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EU-weiter Austausch von Patientendaten

Die Europäische Kommission hat ihre vor einem Jahr angekündigten Empfehlungen für Austauschformate von elektronischen Patientenakten vorgelegt und setzt damit ihre Bemühungen um interoperable E-Health-Infrastrukturen in Europa fort. Anders als mitunter kolportiert, ist die gematik in die fachlichen Aktivitäten auf europäischer Ebene eng eingebunden. Die europäische Harmonisierung ist aber ein evolutionärer Prozess.

Foto: © fotomek - Fotolia

Was 2008 mit dem EU-Pilotprojekt „European Patients Smart Open Services“ (epSOS) anfing, wird nun langsam Realität: Zwischen dem Heimatland und dem Behandlungsort im EU-Ausland werden Patientendaten (in einer „Patientenkurzakte“) und elektronische Verordnungsdaten ausgetauscht. Ziel ist es, eine kontinuierliche gesundheitliche Versorgung zu gewährleisten und mit der Bereitstellung von elektronischen Gesundheitsdaten eine bessere Behandlung zu ermöglichen. Dafür sollten die nationalen E-Health-Infrastrukturen, die damals in Planung oder schon im Aufbau waren, über „National Contact Points“ vernetzt werden, um den behandelnden Leistungserbringern (z. B. Ärzten) darüber den Zugriff auf die im Heimatland gespeicherten Daten des Patienten zu gewähren.
Jetzt hat die EU-Kommission mit ihrer Empfehlung für Austauschformate von elektronischen Patientenakten erneut signalisiert, dass ihr ein grenzüberschreitender Austausch von Patientendaten sehr wichtig ist.


Gemäß der Patientenmobilitätsrichtlinie (2011/24/EU) setzt die EU-Kommission nach wie vor auf die freiwillige Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Bereich E-Health, dringt aber stärker als bisher darauf, dass auch tatsächlich Fortschritte erzielt werden, und bezieht dabei weitere relevante Regelungen hinsichtlich Datenschutz (DSGVO) und elektronischer Identifikation (eIDAS) mit ein.


EU-weiter Austausch von  Patientendaten
Neben dem Bundesministerium für Gesundheit war auch die gematik an allen fachlichen Aktivitäten zur Vernetzung der E-Health-Infrastrukturen in Europa beteiligt. Alle EU-Mitgliedsstaaten bauen die nationalen oder regionalen Infrastrukturen gemäß ihrer jeweiligen Gesetzgebung auf. Sie organisieren die Gesundheitsversorgung und folglich auch den elektronischen Transport von Patientendaten innerhalb ihres Landes völlig autonom. Lediglich die Abrechnung von medizinischen Leistungen, die im EU-Ausland erbracht wurden, ist seit den 1970er-Jahren europäisch geregelt, sofern man sich im Ausland wie ein zu dortigen Bedingungen gesetzlich krankenversicherter Bürger behandeln lässt.


In den EU-Mitgliedsstaaten werden nicht nur verschiedene Sprachen gesprochen, sondern auch die Datenformate, die Berufsbezeichnungen von Leistungserbringern im Gesundheitswesen, die Strukturen der Versorgungseinrichtungen usw. unterscheiden sich. Daher ist eine freiwillige Einigung möglichst vieler Länder auf ein gemeinsames Vorgehen beim grenzüberschreitenden Datenaustausch notwendig, aber auch sehr aufwendig. Dabei spielen neben den politischen Interessen der einzelnen Mitgliedsstaaten auch fachliche, technische und handfeste finanzielle Aspekte eine Rolle, gerade wenn es darum geht, die jeweiligen nationalen Systeme aufgrund von weiteren Anforderungen für den europäischen Datenaustausch anzupassen. Zunächst gilt es, grundlegende Aspekte wie „Informationssicherheit“, „interoperable Datenformate“, „medizinische Anwendungsfälle“, „beteiligte Akteure“, „Haftung“ usw. zu definieren, und zwar nicht nur bilateral zwischen einzelnen Ländern, sondern möglichst gemeinsam mit allen EU-Staaten. Dies wäre ein erster Schritt hin zu einem grenzüberschreitenden, interoperablen und sicheren Datenaustausch zwischen den EU-Ländern. Eine Vielzahl von EU-Projekten hat sich in den letzten Jahren intensiv mit diesen Themen befasst. Deren Erkenntnisse können jetzt genutzt werden, um eine Infrastruktur für den Austausch von
E-Health-Daten auf EU-Ebene zu etablieren: die „eHealth Digital Service Infrastructure“.


Anbindung der Telematikinfrastruktur an andere E-Health-Infrastrukturen
Von deutscher Seite war die gematik an den EU-Aktivitäten zur Etablierung von grenzüberschreitenden E-Health-Prozessen beteiligt, allerdings ohne dabei auf eine konkrete Anbindung der Telematikinfrastruktur an andere E-Health-Infrastrukturen hinzuwirken. Die Spezifikationen der gematik für die relevanten Fachanwendungen der Telematikinfrastruktur waren bisher nicht darauf  ausgerichtet, grenzüberschreitend genutzt zu werden. Dies gilt auch für die Architektur der Telematikinfrastruktur selbst. Die gesetzlichen und technischen Vorgaben für die Speicherung von Daten auf der elektronischen Gesundheitskarte und das kartenbasierte Berechtigungsmanagement, das beim Zugriff auf die Daten einen (deutschen) Heilberufsausweis voraussetzt, sind ebenfalls nicht auf eine europaweite Vernetzung der Infrastrukturen hin ausgelegt.

 

Aktivitäten der gematik auf europäischer Ebene

Neben der Spezifikation der Fachanwendungen, die für die Telematikinfrastruktur benötigt werden, arbeitet die gematik nach wie vor in den relevanten EU-Projekten und -Gremien fachlich mit (u. a. CEF eHealth) [1] und sorgt für einen kontinuierlichen Informationsaustausch zwischen ihren Gesellschaftern, dem Bundesministerium für Gesundheit, weiteren nationalen Organisationen (etwa dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information) und den jeweiligen Organisationen auf EU-Ebene. Das EU-Gremium „eHealth Network“ [2] trifft die wesentlichen Entscheidungen für die europaweite Etablierung von E-Health (gemäß Artikel 14 der  Patientenmobilitätsrichtlinie). Dort hat das Bundesministerium für Gesundheit Sitz und Stimme für Deutschland. Die Entscheidungen des eHealth Network werden vom EU-Förderprojekt „eHealth Action“ fachlich vorbereitet. Dort ist die gematik Mitglied und bringt sich zu Themen wie Informationssicherheit, Datenschutz, rechtlichen Rahmenbedingungen oder Interoperabilität ein und übernimmt teilweise auch Leitungsaufgaben.


Die gematik steht in engem Austausch mit den E-Health-Kompetenzzentren der anderen EU-Mitgliedsstaaten und mit den relevanten Generaldirektionen [3] der EU-Kommission. Sie ist in den maßgeblichen Gremien auf fachlicher Arbeitsebene wie auch in Standardisierungsorganisationen vertreten. Politische Aktivitäten standen bislang nicht im Fokus, da das Bundesministerium für Gesund-
heit für die EU-Politik im Gesundheitswesen verantwortlich ist. Nun drängt das Bundesministerium allerdings darauf, dass die gematik ihre Aktivitäten stärker auf europäische Entwicklungen ausrichtet.


Fazit
Die Telematikinfrastruktur wird sich weiterentwickeln. Die Richtung und das Tempo hängen auch davon ab, welche Schwerpunkte durch Politik und Selbstverwaltung künftig in Bezug auf die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung gesetzt werden. Der dafür erforderliche grenzüberschreitende Datenaustausch und die Anbindung der Telematikinfrastruktur müssen aber zunächst organisatorisch, rechtlich und finanziell solide verankert werden.


Die gematik ist im EU-Umfeld als E-Health-Kompetenzzentrum etabliert. Je wichtiger die Telematikinfrastruktur im deutschen Gesundheitswesen wird, umso stärker kann die gematik auch die europäischen Entwicklungen dauerhaft mitgestalten. Bei der Bereitstellung der elektronischen Patientenakte in Deutschland werden vermutlich nicht nur nationale Anforderungen an die Interoperabilität der Inhalte gestellt werden, sondern auch die Regelungen für den grenzüberschreitenden Datenaustausch müssen abgestimmt und in Einklang mit der Telematikinfrastruktur spezifiziert werden. Zwar nimmt Deutschland bislang keine Spitzenposition im Bereich der Digitalisierung des Gesundheitswesens ein, in Bezug auf die technische Umsetzung der Telematikinfrastruktur muss sich Deutschland im europäischen Vergleich allerdings nicht verstecken.


Die Vernetzung der E-Health-Infrastrukturen in Europa wird gleichwohl noch einige Jahre dauern. Die etablierten wie auch die im Aufbau befindlichen (nationalen) E-Health-Infrastrukturen und auch die eHealth Digital Service Infrastructure werden sich der technologischen Entwicklung anpassen müssen, etwa hinsichtlich der Nutzung moderner technischer Geräte durch die Patienten selbst.


Deutschland ist mit der gematik fachlich gut aufgestellt, um die Herausforderungen und Veränderungen, die der Aufbau eines dauerhaften, sicheren und interoperablen grenzüberschreitenden Austauschs von Patientendaten mit sich bringt, zu meistern.


Referenzen
[1] https://ec.europa.eu/cefdigital/wiki/display/CEFDSIS/eHealth +Discover
[2] https://ec.europa.eu/health/ehealth/policy/network_de
[3] https://ec.europa.eu/info/departments_de