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Die Liebe zu Standards in den Zeiten der Pandemie

Wir haben es schon immer gewusst: Die Liebe zu Standards kann Leben retten. Wir „Standardisierer“ haben in Deutschland eine Epoche hinter uns gebracht, die geprägt war von Liebesglut und Seelenqual.

Endlich entstehen durch die Pandemie Erneuerungen in Digital Health. Digitale Anwendungen machen aber nur mit einer definierten Sprache und Grammatik einen Sinn. Die nationale Patientenakte ePA wird seit dem 1.1.2021 von den Krankenversicherern auf Basis der dokumentenbasierten Spezifikation der gematik angeboten. Eine Umsetzung der papierbasierten Akte in eine smarte Patientenakte mittels FHIR mit international verwendeten Terminologien ist in Arbeit und wird uns noch vor dem Ausbrennen der Pandemie beglücken. DIGAs, FHIR-Vorgaben im Krankenhauszukunftsgesetz, medizinische Informationsobjekte der KBV, der Kerndatensatz der Medizininformatik-Initiative, die RKI-Vorgaben für DEMIS und sogar die neuen Initiativen zu genomischen Datenaustauschszenarien setzen auf international anerkannte Standards und Terminologien.


Doch welche Terminologien sollten genutzt werden? Im EU- Projekt ASSESS-CT (Assessing SNOMED CT for Large Scale eHealth Deployments in the EU) haben die besten Terminologen bereits 2016 im Rahmen von Horizon 2020 Empfehlungen erarbeitet. Eine Empfehlung lautet: SNOMED CT ist die beste verfügbare Referenzterminologie für grenzüberschreitende, nationale und regionale E-Health-Anwendungen in Europa. Letztlich hat sich die Politik davon überzeugen lassen. SNOMED ist also endlich da! Das BfArM ist die nationale Agentur für die kostenfreie Herausgabe der Terminologie und wurde durch das Patientendaten-Schutz-Gesetz auch mit ausreichend Ressourcen ausgestattet, um diese Mammutaufgabe zu bewältigen.

 

Zurück zur Pandemie: In einer konzertierten Aktion der Wissenschaft wurde ein übergreifender Konsensusdatensatz zu COVID-19 erarbeitet: GECCO. Dieser kann in Studienprotokollen, aber auch für Apps und andere Softwareanwendungen genutzt werden. Entstanden ist eine intensive Zusammenarbeit der Datenstrukturverantwortlichen unter dem Dach des Health Innovation Hub unter dem Namen COCOS.TEAM. Organisationen wie KBV, gematik, RKI und Universitäten sowie Projekte wie die Medizininformatik-Initiative arbeiten an einer deutschlandweiten, medizinischen Bibliothek für Informationsobjekte. COCOS.TEAM zeigt uns, welchen Nutzen SNOMED und andere Terminologien in Datenstrukturen bringen. Wir haben damit auch gezeigt, dass Interoperabilität von Versorgung und Forschung und von ambulantem und stationärem Bereich möglich ist. FHIR hat sich im Zusammenwirken mit SNOMED, LOINC, IDMP (Identification of Medicinal Products) und den FIC (Family of International Classifications)-Terminologien der WHO weltweit durchgesetzt. Es ist ein großes Glück, dass HL7 Deutschland, die GMDS und die Medizininformatik-Initiative (MII) des BMBF bereits Vorarbeiten geleistet hatten, sodass wir in der Pandemie schnell reagieren konnten.


Interoperabilität mit den genannten Standards ist zudem wichtig für Data Science und Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz. Ohne strukturierte Daten mit einheitlicher Grammatik und Sprache sind Daten nur schwer zu verarbeiten. Dieses gilt insbesondere für die Verarbeitung der Daten in selbstlernenden Algorithmen. Da auf Basis dieser Algorithmen immer mehr medizinische Entscheidungen getroffen werden, ist Präzision der Sprache und der damit einhergehenden medizinischen Konzepte zwingend notwendig.

 

In einer weltweiten Community entwickeln Expert:innen SNOMED seit fast 50 Jahren. Das Wissenssystem folgt den FAIR-Prinzipien – findable, accessible, interoperable, reusable –, das heißt, Daten können mit SNOMED auffindbar, zugänglich, interoperabel und wiederverwendbar werden. Dies unterstützt Analysen und ermöglicht den sicheren Austausch von Daten. Auch 2021 gilt: Interoperabilität ist keine technische Spezifikation, sondern weltweite Zusammenarbeit und Wissensaustausch, nicht nur in der Pandemie.

 

Autorin:

Prof. Dr. med. Sylvia Thun ist Charité Visiting Professor und Direktorin der Core-Unit „eHealth und Interoperabilität”, BIH sowie Professorin für Medizininformatik an der HS Niederrhein.