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Medizin |

Telemedizin: „Ich glaube an eine Kettenreaktion“

Steht Deutschland vor einer Telemedizinwelle? Beim BMC-Kongress in Berlin zeigte sich: Bei den Akteuren herrscht angesichts der diverser Neuerungen Optimismus.

Bild: © Mego-studio – stock.adobe.com, 152261155, Stand.-Liz.

Im Gefolge der Covid-Pandemie werden im Digital-Gesetz (DigiG) und auch an anderen Stellen die regulatorischen Voraussetzungen geschaffen, um telemedizinische Angebote stärker als bisher in der Regelversorgung zu verankern. Die Mengengrenze für Telemedizin in Arztpraxen soll fallen, die Einbindung des eRezepts in Videosprechstunden kommt und neue Versorgungsoptionen, wie etwa die assistierte Telemedizin, werden ermöglicht.

 

Aus Sicht von Telemedizinanbietern, Krankenkassen und Patientenvertreter:innen gibt es für all diese Initiativen viel Zustimmung, das wurde beim jährlichen Kongress des Bundesverbands Managed Care (BMC) deutlich. „Die Grundvoraussetzungen werden gerade geschaffen“, sagte Konstantinos Stavrakos von der DAK Gesundheit. Der Kassenmanager berichtete, dass seine Krankenkasse kürzlich einen Selektivvertrag über eine Videosprechstunde abgeschlossen habe und damit in Kürze in die Kommunikation gehen werde: „Wir wollen das in unsere Kassen-App einbinden.“

 

Ein Selbstläufer werde Telemedizin dennoch nicht, warnte Benedikt Luber, geschäftsführender Direktor von TeleClinic, einem der telemedizinischen Plattformanbieter in Deutschland. Entscheidend für den Erfolg sei, dass telemedizinische Zugänge genau dort angeboten würden, wo sich die Patient:innen befinden bzw. dort, wo nach Versorgung gesucht wird. Das seien zum Beispiel Apps und Terminportale. Wichtig seien gerade in der derzeitigen Anfangsphase aber auch klare telemedizinische Use Cases mit transparenten Behandlungspfaden und strukturierter digitaler Anamnese, um den User:innen eine Orientierung zu geben. Technisch müssten die Videosprechstunden zudem einwandfrei funktionieren, eine GKV-Erstattung müsse gegeben sein und – ganz entscheidend – elektronische Dokumente wie E-Rezept, eAU und E-Arztbrief müssten im Kontext der telemedizinischen Behandlung möglich sein. All dies sei mittlerweile entweder gegeben oder zumindest in politischer Vorbereitung. Luber ist sich deswegen sicher, dass es demnächst zügig vorangehen wird: „Ich glaube an eine Kettenreaktion.“

 

Im Rahmen von Selektivverträgen haben TeleClinic und andere Anbieter das meiste davon schon punktuell umgesetzt. TeleClinic selbst spricht von bisher 1,5 Millionen Behandlungen, von denen immerhin 80 Prozent rein digital abgeschlossen werden konnten. Was fehle, sei aber immer noch die Versorgungsbreite, so Luber. Es gebe Umfragen, in denen neun von zehn Ärzt:innen zu Protokoll gäben, dass sie nicht mit Telemedizin arbeiteten. Die Patientenvertreterin Birgit Bauer von Data Saves Lives konnte das bestätigen: „Ärzte wissen zu wenig Bescheid. Wenn Telemedizin angeboten wird, wird es nicht kommuniziert. Chronisch kranke Patienten kriegen diese Angebote nicht.“

 

Es gibt aber Lichtblicke: Die Ankündigung des ADAC, als Partner in den Telemedizinmarkt einzusteigen, hat vielerorts für Aufregung gesorgt, das spürte man auch beim BMC-Kongress. TeleClinic selbst hat zuletzt gute Erfahrungen mit einem hybriden Versorgungspfad für die Darmkrebsfrüherkennung gemacht. Bei diesem Selektivvertrag wird der Stuhltest nach Hause geschickt und das Ergebnis innerhalb von 48 Stunden von einem kooperierenden Labor verfügbar gemacht. Bei pathologischen Befunden oder Rückfragen seitens der Versicherten stehen Arzt oder Ärztin telemedizinisch zur Verfügung, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

 

Luber wandte sich auch dagegen, die politischen Pläne für eine assistierte Telemedizin kleinzureden. In Frankreich gebe es in ländlichen Regionen Ortschaften, wo ein Telemedizinkiosk in einer Apotheke erfolgreich die Brücke zu (Fach-)Ärzten spannt. Insgesamt 3000 derartige Telemedizinboxen seien dort bereits aufgestellt worden. TeleClinic habe in Deutschland Pilotversuche mit einigen Apotheken gemacht und sei durchaus auf Interesse gestoßen, so Luber: „Assistierte Telemedizin kann in Deutschland ein wichtiger Teil der Versorgung werden.“