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»Der Digital Health Gap ist größer geworden«

Die Corona-Krise hat die Digitalisierung befördert und gleichzeitig den Digital Health Gap verbreitert. Was sind die Gründe, und welche Auswege gibt es? Dr. Alexander Schachinger im Interview mit E-HEALTH-COM.

Dr. Alexander Schachinger ist Gründer und Geschäftsführer von EPatient Analytics. Das Unternehmen führt zweimal jährlich den EPatient Survey durch. Foto: © privat

Wie hat sich die Digital-Health-Nutzung während der zweiten Corona-Welle entwickelt?
Corona hat die medizinischen Versorgungszeiten reduziert. Die bildungsfernen Schichten hat das deutlich stärker betroffen. Städter, Akademiker:innen, Menschen mit höherem Bildungsstand und oft ohne chronische Erkrankung nutzen Angebote wie die Online-Sprechstunde viel häufiger. Der Digital Health Gap ist durch Corona größer geworden, obwohl mehr digitale Tools zum Einsatz kommen. Im Herbst 2020 hatten nur 4,6 Prozent schon eine Online-Sprechstunde genutzt, ein halbes Jahr später waren es 10,7 Prozent. Aber das verteilt sich nicht gleichmäßig.

Warum tut sich Deutschland so schwer?

Ich glaube, es hat mit der fehlenden Public-Health-Kultur in Deutschland zu tun, das zeigt die Corona-Krise ja auch an anderen Stellen. Das Wort Unterschicht ist bis heute ein Begriff, den niemand pragmatisch und unbefangen ausspricht. Epidemiologische Forschung in Deutschland interessiert sich nicht für Bildung. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass es auch bei Digital Health so gut wie keine Versuche gibt, bildungsfernere Schichten gezielt anzusprechen. Bei der Videosprechstunde reden Akademiker:innen mit Akademiker:innen.

Trifft das für alle Arten von Angeboten zu?
Es gibt Unterschiede. Rund 18 Prozent geben an, Wellness-, Lifestyle- und Sport-Apps zu nutzen. Das ist eine Lockdown-Folge, unter anderem weil die Fitnessstudios zu sind. Bei diesen Angeboten sind die Unterschiede zwischen den sozialen Schichten kleiner. Wer Fitnessstudios besucht, kommt auch auf die Idee, solche Tools zu nutzen. Je näher an die medizinische Versorgung es geht, umso größer wird der Gap. Bei Chroniker-Apps etwa ist er auch deutlich, parallel zur Videosprechstunde.

Was müsste passieren, damit es besser wird?
Es bräuchte mehr persönliche, niedrigschwellige Anspracheszenarien für Menschen aus bildungsferneren Schichten, durch wen auch immer. Ein Beispiel aus Deutschland sind Krankenkassen, die gezielt die Screening-App Preventicus über nichtdigitale Wege anbieten. Die Reha-App Caspar Health ist ein anderes Beispiel, da erhält die Zielgruppe direkt am Point-of-Care eine persönliche Einweisung von nichtärztlichem Fachpersonal. Und in der Schweiz gibt es den Antibiotika-Coach, den Apotheken immer dann automatisch verteilen, wenn sie Antibiotika auf Rezept ausgeben. Solche Beispiele gibt es nur leider viel zu wenige, es fehlt in Deutschland das Bewusstsein dafür.