Mitte Juni trifft sich in Berlin die Initiative VISION ZERO zu ihrem jährlichen Berlin Summit. Die Initiative vereint Krebsexpert:innen, Industrie und Patientenseite und verfolgt das Ziel, vermeidbare Krebstodesfälle möglichst auf null zu reduzieren. Teil dieses ehrgeizigen Unterfangens sind Maßnahmen, mit denen der digitale Datenaustausch in der Onkologie angekurbelt werden soll. Denn sowohl die Krebsforschung als auch die Krebsversorgung sind in Zeiten einer immer stärker personalisierten Krebsmedizin darauf angewiesen, möglichst viele Daten aus möglichst unterschiedlichen Quellen möglichst zeitnah auswerten zu können.
Kuratieren bis der Arzt kommt: GOLD-Datensatz macht Fortschritte
Damit das funktioniert, braucht es semantisch standardisierte Datensätze, die untereinander kompatibel sind und aufeinander aufbauen. Um dort hinzugelangen, wird unter dem Dach von VISION ZERO seit einiger Zeit der German OncoLogical Data Standard (GOLD) entwickelt, der in der Krebsmedizin eine ähnliche Funktion erfüllen soll wie der GECCO-Datensatz bei COVID.
GOLD erfindet nicht das Rad neu, sondern führt existierende krebsbezogene Datensätze aus Deutschland und anderen Ländern – darunter ADT/GEKID, nNGM, MII KDS Basis, mCODE und diverse industrieassoziierte Datensätze – so zusammen, dass sie aufeinander aufsetzen. Am Ende soll eine Art Baukastensystem entstehen, aus dem sich Krebsmediziner je nach Bedarf bedienen können – ohne dass ständig Formate ineinander umgewandelt werden müssen.
Erster Schritt dieses Projekts, über das die GOLD-Gruppe in einer aktuellen „E-HEALTH-COM Spezial“ Ausgabe zum VISION ZERO Summit berichtet, war eine Kuratierung der existierenden Datensätze. Insgesamt wurden die mehr als 3700 originalen Datenitem-Definitionen in der Maximaltabelle zu aktuell neun Domänen und 377 vorkuratierten Datenparametergruppen mit im Durchschnitt etwa zehn Datenformatitems manuell zugeordnet. Diese Kuratierung bildet die Grundlage für den weiteren Prozess in Richtung der Erstellung eines gemeinsamen Datenstandards.
Technische Ausarbeitung hat begonnen
Mittlerweile wurde mit der technischen Ausarbeitung begonnen. Erste kuratierte Parametergruppen wurden ausgewählt, um nach vorhandenen FHIR-Spezifikationen aus anderen Projekten zu suchen, darunter ISiK, MII KDS oder auch die onkologischen Basisprofile von HL7 Deutschland. Am Ende sollen die von der GOLD-Arbeitsgruppe erarbeiteten Vorschläge für Standards über das Interop Council bzw. die Koordinierungsstelle Interoperabilität in die Interoperabilitätsprozesse bei der gematik eingebracht werden.
Konsentierte Standards sind aber nur ein Schritt auf dem Weg zu besseren digitalen Rahmenbedingungen für eine (versorgungs)datenbasierte Onkologie. Auch regulatorisch müssen die Weichen im Hinblick auf ein besseres Gleichgewicht zwischen Datenschutz und Datennutzung neu gestellt werden. Die VISION ZERO-Gruppe wartet deswegen gespannt auf die schon länger angekündigten Entwürfe von Digitalgesetz und vor allem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG): „Datenschutz muss endlich Patientenschutz sein. Das Recht auf eine gute Datenauswertung muss denselben Stellenwert bekommen wie das Recht auf Datensicherheit“, betont Prof. Dr. Christof von Kalle, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats von VISION ZERO.
Hohe Erwartungen ans GDNG
Die Erwartungen an das GDNG seitens der Krebsmediziner:innen sind in jedem Fall hoch: „Eine datenquellenübergreifende Pseudonymisierung muss möglich werden. Ich würde sogar sagen, dass es unbedingt über einen Treuhänder möglich sein muss, ein Pseudonym rückzuführen, wenn Patient oder Patientin das möchte. Denn was ist, wenn aus der Forschung mit meinen Daten eine wichtige Diagnose oder eine neue Therapieoption resultiert? Soll mir wirklich jede Chance genommen werden, gerettet zu werden, nur damit mein Datenschützer dann besser schlafen kann?“
Weitere Informationen:
VISION ZERO Berlin Summit am 19./20. Juni 2023:
E-HEALTH-COM Spezial zum VISION ZERO Berlin Summit zum Download:
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