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Forschung |

3D-Technologien: Mehr Durchblick bei Leber-Operationen

Ein Verbund aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesundheitswesen unter Leitung der Universität Bremen entwickelt 3D-Technologien für Chirurginnen und Chirurgen. Besonders die Hilfestellungen bei der Operationsplanung sind bereits weit fortgeschritten. So können zum Beispiel zweidimensionale Schwarzweiß-Ansichten aus CT und MRT zu dreidimensionalen 3D-Ansichten verarbeitet werden.

Operation mit AR-Brille: Chirurginnen und Chirurgen können sich künftig 3D-Modelle über dem realen Operationsfeld anzeigen lassen. Foto: Universitätsklinikum für Viszeralchirurgie/apoQlar/VIVATOP

Operationen an der Leber erfordern höchstmögliche Präzision, weil das Organ aus einer komplexen Gefäßarchitektur besteht und lebenswichtige Aufgaben für den Körper übernimmt. Computergestützte 3D-Technologien können Chirurginnen und Chirurgen helfen, vor einem Eingriff ein besseres räumliches Verständnis zu bekommen, um die Risiken einer Operation zu senken. Ein Verbund unter Leitung des Technologie-Zentrums Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen hat jetzt 3D-Anwendungen entwickelt, die insbesondere die Operationsplanung, die Durchführung des Eingriffs und das Training für angehende Chirurgen und Chirurginnen unterstützen.

 

Virtuelles Modell erleichtert Orientierung beim realen Eingriff

Die Planung der operativen Entfernung von Teilen einer Leber – die sogenannte Leberresektion – mit 3D-Modellen bietet erhebliche Vorteile. In der Diagnostik verwendete CT- und MRT-Aufnahmen bieten nur zweidimensionale Schwarzweiß-Ansichten. Im Rahmen des Projekts VIVATOP („Vielseitiger Immersiver Virtueller und Augmentierter Tangible OP“) werden sie zu farbigen 3D-Visualisierungen weiterverarbeitet. „Dadurch lässt sich die räumliche Darstellung eines Organs in Echtzeit nach Belieben drehen, wenden, manipulieren und zur detaillierten OP-Planung heranziehen – oder auch zur Orientierung während des Eingriffs“, sagt Projektleiter Professor Rainer Malaka vom TZI. „Trotz der großen Datenmenge, die dabei kontinuierlich neu berechnet werden muss, treten keine Verzögerungen auf.“

 

Automatisch erzeugte Schatten erleichtern die Tiefenwahrnehmung innerhalb des Organs und seiner komplexen arteriellen und venösen Gefäßarchitektur sowie ihren anatomischen Varianten. Weitere Funktionen ermöglichen beispielsweise die präzise Messung von Abständen zwischen zwei Punkten und lösen einen Warnhinweis aus, wenn ein geplanter Schnitt wichtige Blutgefäße verletzen würde.

 

VR und AR spielen künftig eine wichtige Rolle

Eine Besonderheit ist dabei auch, dass Anwenderinnen und Anwender diese Funktionen in VR (Virtual Reality) und AR (Augmented Reality/Erweiterte Realität) nutzen können. Mit handelsüblichen VR-Brillen kann ein interdisziplinäres Ärzte-Team den Eingriff detailliert vorbesprechen und dabei das Organ mit Gesten drehen und vermessen.

 

In ersten Versuchen anhand von realen OP-Planungen, bei denen dieses Verfahren ergänzend zu den herkömmlichen Methoden eingesetzt wurde, haben Chirurginnen und Chirurgen bereits den Nutzen in der Praxis bestätigt: „Wir haben ein wesentlich besseres räumliches Verständnis von der zu operierenden Leber erhalten“, berichtet im Anschluss an die Nutzung Professor Dirk Weyhe, der Chefarzt der Viszeralchirurgie am Pius Hospital. Die Verfahren wurden darüber hinaus erfolgreich im interdisziplinären Kontext eines Tumorboards – einer Fallbesprechung mit Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachrichtungen – eingesetzt. Dies ermöglichte eine bessere Einschätzung der chirurgischen Behandlung von Patientinnen und Patienten.

 

Das AR-Verfahren soll vor allem während der Operation zum Einsatz kommen. Chirurginnen und Chirurgen können dann beispielsweise das 3D-Modell auf ihrer Brille über dem realen Operationsfeld anzeigen lassen, um sich räumlich zu orientieren.

 

Realitätsnahe Leber aus dem 3D-Drucker

Die Projektbeteiligten entwickeln parallel neue Lösungen, die es Ärztinnen und Ärzten ermöglichen, neben der visuellen auch eine extrem realitätsnahe, physische 3D-Darstellung des Organs zu erzeugen. Fallspezifische Modelle aus dem 3D-Drucker sollen das räumliche Betrachten, Begreifen und Erkennen des individuellen Befundes unterstützen. Damit erschließt VIVATOP eine völlig neue Dimension des chirurgischen Trainings sowohl in der Ausbildung als auch in der Vorbereitung von patientenspezifischen Operationen. „Wir experimentieren dabei mit verschiedenen Materialien, um eine bestmögliche haptische Erfahrung zu ermöglichen. Die Anwenderinnen und Anwender werden noch punktgenauer auf die Problematik des jeweiligen Falls vorbereitet“, erläutert Rainer Malaka. Eine weitere Option besteht in der Integration von Sensoren in die physischen 3D-Modelle. So erhalten Chirurginnen und Chirurgen beim Training sofort wertvolles Feedback, wenn sie Fehler machen. Das Training wird damit interaktiv erfahrbar.

 

Im Rahmen von VIVATOP werden darüber hinaus weitere 3D-Lösungen entwickelt, die den geplanten Weg einer Patientin oder eines Patienten begleiten – von der Therapieplanung über die Operationsplanung und die Operation bis zum Aufklärungsgespräch der Patientinnen und Patienten. Die Technologien unterstützen auch die Ausbildung von Chirurginnen und Chirurgen sowie die Kooperation über große Entfernungen hinweg.

 

Arbeiten im regionalen Verbund

Das Projekt wird am TZI der Universität Bremen von der Arbeitsgruppe Digitale Medien (Professor Rainer Malaka) koordiniert und von der Arbeitsgruppe Virtual Reality und Computergraphik (Professor Gabriel Zachmann) unterstützt. Diese Teams sind in erster Linie für die VR-Interaktion bzw. die VR-Algorithmen zuständig. Die Universitätsklinik für Viszeralchirurgie am Pius Hospital Oldenburg liefert die medizinische Expertise und stellt die Bilddaten zur Verfügung. Das Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS erstellt daraus virtuelle realistische Organ-Modelle für AR/VR und den 3D-Druck, während die apoQlar GmbH als Spezialistin im Bereich Augmented Reality und die cirp GmbH für den 3D-Druck eingebunden sind. Die SZENARIS GmbH verantwortet den Bereich Training und Ausbildung.

 

Gefördert wird das Projekt VIVATOP vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 2,2 Millionen Euro.

 

Quelle: Universität Bremen