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Vernetzung |

Zeitenwende: Online-Sprechstunde in Kürze auch für GKV

Es wird spannend an der Telemedizinfront: Der Münchener Anbieter TeleClinic wird ab Sommer auch GKV-Sprechstunden nach dem Quartalspauschalenmodell anbieten. Deutschlandweit.

Quelle: © agenturfotografin

Digitale Plattformen, die Menschen mit Gesundheitsbeschwerden Online-Arztbesuche ermöglichen, gibt es in Deutschland mittlerweile mehrere. Das schwedische Unternehmen Kry drängt mit Macht in den Markt. Auch Zava, vormals DrEd, will ein wichtiger Akteur werden. Beide Unternehmen arbeiten dabei (auch) mit der Online-Apotheke DocMorris zusammen. Aus der Schweiz kommt Medgate, das mit Rhön Klinikum ein Joint Venture gegründet hat. Außerdem kooperiert die Schweizer Plattform OnlineDoctor mit dem Berufsverband Deutscher Dermatologen (BVDD).

 

„Übersubventionierung nicht zielführend“

Viele dieser Angebote laufen bereits, in der Regel als Selbstzahlermodelle bzw. im Kontext der Privaten Krankenversicherung (PKV). Das soll sich ändern. Der erste, der jetzt im Sommer mit einem deutschlandweiten GKV-Angebot in die Offensive geht, ist das Unternehmen TeleClinic aus München. TeleClinic ist einerseits und recht erfolgreich deutschlandweit im PKV-Umfeld aktiv. Zum anderen ist es der Partner der KV Baden Württemberg in deren telemedizinischem Modellprojekt und entsprechend sehr vertraut mit der KV- und GKV-Welt. Hier sieht TeleClinic-Mitgründerin Katharina Jünger auch die besondere Stärke ihres Unternehmens: „Wir haben viel Expertise beim Thema Praxis-IT-Integration und können den Ärzten deswegen sehr attraktive Bedingungen bieten.“

 

Konkret ist geplant, ab Sommer ein Angebot für GKV-Patienten auf Basis der seit Oktober gültigen, neuen EBM-Regularien zu schaffen. Sie besagen, dass der Arzt mit einer Online-Sprechstunde eine um ein Fünftel reduzierte Quartalspauschale auslösen kann. Gleichzeitig darf der Arzt maximal 20 Prozent seines Quartalsumsatzes mit Online-Sprechstunden machen. „Diese Regelungen machen die Umsetzung eines telemedizinischen GKV-Angebots sehr anspruchsvoll. Aber wir halten die Regelungen grundsätzlich auch für nachvollziehbar. Das schwedische Modell, wo  die Online-Sprechstunden zunächst übersubventioniert waren und die Preise dann gedrosselt wurden, ist aus unserer Sicht weniger zielführend“, so Jünger im Gespräch mit E-HEALTH-COM.

 

Patientenidentifizierung und KBV-Zertifizierung

Für die GKV-Welt werden die Münchener ihr Angebot deutlich ausbauen müssen. Damit gibt es bereits eine gewisse Erfahrung: „In den letzten 18 Monaten sind wir pro Monat um 20 Prozent gewachsen“, so Jünger. Trotzdem bewegt sich das Angebot im Moment noch auf überschaubarem Niveau: Rund 50 Ärzte behandeln derzeit regelmäßig in größerem Umfang Patienten über die Online-Plattform und verdienen damit in der Regel um 3000 Euro zusätzlich pro Monat. Etwa 4000 Behandlungen im Monat werden aktuell abgewickelt.

 

Bei einem deutschlandweiten GKV-Angebot werden die Behandlungszahlen steigen, entsprechend sind Ärzte gesucht. Es gibt aber noch andere Herausforderungen. Da  ist die Patientenaufnahme, für die TeleClinic am Anfang das auch in der Offline-Welt existierende Ersatzverfahren nutzen wird, bei dem der Patient oder die Fachkraft am Telefon die Versichertendaten manuell eingibt. Das zweite, was die GKV-Welt von der PKV-Welt unterscheidet, ist die nötige KBV-Zertifizierung der Videosprechstundenplattform ärztlicherseits. „Hier haben wir jetzt die Zertifizierung durchlaufen und erwarten den hoffentlich erfolgreichen Abschluss in den nächsten Wochen“, so Jünger.

 

Offene Schnittstellen für Abrechnungsdaten müssen kommen

Dritter und komplexester Punkt ist die Integration der Online-Sprechstunde in die GKV-Abrechnungswelt. „Wir wollen ganz klar, dass unsere Ärzte sich auf ihre Patienten und die Medizin konzentrieren können. Das Drumherum erledigen wir“, betonte Jünger. Das ist freilich schwieriger, als es klingt. Die Ärzte dokumentieren bei TeleClinic – wie auch bei anderen Anbietern – in einem eigenen Online-PVS-System, das mit der Praxis-IT nichts zu tun hat. Für die GKV-Abrechnung müssen nun die abrechnungsrelevanten Daten aus der Online-Welt mit den Offline-Abrechnungsdaten zusammengebracht werden. Denn die KV, an die der Datensatz geht, braucht beides.

 

Wie das genau umgesetzt wird, möchte Jünger nicht im Detail verraten. Nur so viel: Es gibt Praxis-IT-Anbieter, die es den Online-Sprechstunden-Anbietern mit offenen Schnittstellen einfach machen und andere, die sich mehr abschotten. Die Münchener hoffen in diesem Punkt auf das Patientendatenschutzgesetz (PDSG), in dem die IT-Anbieter so deutlich wie nie zuvor dazu verpflichtet werden, dafür zu sorgen, dass ihre Systeme bestimmte Daten zur Verfügung zu stellen bzw. entgegennehmen. Auch eine Umgehung der Praxis-IT ist prinzipiell denkbar.

 

Und wie geht das mit dem Rezept?

Bleibt das leidige Thema eRezept. Stand heute erstellen die TeleClinic-Ärzte Privatrezepte mit Hilfe einer qualifizierten elektronischen Signatur, die entweder per Heilberufsausweis oder über ein Software-Zertifikat ausgelöst wird. Bei selbstzahlenden GKV-Patienten gibt es einige Krankenkassen, die die Rezepte auf Antrag übernehmen. Mit Privatrezepten dürfte das im Sommer dann auch für die regulär abgerechneten GKV-Online-Sprechstunden erst einmal funktionieren: „Klar ist, dass wir so schnell wie mögliche das eRezept der Telematikinfrastruktur einbinden wollen“, so Jünger. „Wir brauchen das eRezept, und wir brauchen auch die eAU.“ In Baden-Württemberg ist die TeleClinic am dortigen GERDA-Projekt beteiligt, das digitale GKV-Rezepte pilotiert. Ob das GERDA-Modell oder etwas anderes der bundesweite eRezept-Standard wird, entscheidet sich erst im Laufe des Sommers.