der Online-Session, wer schon einmal DiGA verordnet habe. Es waren 15%, und 45% sagten, dass sie diesen Versordnungsweg noch gar nicht kennen würden.