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Health-IT |

9. EPatient Survey 2020: Auch Corona verhilft der Online-Sprechstunde nicht zum Durchbruch.

"Auch Social Distancing hat der Online-Sprechstunde nicht zum erwarteten Durchbruch verholfen.", so Dr. Alexander Schachinger bei der Vorstellung seines aktuellen EPatient Surveys. Die mit 9700 Teilnehmern größte Online-Befragung zum digitalen Patient macht deutlich, dass sich analoge Gewohnheiten auch durch die digitale Disruption nicht einfach überwinden lassen.

Die gute Nachricht: Die Nutzung von Online Sprechstunden hat sich von 0,7 auf zwei Prozent verdreifacht. Die Schlechte: "Wenn aktuell auch durch Corona lediglich zwei Prozent der Befragten Online-Sprechstunden nutzen, ist das ein für mich ernüchterndes Ergebnis." kommentiert der Studienleiter Dr. Schachinger. Die verhaltene Nachfrage zeigt sich auch in den übrigen digitalen Gesundheitsanwendungen im Markt: 2020 ist erstmals bei vielen Anwendungen ein Wachstumsknick zu verzeichnen. Vermutung: Das Segment der Erstnutzer der bekanntesten digitalen Gesundheits-Startups wie beispielsweise Kaia Health, MySugr, MyTherapy, Selfapy und vergleichbare Anbieter erscheint langsam ausgeschöpft.

 

Auf die mangelnde Internetaffinität der Deutschen zu verweisen, ist nach Alexander Schachinger falsch. 90 Prozent der Deutschen sind im Netz. Über 50 Prozent nutzen beispielsweise Online-Banking. Die Deutschen sind also nicht internetmüde, auch wenn Datenschutz für sie wichtig ist und das Netz schlecht ist. Banking ist neben der Gesundheit das Thema, das mit Datensicherheit verbunden wird. Dass es geht, zeigen die Nachbarn. Jeder dritte Däne nutzt seine Gesundheitsakte per Internet im Schnitt einmal pro Monat.

 

“Jens Spahn hat einen guten Aufschlag gemacht. Nun liegt es an der Selbstverwaltung, insbesondere der Ärzteschaft, die Chance zu nutzen,” so Schachinger.

 

Seit zehn Jahren wird mit dem EPatient Survey die Nutzungsbereitschaft digitaler Gesundheitsanwendungen in Deutschland erhoben. Die wichtigsten Studienergebnisse aus diesem Jahr in Kürze: 

 

Zwei Drittel der Befragten würden Videosprechstunden nutzen, um lange Wartezeiten zu vermeiden. Aber nur zwei Prozent tun es. 

Die Nutzung der Online-Videosprechstunde hat sich seit dem vergangenen Jahr  von 0,7 auf 2,0 Prozent verdreifacht. Die Anspruchnahme differiert regional und soziostrukturell stark. Online-Sprechstunden werden in strukturstarken Regionen bis zu fünfmal häufiger genutzt als in strukturschwachen Regionen. Die Nutzer der Videosprechstunde sind überwiegend jünger als 40 Jahre und doppelt so oft Akademiker als andere Bildungsschichten.

 

Die Ursache für die regionale Spreizung liegt auf der Hand: Mangelnder Breitbandausbau. Jeder fünfte Nutzer der Online-Sprechstunde gibt an, dass es Übertragungsschwierigkeiten gab.  Fehlendes Breitband “bis zur Milchkanne” verhindert die Online-Arztsprechstunde, um sogenannte Versorgungslücken zu schließen. Der breitbandstarke Süden profitiert, die eher breitbandarmen neuen Bundesländer nicht. Der Plan der Politik mit dem digitalen Arzt Versorgungslücken zu schließen, platzt aufgrund des seit Jahren stagnierenden Breitbandausbaus.

 

Hoch war dagegen die Zufriedenheit derer, die ihren Arzt online konsultiert haben: Vier von fünf Nutzern würden es gerne wieder tun. Und auch das Potential für Videosprechstunden ist weiter vorhanden. Gefragt, ob Videosprechstunden denn eine Alternative dazu wären, drei Monate auf einen Arzttermin zu warten, sagten 66 Prozent ja, 19 Prozent waren unschlüssig und nur 17 Prozent würden lieber auf einen Arzttermin warten.

 

Das Potential der Early Adopter ist ausgeschöpft. Erstmals stagniert der Gesamtmarkt.

Der Marktrend über die Jahre: Marktübliche digitale Gesundheitsanwendungen wie bspw. Diagnostik-, Medikamenten- oder Coaching-Apps verzeichneten in den letzten fünf Jahren ein kontinuierliches Wachstum. 2020 ist erstmals bei vielen Anwendungen ein Wachstumsknick zu verzeichnen. Vermutung: Der "Early Adopter"- bzw. Erstnutzermarkt der bekanntesten digitalen Gesundheitsmarken und ihrer Apps ist vorerst ohne konsequente Integration in der Versorgung vor Ort ausgeschöpft. Darüber hinaus nutzen die Angebote auch hier primär Akademiker und überdurchschnittlich digital aktive Milieus. Der Trend zur digitalen Zweiklassenmedizin ist absehbar.

 

Digitales Arztversagen? 95 Prozent der Patienten haben von ihrem Arzt noch nie eine digitale Empfehlung erhalten. Aber Versicherte und Patienten warten auf Hinweise der Kassen, Ärzte und Apotheker.

Das DVG ist noch nicht in der Wirklichkeit angekommen: 95 Prozent der Teilnehmer haben noch nie von ihrem Arzt eine digitale Therapieempfehlung erhalten. Gefragt nach dem erwünschten Akteur der Empfehlung steht die Krankenversicherung mit 76 Prozent auf Platz 1, gefolgt vom Arzt mit 59 Prozent und der Apotheke vor Ort mit 23 Prozent.


Wer Therapie-Apps nutzt, ist zufrieden.

Am Beispiel von Medikamenten-Apps, welche nach ihrer Wirkung auf Therapietreue unter den Teilnehmern evaluiert wurden, wurde das Potential wieder deutlich: 84 Prozent gaben an, sie können durch die Medikamenten-App mit ihren Medikamenten “deutlich besser umgehen und sie regelmäßiger einnehmen”.

 

Selbst bleibt der Patient beim Aufspüren digitaler Versorgungslösungen. Aber Krankenkassen, Ärzte und Apotheker können die “digitale Kluft" ausgleichen.

Noch immer beschaffen sich die Allermeisten ihre Informationen online selbst, auch wenn der Anteil der Netzsucher von 70 auf 66 Prozent stetig zurückgegangen ist (2019 zu 2020). Werbung in Massenmedien (14% auf 15%), Empfehlungen von Krankenkassen (16% auf 18%) und insbesondere von Arzt (9% auf 12%) und Apotheke vor Ort (3% auf 4%) nehmen als Verbreitungskanal an Bedeutung zu.  Erste Milieuanalysen von 9700 Datensätzen zeigen, dass über diese nicht-digitalen Kanäle vor Ort bildungsferne Milieus und "analoge" Patienten besser erreicht werden können. Es gilt: Werden Gesundheits-App in der Versorgung vor Ort integriert, können sie die digitale Spaltung überwinden helfen.

 

Quelle: EPatient Analytics