„Wir sehen, dass es den Krankenhäusern nicht gut geht.“ Wenn sich Christian Höftberger, Ex-Vorstandsvorsitzender der Rhön Klinikum AG und heute Präsident der Hessischen Krankenhausgesellschaft (HKG), aktuelle Zahlen aus der deutschen Krankenhauslandschaft ansieht, dann hebt das nicht die Stimmung. 78 % der Häuser hatten laut Krankenhaus-Barometer des Deutschen Krankenhaus-Instituts im Dezember 2023 für das Jahr 2023 einen Jahresfehlbetrag erwartet. Im Jahr zuvor waren es noch 44 % gewesen. In der Frühjahrsumfrage 2024 ist die Zahl derer, die einen Fehlbetrag für 2024 erwarten, nochmal höher, bei 82 %. Wie viele es am Ende wirklich sein werden, wird sich zeigen, aber: „Wenn vier von fünf Krankenhäusern einen Fehlbetrag erwarten, dann ist das ein systemisches Problem“, so Höftberger beim 18. Meeting am Meer des Beratungsunternehmens Digital Avantgarde in Heiligendamm.
Eine durchdachte Datenstrategie als Investition in die Zukunft
Systemisches Problem oder nicht, die Krankenhäuser müssen damit umgehen, und sie müssen sich gleichzeitig auf eine Zukunft vorbereiten, in der die Zahl der Einrichtungen insgesamt geringer sein dürfte, als sie es heute ist. Was kann das einzelne Krankenhaus in einer solchen Situation machen? Es muss effizient sein, aber es muss auch flexibel und transparent sein, um auf Veränderungen rasch reagieren zu können.
Eine zentrale Ressource, die die Schlagkräftigkeit und Wendigkeit einer Einrichtung verbessert, sind digitale Plattformen, die Daten systemübergreifend und standardisiert verfügbar machen. Erst wenn der Datenzugang gewährleistet und eine funktionierende Data Governance etabliert sind, können Algorithmen und KI-Tools zum Einsatz kommen, die bei logistischen, medizinischen oder auch betriebswirtschaftlichen Fragestellungen unterstützen.
Besser codieren dank Datenplattform
Ein Beispiel aus der Welt der Betriebswirtschaft liefern die Kreiskliniken Dillingen-Wertingen. „Wir waren eine der ersten Kliniken in Deutschland, die ein Clinical Data Repository ausgeschrieben haben“, sagte Timur Kaya, Leiter Digitalisierung und IT. „Unser Ziel ist, das CDR als Fundament zu nutzen, um die Daten allen Beteiligten zur Verfügung zu stellen. Letztlich sehen wir es als eine Art Gesundheitsdaten-Backend, auf dem wir schnell und kostengünstig neue Anwendungen entwickeln können.“
Eine derartige Anwendung, die im Rahmen eines Proof-of-Concept realisiert wurde, ist eine fallbegleitende Codierung. Dafür werden die Daten strukturiert im CDR zur Verfügung gestellt und per Text-Mining und Maschinenlernplattform analysiert. Auf dieser Basis werden den Codier-Fachkräften dann ICD-10-Codes vorgeschlagen, die sie verwenden können, aber nicht müssen. Zusätzlich wurde eine strukturierte Erfassung von Entlass- und Aufnahmediagnosen realisiert.
Weniger Nierenschäden dank KI
Die Bilanz des Projekts falle „relativ erfreulich“ aus, so Kaya. Das Projekt zeige, dass ein CDR strukturierte Daten nicht nur für Versorgungszwecke, sondern auch für wirtschaftlich-administrative Anwendungen zur Verfügung stellen könne. Konkret wurden 81 Prozent der ICD-Codes von der Anwendung so vorgeschlagen, wie es die Codier-Fachkraft auch gemacht hätte. „Man kann das nicht blind nutzen, es gibt immer noch ein Delta für die manuelle Codierung. Das CDR ersetzt kein Codier-System, aber es kann eine deutliche Arbeitserleichterung sein“, so Kayas Fazit.
Medizinischer ausgerichtet ist ein Projekt, das die Charité Berlin auf ihrer hauseigenen Health Data Platform umgesetzt hat – ein simpler Algorithmus, der erkennt, wenn Patienten ein akutes Nierenversagen haben oder zu entwickeln drohen. Mit Hilfe dieser Anwendungen würden an der Charité mittlerweile rund 50 Nierenschäden pro Jahr vermieden, sagte Peter Gocke, Leiter Stabstelle Digitale Transformation an der Charité. Für das Controlling seien das eher schlechte Nachrichten, so Gocke, denn mit Dialysen lasse sich Geld verdienen: „Das zeigt vor allem, dass wir auch die Anreizsysteme ändern müssen, wenn wir mehr solcher Anwendungen nutzen wollen.“
KI-gestützte Ressourcenplanung in der Notaufnahme
In Richtung Logistik wiederum geht eine Anwendung zur KI-gestützten Ressourcenplanung in der Notaufnahme, die von Arash Moghaddam vom PrivatÄrztlichen Zentrum Aschaffenburg und Stefan Herbst von der Aixioom Software Solutions vorgestellt wurde. Ziel der Software, die am Universitätsklinikum Würzburg entwickelt wurde, ist eine optimale Prognose der Patientenströme, um Personal und Sachmittelbedarf besser planen zu können – nicht nur auf der Notaufnahme selbst, sondern auch bei elektiven Eingriffen.
Für diese Anwendung werden ebenfalls in großem Umfang Krankenhausdaten verfügbar gemacht und ausgewertet. Dabei bleibt es aber nicht: Zusätzlich fließen viele andere Einflussfaktoren in das Modell ein, darunter Wetter, Ferien und Feiertage, die aktuelle Verkehrssituation, Informationen zur regionalen Konkurrenzsituation und anderes mehr. „Viele sagen, sie machen eine solche Prädiktion doch schon mit klassischer Statistik. Das reichte heute aber nicht mehr aus“, so Herbst, dessen Unternehmen ähnliche Simulationen in vielen anderen Branchen durchführt.