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Rezepte gesucht: Erste DVG-Lesung erhält grünes Add-on

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen bringt Würze in die DVG-Diskussionen im Deutschen Bundestag. Ein ergänzender Antrag greift viele Forderungen aus der E-Health-Szene auf.

Quelle: © malp – stock.adobe.com

Trotz vieler Einzelmaßnahmen fehle es den Aktivitäten der Bundesregierung bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens an einer Richtung und einer kohärenten Strategie, bemängeln die Abgeordneten um Maria Klein-Schmeink. Es mangele nicht an digitalen Zutaten, sondern an einem stimmigen Rezept für den Prozess der Digitalisierung insgesamt.

 

Dieser Vorwurf seitens der Opposition ist nicht neu. Neu ist aber, dass mit dem Antrag „Der Digitalisierung im Gesundheitswesen eine Richtung geben und sie im Interesse der Nutzerinnen und Nutzer vorantreiben“ (Bundestagsdrucksache 19/13539), den die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen anlässlich der ersten Lesung des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) am 27. September 2019 in den Deutschen Bundestag einbringen wird, ein ganzer Katalog an sehr konkreten Maßnahmen aufgelistet wird. Sie greifen vieles von dem auf, was Koalitionspolitiker und nicht zuletzt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auch für sich beanspruchen, ohne es bisher mit konkreten gesetzlichen Maßnahmen herbeigeführt zu haben.

 

Nationale E-Health-Strategie muss her

Zentraler Punkt ist die Forderung an die Bundesregierung, eine sich an konkreten gesundheits-, versorgungs- und pflegepolitischen Prioritäten orientierende und regelmäßig aktualisierte Strategie zur Umsetzung der Digitalisierung des Gesundheitswesens auf den Weg zu bringen. Solche Strategien existieren in praktisch allen Ländern, die bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens als Vorreiter gelten. Sie machen öffentlich transparent, wo genau die jeweilige Regierung hinmöchte, mit welchen Maßnahmen und bis wann.

 

Teil der Strategie müsse, so die grünen Abgeordneten, eine bessere Abstimmung der digitalen Aktivitäten von Bund und Ländern sowie Gesundheits- und Forschungsministerium sein. Zur Begleitung und Koordination einer solchen Strategie wird eine geeignete Governance-Struktur angeregt, beispielsweise eine öffentlich finanzierte Digitalagentur, die ja nicht zuletzt von Experten für elektronische Patientenakten in der Vergangenheit immer wieder angeregt worden war.


Stärkere Förderung und Regulierung von Interoperabilität

Die zweite Hauptforderung des Antrags von Bündnis 90/Die Grünen ist eine stärkere Förderung der Entwicklung und Verbreitung interoperabler Standards sowie offener Schnittstellen. Hierzu wird – erneut nach internationalem Vorbild – eine nationale Terminologieinstitution angeregt. Sie könne etwa beim DIMDI angesiedelt sein und in enger Abstimmung mit der Digitalagentur Festlegungen für die Struktur digitaler medizinischer Dokumente treffen.

 

Flankiert werden müsste die Terminologieinstitution demnach von Anreizsystemen und Vorgaben, die die Implementierung der abgestimmten Standards fördern sowie durch eine gesetzliche Verpflichtung zum Einsatz offener Schnittstellen. Letzteres müsse nicht nur für die IT-Branche, sondern auch für die Hersteller von Medizinprodukten wie etwa aktiven Implantaten gelten. Schließlich wird beim Themenkomplex Interoperabilität einmal mehr eine unverzügliche Vollmitgliedschaft der Bundesrepublik in SNOMED International gefordert. In der Begründung des Antrags heißt es dazu außerdem: „Die Vergabe einer befristeten Testlizenz an eine begrenzte Zahl von Krankenhäusern wie jetzt […] beabsichtigt ist nicht angemessen.“ Sie sei auch nicht notwendig, da es Überprüfungen der prinzipiellen Eignung auf europäischer Ebene längst gegeben habe.

 

Digitale Gesundheitsanwendungen: UK als Vorbild

Auch bei den digitalen Gesundheitsanwendungen macht der Antrag konkrete Vorschläge, wie das deutsche Gesundheitswesen hier dauerhaft vorankommen könnte. Zum einen wird der Aufbau eines gemeinnützigen, auf die Öffentlichkeit/Patienten zielenden Online-Verzeichnisses mobiler digitaler Gesundheitsanwendungen nach dem Vorbild der NHS Digital Apps Library angeregt.

 

Zum anderen wird ein Gesetzentwurf gefordert, der den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit Fristsetzung beauftragt, ein für das deutsche Gesundheitswesen dann maßgebliches Evidenzkonzept für digitale Gesundheitsanwendungen zu entwickeln. Auch hier schaut man über den Ärmelkanal. Dort existiert seit einiger Zeit das Evidence Standards Framework für Digital Health Technologies des NICE-Instituts, über das auch E-HEALTH-COM schon wiederholt berichtet hat. Dieses Rahmenwerk sieht abgestufte Anwendungskategorien und Evidenzstandards vor. (Es wäre damit auch dazu angetan, die oft undifferenzierten Diskussionen über Evidenznotwendigkeiten für Gesundheits-Apps etwas zu strukturieren.)

 

Weitere Unterpunkte des Antrags gehen auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Patienten sowie auf das Thema Digitalpakt von Bund und Ländern für eine Anschubfinanzierung der IT-Investitionen ein. Ein Gesetzentwurf mit stufenweisem Einwilligungs- und Berechtigungsmanagement für die elektronische Patientenakte wird gefordert, außerdem sollten Patientinnen und Patienten die Möglichkeit bekommen, ihre pseudonymisierten Gesundheitsdaten freiwillig und mit Widerrufsmöglichkeit für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Im Zusammenhang mit Datenschutz und Datensicherheit wird eine Ausweitung des Beschlagnahmeverbots nach §97 Strafprozessordnung vollumfänglich auf verschlüsselte Daten in elektronischen Patientenakten nach §291a SGB V gefordert.

 

Bündnis 90/Die Grünen-Antrag „Der Digitalisierung im Gesundheitswesen eine Richtung geben und sie im Interesse der Nutzerinnen und Nutzer vorantreiben“. Bundestagsdrucksache 19/13539, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/135/1913539.pdf