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Medizin |

Smart Devices für den Herzrhythmus lassen aufhorchen

Gleich zwei Studien zur telemedizinischen Detektion von Vorhofflimmern haben beim Kongress des American College of Cardiology in Orlando aufhorchen lassen.

 

Die Tele-Rhythmologie wird erwachsen: Immer mehr prospektive Studien zeigen, dass sich mit vergleichsweise einfachen und komfortabel zu tragenden mHealth-Tools Screening-Programme für Vorhofflimmern und vielleicht auch andere Herzrhythmusstörungen umsetzen lassen. Untersucht wird dieses Szenario aktuell in der in den USA Ende 2017 angelaufenen Apple Heart Study, bei der die Apple Watch mit ihrem Photoplethysmographie-Sensor die erste Screening-Linie bildet, hinterlegt mit einem telemedizinischen Service-Center, das bei Auffälligkeiten als zweite Screening-Linie ein EKG-Pflaster des Unternehmens BioTelemetry versendet.

 

Einen etwas anderen Ansatz hat die SCREEN-AF-Studie des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (DZHK), die demnächst starten soll. Hier kommt das EKG-Pflaster Zio von iRhythm zum Einsatz, wobei der ärztliche Part nicht von einem Telemedizinzentrum, sondern von Hausärzten übernommen wird.

 

mSToPS-Studie: Forschung ohne Studienzentren

Relativ innovativ ist auch die mSToPS-Studie, deren Ergebnisse jetzt bei der ACC-Jahrestagung in Orlando vorgestellt wurden. Diese Studie arbeitete ebenfalls mit dem Zio-Pflaster, das eine FDA-Zulassung besitzt. 1732 Probanden mit moderatem Risiko für Vorhofflimmern nahmen teil. Sie wurden von der Health Maintenance-Organisation Aetna kontaktiert und bei Interesse an der Studie mit einem Pflaster ausgestattet, das im Mittel zwölf Tage lang getragen wurde.

 

Als Vergleichsgruppe dienten gematchte Versicherte mit demselben Alter, Geschlecht und Risikoprofil aus der Aetna-Versichertendatenbank. Es gab also kein klinisches Studienzentrum im engeren Sinne. Nach Ablauf der zwei Wochen schickten die Versicherten in der Pflastergruppe das Pflaster per Post an die Versicherung. Das könnte man künftig sicher auch per Smartphone lösen. Primärer Endpunkt war die Inzidenz von Vorhofflimmern nach einem Jahr.

 

Diese betrug in der Interventionsgruppe 6,3%, in der Kontrollgruppe 2,3%. Vorhofflimmern wurde also annähernd dreimal so oft entdeckt, wenn das Pflaster einmalig für ein bis zwei Wochen getragen wurde. Nicht bei jedem, aber doch bei einem Teil der Patienten zogen die behandelnden Ärzte daraus auch Konsequenzen: 5,4% der Patienten in der Interventionsgruppe, aber nur 3,4% in der Kontrollgruppe waren am Ende der Studie oral antikoaguliert. Bei klinischen Endpunkten wie Schlaganfällen oder Krankenhauseinweisungen gab es keine Unterschiede. Das nachzuweisen braucht allerdings auch enorm große Studien.

 

Armbandsensor ersetzt nicht den Kardiologen

Eine zweite Studie, die ebenfalls in Orlando vorgestellt wurde, nutzte ein weiteres in den USA zugelassenes Medizinprodukt, das Kardia Band von Alive Cor. Es handelt sich um ein Armband für die Apple Watch, das statt des normalen Armbandes genutzt wird. Es verfügt über einen elektrischen Sensor, der ein Ein-Kanal-EKG ableitet, wenn der Träger seine Fingerkuppe für etwa 30 Sekunden darauflegt. Dieses Verfahren ist weniger fehleranfällig als die photoplethysmographische EKG-Messung mit der Uhr selbst.

 

In der jetzt vorgestellten Studie ging es um die Genauigkeit des Kardia Bands. Bei 100 Patienten mit Vorhofflimmern wurden vor und nach Kardioversion jeweils ein Kardia Band-EKG und ein 12-Kanal-EKG aufgezeichnet. Bei den Patienten, bei denen der Algorithmus sich auf eine Diagnose festlegte, wurde ein Vorhofflimmern mit einer Sensitivität von 93% und einer Spezifität von 84% detektiert. Wurden die Ein-Kanal-EKGs, bei denen der Algorithmus sich festlegte, zusätzlich von Elektrophysiologen angesehen, stieg die Sensitivität auf 99% und die Spezifität lag bei 83%.

 

Bei jeder dritten Aufnahme sah sich der Algorithmus allerdings außer Stande, sich festzulegen, während die leibhaftigen Kardiologen auch hier noch eine Sensitivität von 100% und eine Spezifität von 80% erreichten. Das alles spricht tendenziell dafür, die Technologie in einem integrierten telemedizinischen Versorgungsszenario einzusetzen, um optimalen Nutzen aus ihr zu ziehen.

Text: Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM