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Medizin |

Weniger Tote durch Herzinsuffizienz-Telemonitoring

Friedrich Köhler zeigt dem Parlamentarischen Staatssekretär Thomas Rachel an einem Arbeitsplatz, wie Patientendaten übertragen und analysiert wurden. Foto: © BMBF / Hans-Joachim Rickel

Die deutsche Großstudie TIM-HF2 hat geliefert: Telemonitoring bei Herzinsuffizienz senkt die Sterblichkeit, doch bei den Krankenhauseinweisungen dürften sich die Kostenträger mehr erhofft haben. Trotzdem: Es ist Zeit für die Regelversorgung.

 

Rund vier Jahre lang hat die randomisierte TIM-HF2-Studie Patienten mit Herzinsuffizienz rekrutiert, zunächst im Großraum Berlin, später deutschlandweit. Insgesamt 1538 Patienten nahmen teil, 773 in der Gruppe mit normaler ambulanter Behandlung und 765 in der Interventionsgruppe, in der zusätzlich ein telemedizinisches Service-Center die einmal täglich übermittelten Datensätze aus Blutdruck, Gewicht, Sauerstoffsättigung, EKG und einer Patientenselbsteinschätzung überwachte. Zugelassen waren Patienten im NYHA-Stadium II/III, die in den 12 Monaten vor Studieneinschluss wegen Herzinsuffizienz zumindest einmal im Krankenhaus gewesen waren. Die Patienten durften außerdem keinen Hinweis auf eine Depression haben, festgemacht an maximal 9 Punkten auf dem PHQ-Screeningfragebogen.

 

Sterblichkeit sinkt um dreißig Prozent

Hintergrund der starken Patientenselektion – ein Drittel bis die Hälfte der Patienten fallen raus – sowie der intensiven telemedizinischen Überwachung waren andere randomisierte Studien, die keinen Nutzen des Telemonitorings bei Herzinsuffizienz gezeigt hatten. In diesen Studien waren oft breite Patientenpopulationen untersucht worden, und die Anbindung an das telemedizinische Servicezentrum war weniger strikt. Die Ergebnisse waren deprimierend: Kein Effekt auf Krankenhauseinweisungen und Sterblichkeit, zumindest teilweise höhere Kosten.

 

Bei der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie in München konnte Studienleiter Prof. Friedrich Köhler, der an der Charité Berlin das telemedizinische Servicezentrum leitet, jetzt für seine deutlich strengere Herangehensweise in der TIM-HF2-Studie den hoch verdienten Erfolg vermelden. Hinsichtlich des ungewöhnlich gewählten primären Endpunkts – Tage verloren wegen kardiovaskulärer Krankenhausaufenthalte oder Tod – gab es in der Interventionsgruppe einen signifikanten Vorteil. Die Patienten verloren 17,8 Tage pro Jahr, gegenüber 24,2 Tagen in der Kontrollgruppe.

 

Da muss man natürlich etwas genauer hinsehen. Das bemerkenswerte an der TIM-HF2-Studie sind nicht so sehr die gewonnenen Tage, sondern die hoch signifikante Verringerung der Gesamtsterblichkeit um 30 Prozent von 11,3 Prozent auf 7,9 Prozent. Das ist ein echter Kracher. Es war dann auch die Gesamtsterblichkeit, die den Unterschied beim primären Endpunkt ausmachte. Das ging in der Kommunikation über die Studie durch den Fördergeldgeber BMBF und die Charité Berlin etwas unter.

 

Bei den kardiovaskulären Krankenhauseinweisungen, der zweiten Komponente des primären Endpunkts, gab es keinen signifikanten Vorteil, was auch erklärt, warum die Signifikanz im primären Endpunkt nur ziemlich knapp erreicht wurde. Man kann es auch so ausdrücken: Die Krankenhauseinweisungen hätten den primären Endpunkt fast ruiniert. Was statistisch signifikant abnahm, waren die ungeplanten (!) Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz. Keine Signifikanz gab es auch bei der kardiovaskulären Mortalität, wobei hier die Kurven eindeutig zugunsten des Telemonitorings auseinander gehen. Die kardiovaskuläre Mortalität hatte also zumindest einen relevanten Anteil an der Senkung der Gesamtmortalität.

 

Krankenkassen: War was? Wir machen weiter Einzelverträge. 

Man muss das deswegen so genau aufschlüsseln, weil es wichtig ist zur Beantwortung der Frage, was TIM-HF2 zeigt und was nicht. Die Studie zeigt, dass selektierte Patienten mit Herzinsuffizienz medizinisch enorm profitieren, bis hin zu verhinderten Todesfällen. Es gibt in der Medizin die Number-Needed-to-Treat, die Aussagen darüber macht, wie viele Patienten behandelt werden müssen, um ein Ereignis zu verhindern. Sie liegt in der TIM-HF2-Studie für Todesfälle bei rund 30: Das heißt, nur 30 Patienten müssen ein Jahr überwacht werden, um einen Todesfall zu verhindern. Es gibt nicht viele Medikamente, die das schaffen.

 

Was die Studie nicht zeigt ist, dass die Patienten insgesamt weniger ins Krankenhaus müssen. Das dürfte auch aus Sicht der unterstützenden Krankenkassen der Schönheitsfehler bei der Sache sein. Eine echte Kostenreduktion – die Daten liegen noch nicht vor – dürfte sich hier nicht errechnen lassen, möglicherweise allerdings schon eine attraktive Kosteneffektivität, das muss man abwarten. Trotzdem: Bessere Daten zum medizinischen Nutzen eines Telemonitorings bei der Herzinsuffizienz wird es nicht geben. Das Verfahren sollte in die Regelversorgung. Dass BARMER-Vorstand Dr. Mani Rafi sich in der BMBF-Pressemeldung damit zitieren lässt, dass jetzt (wieder nur) einzelvertragliche Vereinbarungen getroffen werden sollen, ist ein Armutszeugnis.

 

Text: Philipp Grätzel von Grätz, Chedredakteur E-HEALTH-COM