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Routinedatenanalytik

Vorsicht vor Irrwegen!

Die Auswertung von Routinedaten des Gesundheitssystems für epidemiologische Zwecke und Kostenanalysen gilt in deutschsprachigen Ländern als unterentwickelt. Die Politik will diese Art der Forschung deutlich ausbauen. Doch Vorsicht: Routinedaten können auch in die Irre führen.

 

Unter Routinedaten werden die gesetzlich streng reglementierten Abrechnungsdaten von Ärzten und Krankenhäusern verstanden, außerdem die über die Apothekenrechenzentren von Apotheken an die GKV weitergeleiteten Verordnungsdaten. Bei einer Veranstaltung des Berufsverbands Medizinischer Informatiker (BVMI) in Berlin gab der Arzt und Epidemiologe Frank Andersohn einen Einblick in Möglichkeiten und Grenzen der Analytik dieser Datensätze.

 

Andersohn betonte, dass sich Routinedaten insbesondere für Kostenanalysen hervorragend eigneten. So lasse sich beispielsweise anhand von Routinedaten eine Analyse der medizinischen und ökonomischen Folgen einer Demenzdiagnose vornehmen, die die enorme Bedeutung dieser Erkrankung finanziell greifbar macht. In einer gematchten Fall-Kontroll-Studie konnte Andersohn auf diese Weise anhand von insgesamt 150.000 Abrechnungsdatensätzen zeigen, dass eine Demenzdiagnose die Versorgungskosten innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt, während sie bei sonst vergleichbaren GKV-Versicherten ohne Demenzdiagnose nur etwa um ein Viertel zulegen.

 

Routinedatenanalysen können aber auch in die Irre führen. So kommen Untersuchungen zur Verordnungshäufigkeit von Gerinnungshemmern bei Patienten mit tiefen Beinvenenthrombosen regelmäßig zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass für Venenthrombosen unterschiedliche ICD-Codes verwendet werden, die nicht alle trennscharf zwischen tiefen und oberflächlichen Venen unterscheiden.

 

Bis in die Massenmedien schaffte es in diesen Tagen eine Datenbankanalyse der Ersatzkassen zur Verschreibungshäufigkeit von Stimulantien bei Kindern. Danach erhalten Hamburger Kinder rund doppelt so viel Stimulanzien wie Kinder in anderen großen Städten, beispielsweise in Berlin. Auch diese Big Data-Auswertung ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Denn Grundlage waren die verordneten Dosierungen in Arztpraxen.

 

Dabei wurde wahrscheinlich nicht ausreichend berücksichtigt, dass eine relativ große Zahl von Kindern aus dem Hamburg Umland zum ADHS-Experten in die Stadt fahren, ein Effekt der in Berlin aufgrund des dünnbesiedelten Umlands geringer ausgeprägt sein dürfte. Fazit: Die Auswertung elektronischer Versorgungsdaten kann wertvolle Erkenntnisse liefern. Aber nur, wenn sie mit epidemiologischem Sachverstand von statten geht.