„Einfach mal ausprobieren“ – das habe ich so oder ähnlich in den letzten Wochen häufiger gehört. Beim BMC-Kongress sagte das ein Referent im Hinblick auf die assistierte Telemedizin. Der Satz fiel auch in einem Interview im Zusammenhang mit digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Und zumindest sinngemäß habe ich ihn noch einige andere Male gelesen. Häufig, und das macht Mut, kommt er von Ärztinnen und Ärzten.
Weite Teile des Gesundheitswesens haben die Diskussionen um Digitalisierung einfach satt. Die ewige Bedenkenträgerei, die sich, wenn man ehrlich ist, in erster Linie aus Besitzstandsdenken im Gesundheitswesen und in zweiter Linie aus einer „Am-deutschen-Gesundheitswesen-soll-die-Digitalisieirung-genesen“-Attitüte in Teilen der IT- und Datenschutz-Szene speiste, ist klar auf dem Rückzug. Das wird auch höchste Zeit.
Bei allem Respekt vor dem noch amtierenden Bundesdatenschutzbeauftragten, aus Sicht des Gesundheitswesens ist die geplante Ablösung richtig. Bei allem Respekt vor den medizinischen Berufsverbänden, aber die Zeiten, in denen Interessenpolitik mit Hilfe von Stellvertreterklagen gegen IT-Unternehmen betrieben wurde, müssen jetzt mal langsam zu Ende gehen. Und bei allem Respekt vor der IT-Industrie, aber Schnittstellen zu verweigern mit der Begründung, man sei zwar verpflichtet, sie umzusetzen, nicht aber, sie auch anzubieten, ist einfach nur armselig.
Zum Glück sehen das alles immer mehr Menschen im Gesundheitswesen so, wahrscheinlich längst die große Mehrheit. Was es noch braucht, ist etwas mehr politischer Mut. Strukturreformen in der Digitalisierungs-Governance müssen jetzt endlich mal abgeschlossen werden. Eigene Gesetze dürfen gern auch mal selbstbewusst erläutert oder kurzfristig präzisiert werden, statt die Interpretation achselzuckend irgendwelchen Gerichten zu überlassen und damit Jahre zu verlieren. Und es muss auch nicht alles vom ersten Tag an für jede und jeden funktionieren.
Autor:
Philipp Grätzel von Grätz
Chefredakteur E-HEALTH-COM