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Digitaler OP für die Chirurgie der Zukunft

Das Universitätsklinikum Dresden stattet seine Operationssäle mit digitalen OP-Lösungen aus. Ziel ist nicht nur eine Optimierung der chirurgischen Workflows. Es soll auch die Grundlage für ambitionierte Forschungsvorhaben an der Schnittstelle zwischen Chirurgie und Digitalisierung geschaffen werden.

Quelle: © Universitätsklinikum Dresden

Mit der Inbetriebnahme seines hochmodernen chirurgischen Zentrums verfügt das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden über eine leistungsfähige Infrastruktur, die den Herausforderungen der Medizin von morgen gerecht wird. Sie vereint 17 Operationssäle, eine chirurgische Notaufnahme sowie Intensiv- und Normalstationen. Neben einer flexiblen, auf höchste Effizienz ausgerichteten Raumstruktur liegt die Stärke des Neubaus in der umfassenden Digitalisierung des auf zwei Ebenen untergebrachten OP-Trakts.


Die Ausstattung trägt nicht nur zum optimalen Workflow im Alltag bei, sondern bildet die Grundlage für ambitionierte Forschungsvorhaben: Mit der im Herbst 2019 erfolgten Gründung des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Digitale Gesundheit sowie dem Aufbau der Außenstelle des Deutschen Krebsforschungszentrums ­wurden in Dresden zwei Institutionen etabliert, die unter anderem maßgebliche Impulse für die Chirurgie der Zukunft liefern werden.


Die dafür notwendigen, komplett digitalisierten OP-Säle zu konzeptionieren, zu bauen, zu konfigurieren und schließlich in Betrieb zu nehmen, stellte alle Beteiligten vor komplexe Herausforderungen. Dabei galt es, die digitalen Operationssäle passgenau auf die Bedürfnisse der Ärzte und des Pflegepersonals abzustimmen und zugleich die Vorgaben vonseiten der IT und des Krankenhausmanagements zu erfüllen. Um hier eine Infrastruktur mit einem nahtlosen Workflow sicherzustellen, baut das Dresdner Uniklinikum bei sechs Sälen auf die IT-Expertise des Unternehmens Brainlab. Die so etablierten digitalen OP-Säle stellen die Integration der Geräte und Softwarelösungen ebenso sicher wie die der Patientendaten.


Zentraler Datenknoten verbindet klinikeigenes KIS und OP-Anwendungen
Die Stärken eines umfassend digitalisierten Operationssaals liegen darin, dass sämtliche für den chirurgischen Eingriff benötigten Informationen in einem System gebündelt und jederzeit innerhalb und außerhalb des OP-Trakts abrufbar sind. Die Bandbreite der erfassten und verarbeiteten Daten beinhaltet Screenshots, Videoaufzeichnungen oder nach dem DICOM-Standard gespeicherte Bilder sowie in Texten und Datensätzen aufbereitete Patienteninformationen.


Im neuen OP-Zentrum des Universitätsklinikums Dresden sind es zwei Anwendungsserver, die hierzu direkt mit dem zentralen PACS-Server kommunizieren und damit auf die benötigten Daten wie zum Beispiel Vorbefunde zugreifen können. Damit gibt es nur noch einen Datenknoten, der das Krankenhausinformationssystem (KIS) – in Dresden ist dies Orbis von Agfa HealthCare – mit dem OP-System verbindet. Integrierte Load-Balancing- und Fail-Over-Lösungen stellen eine optimierte Datenverfügbarkeit sicher, die jederzeit für einen optimalen Workflow sorgt.


Der intelligente Serverlastausgleich, der die Systemleistung trotz hoher Datenmengen stabil hält, liefert einen wichtigen Beitrag für ein effizientes Arbeiten während einer Operation. Im Fall seines neuen OP-Zentrums hat sich das Dresdner Uniklinikum mit dem Medizintechnologie-Unternehmen auf eine Arbeitsteilung verständigt: Das Hosting des Lastausgleichs übernimmt das Uniklinikum, während der Medizintechnik-Experte für die Systempflege verantwortlich ist.


Automatisiert erstellte Worklist sorgt für flexibleren OP-Betrieb und Patientensicherheit
Doch das Umfeld eines digitalen OP muss nicht alle Daten zum sofortigen Abruf vorhalten. Für bestimmte Anwendungen nutzen innovative Softwarelösungen die benötigten Kliniknetzwerk-Ressourcen außerhalb der Stoßzeiten. Ein Beispiel hierfür sind Patientenbilder für den nächsten Tag. Die Origin-Server-Software ermöglicht eine intelligente und automatische Datensynchronisation zwischen verschiedenen Plattformen und sorgt für einen einfachen Zugang zu herstellerspezifischen Applikationen. Als universelle Patientendaten-Kommunikationssoftware erlaubt sie das Importieren von Patientendaten im DICOM-Format auf Brainlab-Systemen ebenso wie auf Plattformen von Drittanbietern. Dabei stellen eine einfache und intuitiv handhabbare Benutzeroberfläche sowie Applikationen einen effizienten Zugang zu Patientendaten sicher.


Durch HL7–Integration zwischen der digitalen OP-Software und dem Dresdner Krankenhausinformationssystem sowie dem PACS können OP-Pläne aus dem KIS verarbeitet und zugehörige Bilddaten aus dem PACS über Nacht vorgeladen werden. Im vorgesehenen OP sind nur die geplanten Patienten anhand einer Worklist mit den vorgeladenen Patientendaten unmittelbar verfügbar. Als zentraler Informationshub dient ein Buzz-System, mit dem sich medizinische Bilder, Softwareinhalte und Videos routen, anzeigen, austauschen, streamen, aufnehmen und optimieren lassen.


Ein weiterer Vorteil der gestrafften Worklist ist, dass sie sich bei einer kurzfristig geänderten Belegung der Säle einfach auf den neuen Ort transferieren lässt. Dadurch entfallen ebenfalls Wartezeiten für das Suchen und Laden relevanter Informationen. Diese automatisierten Abläufe sorgen auch deshalb für eine erhöhte Patientensicherheit, weil das manuelle Eingeben von Daten als potenzielle Fehlerquelle weitestgehend entfällt.


OP-Cockpit als zentraler Informationshub lässt die Stärken des digitalen OP bei jedem Eingriff erlebbar werden
Neben softwareseitigen Aspekten ist auch das Zusammenspiel der Hardware eine wichtige Basis für den effizienten Betrieb eines digitalen OP.  Dazu gehören kompatible Anschlüsse unterschiedlicher Hardware- und Videoquellen an die Plattform. Überall im OP verbaute Anschlussdosen sorgen in den neuen OP-Sälen des Dresdner Uniklinikums auch für eine hohe Flexibilität beim individuellen Einrichten des jeweiligen Saals. Dies war eine wichtige Forderung bei der Konzeption der sechs mit digitaler OP-Technologie ausgestatteten OP-Säle: Denn sie werden für wechselnde Eingriffsformen beziehungsweise von unterschiedlichen Kliniken genutzt.


In diesen digitalisierten Operationssälen lassen sich Endoskope, Mikroskope, Scanner, Raumkameras,
robotische Geräte und Navigationssysteme ungeachtet ihres Herstellers und ihrer Konfiguration problemlos einbinden. Neu angeschlossene Datenquellen erscheinen automatisch auf dem Startbildschirm des OP-Cockpits. Durch die Verschaltung aller Displays im OP lässt sich jede auf dem zentralen Screen der Plattform angezeigte Information an andere Bildschirme übermitteln.


Durch die intuitive Verschaltung aller Videoquellen auf allen im OP befindlichen Displays sind beispielsweise Patientenbilder, Videosignale sowie Inhalte aus unterschiedlicher Software stets verfügbar, auch in 4k-Auflösung. Dies ist in deutschen Kliniken derzeit ebenso wenig Standard wie die installierte VoIP-Technologie.


OP-Teams können selbst bestimmen, welche Informationen auf welchen Bildschirmen des OP angezeigt werden. Dies geschieht unkompliziert per Drag-and-Drop-Funktion. So erhält jedes Teammitglied an seinem Platz einen Überblick über die für seine Aufgaben relevanten Daten. Dies ist verbunden mit einer deutlich verbesserten Ergonomie, von der das ganze OP-Team profitiert. Dank der Vielzahl an Monitoren brauchen sie nicht mehr über mehrere Stunden auf einen, häufig zu dem Gerät ­gehörenden Bildschirm zu schauen, sondern auf ein Display ihrer Wahl. Ein Benefit des digitalen OP, das die Dresdner Teams sehr schätzen.


Die sechs digitalen Operationssäle spielen ihre Stärken nicht nur vor und während der OP aus, sondern auch danach. Denn sie ermöglichen es den Operateuren, das Geschehen im Saal auch in bewegten Bildern zu dokumentieren. Integriert in ein Webportal ist es so möglich, auch außerhalb des OP unkompliziert Zugang zu den Aufnahmen zu bekommen – etwa im Büro des Chirurgen oder zu Schulungszwecken im Hörsaal. Auf diese innovativen Technologien setzt die Hochschulmedizin Dresden unter anderem deshalb, weil sie sich auf die praxisnahe Erforschung der digitalen Medizin fokussiert. Im Vergleich zur Ausstattung bisheriger OP-Säle bedeutet die Digitalisierung einen Quantensprung: Noch vor einem Jahr mussten die Operateure die während eines Eingriffs erfassten Daten und Bildsequenzen an den einzelnen Geräten per USB-Stick oder CD-Rom abspeichern beziehungsweise von dezentralen Fileservern abrufen.


Bei Management von Bau oder Neuausstattung eines digitalen OP empfiehlt sich enge Zusammenarbeit mit Spezialistenteams
Insbesondere kleine Krankenhäuser können das Management für den Bau oder die Neuausstattung von Operationssälen mit einer digitalen Infrastruktur nicht aus eigener Kraft bewältigen. Dazu fehlen ihnen allein deshalb die Erfahrungen, weil sie eine solche Investition nur einmal in 20 bis 40 Jahren tätigen. Dazu werden häufig externe Experten hinzugezogen, die die Kliniken fachkundig beraten und die Umsetzung begleiten können. Sie sorgen für die optimale digitale Inte­gration der in einem OP genutzten Geräte sowie Infrastrukturen und binden dieses Netzwerk in die IT-Systeme des Krankenhauses ein. Neben der Expertise in Detailfragen spielen sie eine erfolgsentscheidende Rolle bei der Koordination aller Personen, die an Konzeption, Planung und Betrieb eines OP beteiligt sind. Diese Abstimmung ist in der Frühphase eines solchen Projekts ebenso wichtig wie in allen folgenden Abschnitten.


Das Universitätsklinikum Dresden, das auch in den kommenden Jahren Neubauten mit umfassenden digitalen Infrastrukturen plant, hat aufgrund der Größe der anstehenden Aufgaben neben dem Bauherrenteam ein eigenes IT-Projektmanagementteam aufgebaut, um die Digitalisierung des Uniklinikums voranzutreiben.


Trotz des eigenen Teams schrieben die Verantwortlichen für den Erweiterungsbau zum Beispiel das OP-Bildmanagement mit allen dazu notwendigen Komponenten als Komplettpaket aus. Damit trägt der Auftragnehmer die Verantwortung dafür, dass die einzelnen Produkte innerhalb der Infrastruktur optimal funktionieren. Krankenhäuser ohne eigene Spezialistenteams haben die Möglichkeit, auf ein externes Planungsteam zurückgreifen, das bereits beim Erarbeiten des Gebäude- und Betriebskonzepts einbezogen wird.


IT frühzeitig einbeziehen
Dem Innenausbau folgt die wichtigste Phase: Ein Expertenteam entwickelt auf die Anforderungen der Klinik zugeschnittene IT-Integrationslösungen und stellt eine reibungslose Installation sicher. Denn die nahtlose Integration von Software- und Systemprodukten in die komplexe Krankenhaus-IT-Umgebung ist im Klinikalltag ausschlaggebend für einen optimalen Workflow.


Basis einer erfolgreichen Gebäudeausrüstung ist die Einbeziehung von Installationstechnikern und Montagespezialisten, die über ein umfassendes Know-how im Bereich Healthcare IT verfügen. Sie sorgen für eine nahtlose Integration der neuen digitalen Technologie, der HL7-Schnittstellen sowie aller Geräte. Zu den Aufgaben einer umfassenden Installation der digitalen Infrastruktur gehört zudem,
Daten immer verfügbar zu haben. Dies lässt sich vonseiten des Dresdner Uniklinikums durch die Optimierung der Netzwerk- und Bandbreitennutzung erreichen.


Wichtig ist, dass interne beziehungsweise externe Teams nach der Inbetriebnahme eine professionelle Wartung gewährleisten. Das Dresdner Uniklinikum hat sich dafür entschieden, bereits zum Start der neuen digitalen OP-Säle einen eigenen First-Level-Support aufzubauen, wozu zwei IT-Spezialisten aufwendig geschult wurden. Sie stehen unter anderem in engem Kontakt mit den Spezialisten von Brainlab, die als Back-up immer dann aktiv werden, wenn sich ein Problem nicht kurzfristig mit den eigenen Mitteln beheben lässt. Insgesamt betreut ein siebenköpfiges, klinik-internes Team den Erweiterungsbau des OP-Zentrums.