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Das digitale Diabetes-Ökosystem

© Syda Productions

Der Diabetes gilt vielen als Volkskrankheit Nummer eins. Auch in Sachen Digitalisierung wird er zum Schrittmacher. Eine Rundreise vom telemedizinisch gestützten Risikomanagement über die automatische Bauchspeicheldrüse bis zu Zertifizierungsbemühungen für Diabetes-Apps und dem Einzug der künstlichen Intelligenz.

 

Diabetologen mögen Zahlen. Als vor einigen Jahren die Zahl der in Deutschland lebenden Diabetiker deutlich nach oben korrigiert wurde, ging das monatelang durch die Presse. Seither gilt, dass etwa acht bis zehn Prozent der Erwachsenen in Deutschland von einem Diabetes betroffen sind. Der weit überwiegende Anteil sind Typ-2-Diabetiker. Allenfalls jeder 20. bis 30. Diabetespatient ist ein Typ-1-Diabetiker.


Mit Blick auf das Krankheitsmanagement ist die Unterscheidung zwischen Typ 1 und Typ 2 sehr relevant. Während beim Typ-1-Diabetiker die defekte Insulinproduktion ersetzt werden muss, es also in allererster Linie um penibles Management des Zuckerstoffwechsels und der Insulintherapie geht, sind Typ-2-Diabetiker eine heterogenere Gruppe. Die Medikation bei ihnen ist vielfältiger, und die Bedeutung von Lebensstilfaktoren ist immens hoch. Hinzu kommt, dass der Typ-2-Diabetes zugänglich für Prävention ist; es ist sogar möglich, die Erkrankung bei einigen Betroffenen durch Lebensstilmaßnahmen ganz zum Stillstand zu bringen.


Das ist derzeit allerdings mehr Wunsch denn Wirklichkeit. Eine aktuell in der Fachzeitschrift Diabetes Care veröffentlichte Analyse von GKV-Versorgungsdaten des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) zeigt, dass in Deutschland jeder fünfte Todesfall mit Diabetes assoziiert ist. Das heißt nicht, dass jeder dieser Todesfälle nur auf den Diabetes zurückgeht; die Zahl ist trotzdem beachtlich hoch: „Das sind fast zehnmal mehr Menschen als bislang angenommen“, sagt der Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Prof. Dr. Dirk Müller-Wieland.

Konzerne wetteifern um Diabetesplattformen
Kein Wunder, dass die digitale Transformation des Gesundheitswesens nicht vor dem Diabetes haltmacht. Im Gegenteil: National wie international ist der Diabetes die Volkserkrankung, die auf dem Weg zum digitalen Ökosystem mit Abstand am weitesten vorangekommen ist. Es ist auch die Volkserkrankung, in deren Digitalisierung das mit Abstand meiste Geld fließt. Die Beispiele dafür sind viel zitiert: Die mySugr-Übernahme durch Roche im Sommer 2017 gilt als eine der größten eHealth-Start-up-Deals („Exits“) in Europa überhaupt. Offizielle Zahlen gibt es nicht, aber kolportiert wird eine hohe zweistellige Millionensumme an Euros. Die wird noch locker übertroffen von jenen 500 Millionen US-Dollar, die das Pharma-unternehmen Sanofi und das Unternehmen Verily, eine Tochter des
Google-Mutterkonzerns Alphabet, im Jahr 2016 in das neu gegründete Unternehmen Onduo steckten. Ziel ist der Aufbau eines integrierten digitalen Ökosystems für Typ-2-Diabetiker.


Was Sanofi recht ist, ist Roche billig: Im Sommer 2017 kündigte der Konzern eine Kooperation mit ­Accenture an, um dessen „Intelligent Patient Platform“ zu einem Diabetes-Ökosystem aufzurüsten. Eli Lilly, wenig überraschend, arbeitet an einem „Connected Diabetes Ecosystem“, das in zwei bis drei Jahren Marktreife erreichen soll. Und, auch nicht wirklich eine Überraschung, Diabetes-Platzhirsch Novo Nordisk kooperiert im Bereich App- und Service-Entwicklung für Diabetiker einerseits mit der kalifornischen Innovationsschmiede Glooko, andererseits gibt es eine Zusammenarbeit mit IBM Watson ­Health mit dem Ziel – was wohl? – eine breit aufgestellte Digital Healthcare Platform zu entwickeln. Zwischen den ganzen „Großen“ suchen diverse innovative Kleinunternehmen und telemedizinische Servicecenter ihren Platz, das dänische Start-up Hedia etwa, das mySugr/­Roche in Deutschland die Stirn bieten will, oder das Deutsche Institut für Telemedizin und Gesundheitsförderung (DITG), das Kooperationen mit Krankenkassen am Köcheln hat und sich – wie andere Telemedizinanbieter – gerne mit möglichst vielen Anbietern vernetzen würde.

Diabetes mellitus? Ich nicht!
Im Bereich Prävention oder, wenn man so will, Diabetes-Frühmanagement sticht in Deutschland im Moment unter anderem das im Rahmen der zweiten Welle des Innovationsfonds geförderte Dimini-Projekt hervor. „Dimini“ steht für „Diabetes mellitus? – Ich nicht!“ und verbindet Ansätze des Population Health Management mit telemedizinisch unterstützten Lebensstilinterventionen. Im Rahmen dieses Projekts, das von der KV Schleswig-Holstein koordiniert wird und an dem seitens der Krankenkassen die AOK Nordwest, die ­BARMER, die DAK und die Techniker beteiligt sind, sollen mithilfe eines flächendeckenden Populations-Scree­n­­ings 5 000 Versicherte mit erhöhtem Risiko für Typ-2-Diabetes identifiziert werden. In einer randomisierten Studie wird bei diesen Versicherten dann die Lebensstilintervention „aha!“ evaluiert, die auf mehr Bewegung und bessere Ernährung abzielt. In diesem Rahmen sollen auch digitale Hilfsmittel zum Einsatz kommen, darunter eine neue, vom DITG für die Deutsche Diabetes Stiftung entwickelte Coaching-App.


Von Apps und Wearables unterstütztes Population Health Management zur Diabetes-Prävention ist aber nur ein kleiner Teil des künftigen digitalen Diabetes-Ökosystems. Ist der Diabetes schon manifest, geht es um ein möglichst umfassendes Diabetesmanagement, bei dem sowohl der Blutzucker innerhalb der nötigen Korridore gehalten wird als auch mögliche Komplikationen der Behandlung, insbesondere Hypoglykämien überwacht und der Lebensstil dabei nicht aus den Augen gelassen wird. Das alles ist datenlastig und, wenn es effektiv sein soll, betreuungsintensiv, weswegen sich Diabetologen und Diabetesassistenten gerade bei dieser Erkrankung so viel von digitaler Sensorik und integrierten IT-Plattformen versprechen. DDG-Präsident Müller-Wieland drückt es so aus: „Diabetes ist eine Datenmanagement-Erkrankung. Diagnostik und Therapie haben immer mit der Erhebung, Analyse und Interpretation von Daten zu tun.“


Letztlich geht es bei der Digitalisierung der Diabetesversorgung also um zweierlei. Zum einen sollen die zahlreichen Datenerhebungsschritte möglichst effizient abgewickelt werden, um ein umfassendes Bild sowohl des Stoffwechsels des Patienten als auch von dessen Ernährung und körperlicher Bewegung zu bekommen – ohne dafür auf schwer lesbare, unvollständige und im Zweifel gerade nicht verfügbare Papiertagebücher angewiesen zu sein. Das ist die „Daten-Komponente“. Das Zweite ist die „Management-Komponente“: Ein Großteil der Patienten mit Typ-2-Diabetes benötigt Unterstützung, um die Therapieziele zu erreichen. „Selbstmanagement alleine reicht bei den meisten Patienten nicht aus“, betont auch DITG-Geschäftsführer Bernd Altpeter: „Projekte, die allein auf Selbstmanagement setzen, erreichen in den ersten Monaten oft gute Erfolge, doch das nimmt rasch wieder ab. Bei den meisten fehlt die intrinsische Motivation zu einer Lebensstilveränderung.“

Managed Care bei Diabetes: Fernziel Remission
Was erreicht werden kann, wenn Datenmanagement und strukturierte Betreuung zusammenkommen, zeigen Studien aus aller Welt, etwa die im vergangenen Jahr in der Zeitschrift Diabetes Care veröffentlichte Diabetes-Coaching-Studie des DITG gemeinsam mit dem Westdeutschen ­Diabetes- und Gesundheitszentrum ­(WDGZ). An dieser randomisierten Studie nahmen 202 Patienten teil, die mit telemedizinischen Blutzuckermessgeräten, Waagen und Schrittzählern ausgestattet wurden. Ein Online-Portal führte die Daten zusammen. Die Hälfte der Patienten wurde gemäß dem vom DITG entwickelten TeLiPro-­Programm intensiv gecoacht. Die andere Hälfte führte ein Selbstmanagement durch. „Die Ergebnisse zeigen, dass wichtige Parameter wie HbA1c, BMI und systolischer Blutdruck, aber auch das Essverhalten und die körperliche Bewegung deutlich verbessert werden“, so Altpeter.

 

Das telemedizinische Betreuungskonzept, das TeLiPro zugrunde liegt, wird von der privaten Krankenversicherung Central sowie der gesetzlichen Krankenversicherung BKK Deutsche Bank schon länger regulär angeboten. Im Rahmen eines Projekts in der neuesten Welle des Innovationsfonds wird die telemedizinische Betreuung ab Mai 2018 auch Versicherten der AOK Rheinland/Hamburg zur Verfügung stehen und in einer einfach verblindeten, randomisierten Studie erneut evaluiert. „In diesem Projekt wird die Betreuung etwas breiter konfiguriert. Unter anderem wird auch der Aspekt Remission betrachtet“, so Altpeter. Dass das ein realistisches Ziel sein kann, zeigt eine aktuelle, in der Zeitschrift Lancet publizierte Studie aus Großbritannien mit sehr intensiver Lebensstilintervention bei stark übergewichtigen Typ-2-Diabetikern. Hier erreichten 46 Prozent der Teilnehmer in der Interventionsgruppe eine klinische Remission ihrer Erkrankung, definiert als ein HbA1c-Wert von unter 6,5 Prozent. In der Kontrollgruppe gelang das nur bei  vier Prozent der Teilnehmer.


Deutlich fiel auch die PDM-Pro-Value-Studie aus, über deren erste ­Ergebnisse Lutz Heinemann von der AG Diabetes & Technologie der DDG im Dezember 2017 beim Kongress der International Diabetes Federation (IDF) in Abu Dhabi berichtete. In dieser randomisiert-kontrollierten Studie mit 900 Patienten bei durchweg auf Insulin eingestelltem Typ-2-Diabetes wurde ein sechsstufiges, strukturiertes, personalisiertes Diabetesmanagement-Konzept  unter Einsatz bedarfsorientierter Patientenschulung, strukturierter Blutzuckerselbstkontrolle und elektronischer Dokumentation und Auswertung mithilfe der Roche-Software Accu-Chek Smart Pix verglichen mit einer Standardversorgung. Ergebnis: Innerhalb von zwölf Monaten fiel der HbA1c-Wert im Vergleich zur Kontrollgruppe um 0,5 Prozentpunkte. Das war signifikant mehr als in der Kontrollgruppe, wo es 0,3 Prozentpunkte waren. Besonders wichtig: Die Zahl der Hypoglykämien unterschied sich nicht. Die bessere Zucker­einstellung wurde also nicht mit einem höheren Risiko erkauft.

Sensorik: Der Trend geht zur 24/7-Überwachung
Die digitale Unterstützung sei für die Umsetzung personalisierter Diabetesmanagement-Ansätze ein wichtiger Faktor, so Heinemann: „Gestützt durch digitale Lösungen werden die Therapieergebnisse von Menschen mit insulinbehandeltem ­Typ-2-­Diabetes verbessert, und wir überwinden die therapeutische Trägheit, eines der größten Hindernisse dafür, den Blutzucker länger im Zielbereich zu halten.“
Neben den digitalen Blutzuckermanagement-Plattformen sind es auch rasante Neuerungen bei der Blutzuckersensorik, die der Digitalisierung der Diabetesversorgung in die Hände spielen. Zwar hat sich die viel zitierte, blutzuckermessende, Smartphone-kompatible Google-Kontaktlinse bisher nicht durchgesetzt. Braucht sie aber auch nicht, denn andere „digital affine“ Blutzuckermessmethoden sind längst erhältlich und werden für digital integrierte Versorgungsszenarien zunehmend berücksichtigt.


Neben die klassische, „blutige“ Blutzuckermessung über einen Piks in die Fingerbeere, bei der der Blutzucker mit Teststreifen und (zunehmend) digital vernetzten Messgeräten vom Patienten jedes Mal neu in Eigeninitiative gemessen wird, treten dabei vermehrt unblutige Messungen, bei denen Sensoren ins Unterhautgewebe implantiert werden. Sie messen dort den Zuckergehalt des Gewebes, der mit einer Zeitverzögerung von einigen Minuten dem des Blutes entspricht.


Diese Sensoren gibt es in unterschiedlichen Varianten. Bei dem sogenannten Flash Glucose Monitoring (FGM) muss der Träger einen Empfänger aktiv an den Sensor halten, um die Messung und Übertragung, zum Beispiel an ein Smartphone, aktiv auszulösen. Bei der kontinuierlichen Glukosemessung in Echtzeit (rtCGM) sendet der Sensor automatisch in regelmäßigen Abständen Messwerte an den Empfänger oder das Smartphone. Dies erlaubt auch die Implementierung von Alert-Systemen bei kritischen Werten.

„Die Mauern stürzen ein“
Mit solchen automatischen oder teilautomatischen Messungen lässt sich einiges anstellen. Viel beschrieben ist die „künstliche Bauchspeicheldrüse“, eine Kombination aus kontinuierlicher Glukosemessung und automatischer, algorithmengesteuerter Adaptation der Insulintherapie über eine implantierte Insulinpumpe. Das galt lange als Science-Fiction, bis die FDA dann im Sommer 2016 für viele überraschend mit dem Medtronic ­MiniMed ein erstes derartiges System zuließ.


Das wurde möglich, weil die Behörde schon sehr früh, im Jahr 2012, ein „Team Künstliches Pankreas“ gebildet hatte, das die Entwicklung des Systems eng begleitete. „Wir kannten die geplanten klinischen Studien schon, bevor überhaupt das Produkt begonnen wurde zu entwickeln“, so Courtney Lias und Stacey Beck von der FDA in einem sehr lesenswerten Eintrag im FDA-Blog „FDA Voice“ vom 5. Dezember 2017. Die beiden prognostizieren weitere technologische Fortschritte in naher Zukunft: „Die Mauern in der Diabetes-Community stürzen gerade ein, und wir sind sehr gespannt auf die Fortschritte, die das für die Patienten bringen wird“, so Lias und Beck.

DDG veröffentlicht „Code of Conduct Digital Health“
Die Geschwindigkeit der Veränderungen verursacht dem einen oder anderen etwas Unbehagen. Tatsächlich wird es nicht nur für Patienten mit Diabetes, sondern auch für Haus- und Fachärzte, die Diabetespatienten versorgen, zunehmend unübersichtlich. Was genau soll dem Patienten empfohlen werden? Was ist die genaue Rolle telemedizinischer Servicecenter? Wohin mit all den Daten, die der Patient digital in die Praxis schaufelt oder gerne schaufeln würde? Und wie ist das überhaupt mit dem Datenschutz und der Datensicherheit der ganzen schönen neuen digitalen Diabetes-Welt?


Die Deutsche Diabetes Gesellschaft sieht sich als mitverantwortlich und hat deswegen kürzlich bei ihrer Herbsttagung einen „Code of Conduct Digital Health“ vorgestellt. Der als „lebendes System“ gedachte Code definiert in der derzeitigen Version mehrere Handlungsfelder, darunter Datenschutz und Informationssicherheit, Datenspende, Forschung und klinische Versorgung. Inhaltlich liegt einer der Schwerpunkte auf Big Data und digitalen Algorithmen. Interessanterweise spricht sich die DDG deutlich für eine Datensouveränität des Patienten aus und  betont damit einen Punkt, der auch in der Anfang Dezember 2017 vorgestellten Stellungnahme des Deutschen Ethikrats zu Big Data und Gesundheit eines der zentralen Themen ist: „Die DDG will die informationelle Selbstbestimmung des Patienten mit Diabetes stärken“, so Müller-Wieland. „Jeder Patient muss selbst entscheiden können, wem er seine Daten zu welchen Zwecken zur Verfügung stellt.“

Zertifizierung wird immer stärker eingefordert
Eine andere Frage ist, wie Patienten im Dschungel der digitalen Angebote geholfen werden kann, den Überblick zu behalten. Unter Federführung der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie (AGDT) der DDG wurde gemeinsam mit dem Zentrum für Telematik und Telemedizin (ZTG) in Bochum ein Qualitätssiegel für Diabetes-Apps entwickelt, das DiaDigital-Siegel. Es verknüpft eine technische Prüfung durch das ZTG mit einer individuellen Nutzertestung. Erfüllt die App die nötigen Qualitätskriterien, kann sie sich mit dem Siegel schmücken. Bisher wurden fünf Apps ausgezeichnet, die Ernährungs-App NutriCheck und der BE-Rechner PRO von Jommi, die Diabetestagebücher Omnitest von B. Braun und SiDiary von Sinovo und die Therapieunterstützungs-App MyTherapy von smart-
patient.


Dass es immer mehr Diskussionen um eine Zertifizierung von Digital-Health-Lösungen in der Diabetologie gibt, wird von vielen in der Szene begrüßt. „Wir unterstützen diese Bemühungen, weil wir fest davon überzeugt sind, dass wir mehr Orientierung brauchen“, betont etwa Bernd Altpeter vom DITG. Das Problem, dass es keinen klar strukturierten Marktzugang für digitalmedizinische Lösungen in der Diabetologie gibt, wird freilich auch ein auf Technik und Usabi­lity fokussierendes Siegel nicht lösen. Hier müssen größere Räder gedreht werden: „Letztlich müssen wir zusammen mit dem G-BA eine Nutzenbewertungssystematik entwickeln, die digitalmedizinischen Lösungen angemessen ist“, betont Altpeter. „Wir haben am eigenen Leib erfahren, dass da teilweise doppelt verblindete Studien gefordert werden. Das macht absolut keinen Sinn. Wir hoffen jetzt, dass wir über den Innovationsfonds weiterkommen. Denn der zielt ja auf Übernahme in die Regelversorgung.“


In die Regelversorgung, dahin will auch die Diabetes-App des dänischen Start-ups Hedia kommen, das seit Herbst 2017 gezielt den deutschen Markt ansteuert. Hedia ist eine Art dänisches mySugr, das in Dänemark von etwa jedem zehnten Typ-1-Diabetiker genutzt wird. „Unsere App geht insofern über andere hinaus, als wir Maschinenlernalgorithmen nutzen, um die individuell nötige Insulindosis vorherzusagen. Der Algorithmus wird dabei anhand der individuellen Nutzerdaten jeden Tag trainiert und dadurch immer genauer“, erläutert Hedia-Gründer Peter Lucas, selbst Typ-1-Diabetiker.


In die Berechnungen der Hedia-Algorithmen fließen zahlreiche Faktoren ein, viele davon automatisch.
Neben Aktivitäts-Tracking werden Ernährungs- und Blutzuckertagebücher sowie beispielsweise auch individueller Stress und bei Frauen die Regelblutung berücksichtigt. Eine Anbindung an die relevanten Blutzuckermessgeräte wird angestrebt. In Planung für Deutschland ist außerdem eine klinische Studie, ohne die es beim Einsatz selbstlernender Algorithmen für die Insulindosisberechnung nicht gehen wird.

 

Text: Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM