Wer genauer wissen will, welche Arten von Apps die Ärzt:innen verordnen, der stellt fest, dass es relativ starke Konzentration auf einige wenige Apps gibt. Am beliebtesten im TK-Kosmos ist die Rücken-, Knie- und Hüftschmerz-App Vivira, auf die allein 21 % aller Verordnungen entfallen. Die danach folgt die Tinnitus-App Kalmeda, die 18 % aller Verordnungen erhält, gefolgt von der Migräne-App m-Sense mit 13 %. Nach Erkrankungsgruppen ist es der Bereich Psyche, auf den rund ein Drittel aller App-Verordnungen entfallen, gefolgt von Rückenschmerzen und Tinnitus.
Erfreulich sei, dass das Klischee vom App-nutzenden, 30-jährigen Großstadt-Nerd nicht zutreffe, so Greiner. Zwei Drittel der Anwenderschaft sind Frauen, das Alter liegt im Mittel bei 45 Jahren, und Städte und Flächenländer unterscheiden sich nur wenig. Das stärkste DiGA-Altersjahrzehnt sind die 50- bis 59-jährigen, auf die 27 % aller Apps entfallen. Kaum Apps, nur 3%, gehen bisher an über 70-jährige Patienten.
Kosten und Preisentwicklung
Intensiv angeschaut haben sich die Wissenschaftler:innen – wenig überraschend bei einer Krankenkasse als Auftraggeberin – das Thema DiGA-Preise. Stand März 2022 kostete eine App auf Rezept im Mittel 456 Euro. Die Tendenz geht nach oben: „Sechs von sieben Apps, die seit Dezember 2021 zugelassen wurden, liegen im Mittel 33 % über dem DiGA-Durchschnittspreis“, so Greiner. Zusammenhängen könnte das mit der ersten Schiedsstellen-Entscheidung für eine DiGA im Bereich Schlafmedizin (Somnio). Hier wurde ein nutzenorientierter Preis festgelegt, der 52 % niedriger als der ursprüngliche Herstellerpreis lag. „Was wir auch sehen ist, dass DiGA ihren Preis im Jahr der vorläufigen Zulassung nochmal erhöhen“, so Greiner. Insgesamt drei Anwendungen hätten diesen Weg genutzt, um ihre Preise im Mittel um 28 % nach oben zu korrigieren.
Die in der Rahmenvereinbarung festgezurrte Höchstpreisbremse, die die Krankenkassen davor schützen soll, dass die DiGA Preise im ersten Jahr mit freier Preisfestlegung durch die Decke gehen, entfaltet bisher nur geringe Wirkung. Im Schnitt konnten dadurch die Preise nur um 6,6 % gesenkt werden, so Greiner. „Im Moment ist das ein Papiertiger, der nicht wirklich funktioniert“, bekräftigte auch Baas. Prinzipiell sei der Mechanismus aber richtig, nur müsse er mehr von Schiedspreisen und weniger von Herstellerpreisen abhängig gemacht werden. Zudem sei problematisch, dass die Höchstpreisbremse erst nach den ersten zweitausend Verordnungen pro DiGA greife.
Insgesamt hat die TK im Zeitraum bis Dezember 2021 rund 6,1 Millionen Euro für DiGA ausgegeben. Dies sei von den Gesamtkosten her noch überschaubar, so Baas, der auch betonte, dass er die großzügige Zulassungspolitik und auch die freie Preisbildung als Anreize für den Einstieg in das DiGA-Zeitalter prinzipiell für richtig halte. Allerdings gehe die DiGA-Anfangsphase jetzt langsam dem Ende zu und es werde Zeit, sich zu überlegen, wie es mittelfristig weitergehe.
Neben der Preisbildung stellt sich hier auch die Frage, ob die Zuständigkeit für die DiGA-Zulassung beim BfArM bleibt oder ob die DiGA doch beim Gemeinsamen Bundesausschuss angesiedelt werden und damit eine reguläre Nutzenbewertung Einzug hält. Baas ist in diesem Punkt eher leidenschaftslos: „Das BfArM erfüllt seinen Auftrag gut.“ Greiner erinnerte daran, dass die Änderung der Medizinprodukteregulierung auf europäischer Ebene dazu führen könne, dass zum Beispiel Depressions-Apps künftig nicht mehr in Medizinprodukteklasse IIa fallen, sondern höher eingruppiert werden. Damit fielen sie Stand im Moment automatisch in den Verantwortungsbereich des G-BA.
Und was sagen die Patient:innen?
Teil des DiGA Report 2022 war auch eine Befragung von 250 DiGA-Nutzer:innen. Diese wurden zum einen gefragt, wie oft sie die App nutzen, zum anderen, ob sie hilft. Immerhin 37 % gaben an, die App jeden Tag zu nutzen, weitere 17% sagten vier- bis sechsmal die Woche und nochmal 30 % ein- bis dreimal pro Woche. Die Mehrheit nutzt die verordnete DiGA also einigermaßen oder sehr regelmäßig. Auch die Therapiezufriedenheit scheint recht hoch zu sein: Zwei Drittel der Nutzer:innen sagen, dass ihnen ihre jeweilige App geholfen oder eher geholfen habe. Das ist eine Größenordnung, in der auch viele Medikamente liegen.