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Bitkom-Umfrage: Digitale Technologien unterstützen Kampf gegen Krankheiten

Maßgeschneiderte Arzneimittel, implantierte Mikrochips oder Operations-Roboter: Digitale Technologien werden die Medizin und die Gesundheitswirtschaft in den nächsten zehn Jahren nachhaltig verändern. Das zeigt eine repräsentative Studie, die der Digitalverband Bitkom anlässlich der hub conference am 10. Dezember in Berlin in Auftrag gegeben hat. Hierfür wurden 102 Experten (Geschäftsführer und Vorstände von Pharmaunternehmen) rund um das Thema eHealth befragt. Dabei zeigt sich: Digitale Technologien können nach Ansicht der Fachleute großen Nutzen für Gesundheit und medizinische Versorgung bringen.

 

Acht von zehn Befragten (80 Prozent) erwarten, dass sie entscheidend dazu beitragen werden, Krankheiten wie Krebs zu besiegen. Sieben von zehn (69 Prozent) sind überzeugt, dass sie helfen, die Lebenserwartung der Menschen zu verlängern. Und ebenso viele denken, dass dank digitaler Technologien Krankheiten besser vorgebeugt und so die Einnahme von Medikamenten reduziert werden kann. „Dank digitaler Technologien werden wir länger und gesünder leben, gleichzeitig werden die Kosten der medizinischen Versorgung reduziert“, sagt Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom. „Heute messen wir per Fitnesstracker unsere Vitalwerte und motivieren uns so zu mehr Bewegung. Oder wir prüfen unsere Herzleistung mit einer App, die uns bei Unregelmäßigkeiten warnt. Die Chancen der Digitalisierung für die Medizin sind noch lange nicht ausgeschöpft.“

 

Großes Potenzial bietet zum Beispiel die Individualisierte Medizin. Darunter versteht man vor allem Therapien, die mithilfe von Big Data-Technologien passgenau auf den Patienten zugeschnitten werden. So können Faktoren wie Erbgut, Lebensstil, Geschlecht und Alter beispielsweise in der Behandlung von Krebserkrankungen berücksichtigt werden, was Nebenwirkungen verringern und Heilungschancen deutlich verbessern kann. 60 Prozent der befragten Experten gehen davon aus, dass die Herstellung individueller Arzneimittel in zehn Jahren verbreitet sein wird. „Heute bekommen Patienten meist Medikamente von der Stange. In Zukunft werden sie mit maßgeschneiderten Arzneimitteln behandelt“, so Rohleder.

 

Eine bedeutende Rolle werden außerdem IT-gestützte Diagnoseverfahren spielen, sogenannte „Decision Support Systeme“. Dabei handelt es sich um Computer, die mit medizinischen Datenbanken verbunden sind und diese in Sekundenschnelle auswerten können. So können sie Ärzten helfen, Krankheitsbilder schneller oder präziser zu erkennen und geeignete Therapien vorschlagen. 76 Prozent der Befragten sagen, dass dieses Szenario in zehn Jahren verbreitet sein wird. „Die medizinische Forschung macht glücklicherweise rasante Fortschritte. Dadurch ist es allerdings für Ärzte selbst in einem kleinen Fachgebiet schwierig, immer auf dem aktuellsten Stand zu bleiben. Hier können Hochleistungsrechner und Big Data Technologien unterstützen“, sagt Rohleder.

 

Zudem werden nach Ansicht der Experten telemedizinische Verfahren in zehn Jahren eine große Rolle spielen. Alle Befragten erwarten, dass der telemedizinische Austausch eines Mediziners mit anderen Spezialisten wichtig sein wird. Dabei kann beispielsweise ein Hausarzt Röntgenaufnahmen per Videotelefonie gemeinsam mit einem Fachkollegen auswerten. Fast ebenso viele (98 Prozent) gehen davon aus, dass telemedizinisch unterstützte Operationen eine große Rolle spielen werden. In komplizierten Fällen kann so zum Beispiel ein führender Spezialist aus dem Ausland hinzugezogen werden. Die telemedizinische Routineüberwachung des Gesundheitszustands eines Menschen (Vitalparameter) wird nach Ansicht von 97 Prozent der Experten bedeutsam sein. Herz- oder Diabetespatienten übermitteln dabei von Zuhause aus Werte wie EKG, Blutdruck, Gewicht oder Blutzucker elektronisch an einen Arzt. Der behandelnde Arzt kann die Werte auch ohne ständige Praxisbesuche oder Krankenhausaufenthalt seiner Patienten lückenlos überprüfen. 70 Prozent der Experten denken außerdem, dass die Online-Sprechstunde zwischen Arzt und Patient wichtig wird. Diese ersetzt den Arztbesuch nicht, sondern ergänzt ihn, etwa bei Routineuntersuchungen. „Gerade für chronisch kranke oder ältere Menschen sowie für Patienten in dünn besiedelten Regionen kann Telemedizin große Vorteile bringen“, so Rohleder. „Der Patient wird gut versorgt, ohne ständig weite Strecken in Praxis oder Klinik zurücklegen zu müssen. Das bedeutet eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität.“

 

Neben den drei größten digitalen Medizintrends – Individualisierte Medizin, IT-gestützte Diagnoseverfahren und Telemedizin – gibt es zahlreiche medizinische Verfahren, die dank digitaler Technologien neu entwickelt bzw. optimiert werden können. So werden Operations-Roboter nach Ansicht von 40 Prozent der Befragten künftig alltäglich eingesetzt. Schon heute werden die digitalen Chirurgen zum Beispiel für urologische Eingriffe genutzt, um unter anderem Einschnitte zu verkleinern und so die Wundheilung zu beschleunigen. Therapie-Systeme aus Medikamenten und digitalen Produkten wie Apps, die bei der Einnahme unterstützen, werden nach Ansicht von 34 Prozent der Experten alltäglich eingesetzt werden. Ebenso viele erwarten, dass die Herstellung von Prothesen und Implantaten aus dem 3D-Drucker alltäglich sein wird. Und 29 Prozent denken, dass implantierte Mikrochips für die Medikamenteneinnahme in zehn Jahren zum medizinischen Alltag gehören.

 

Trotz der großen medizinischen Fortschritte durch die Digitalisierung bleiben Ärzte wichtig, wie die Befragung zeigt. Nur 27 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass digitale Technologien Ärzte in vielen Fällen ablösen. „Mikrochips, Algorithmen oder Roboter können nicht die Erfahrung und Intuition von Ärzten ersetzen. Aber sie können die Mediziner entscheidend unterstützen“, sagte Rohleder.

 

Infolge der Digitalisierung verändern sich auch Geschäftsmodelle in der Gesundheitswirtschaft. Rohleder: „Pharmaunternehmen werden künftig nicht mehr nur reine Medikamenten-Hersteller sein, sondern weitere Produkte und Dienstleistungen anbieten.“ So sagen 97 Prozent der Befragten, dass sogenannte Lifestyle-Produkte wie Nahrungsergänzungsmittel in zehn Jahren einen bedeutenden Umsatzanteil bei Pharmaunternehmen ausmachen werden. Pharmaunternehmen werden zudem selbst Digitalprodukte wie zum Beispiel Apps, die bei der Medikamenteneinnahme unterstützen, anbieten. Das sagen 93 Prozent der Befragten. Außerdem werden sie auch vermehrt Dienstleistungen erbringen, zum Beispiel Gesundheitsdaten zur Entwicklung von neuen medizinischen Behandlungsformen oder für das Therapiemonitoring auswerten, wie 82 Prozent der Befragten bestätigen. Mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) sagt zudem, dass die Auswertung von Social-Media- oder App-Daten zu Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten ein verbreitetes Modell sein wird. Die Auswertung dieser Daten kann helfen, Medikamente zu optimieren.

 

Der Trend zur Digitalisierung hat auch Folgen für die Wettbewerbssituation. So betrachten 69 Prozent der Befragten neu in den Markt eintretende Start-ups, zum Beispiel aus dem Biotech-Bereich, als größte Konkurrenz für disruptive Neuentwicklungen in der Pharmabranche. Internationale Mitbewerber aus der Pharmabranche werden mit 70 Prozent nur knapp als noch bedeutender eingestuft, nationale Mitbewerber aus der Pharmabranche liegen mit 58 Prozent auf dem dritten Platz. Auch Online-Händler (39 Prozent) oder Online-Apotheken (28 Prozent) werden als ernstzunehmende Wettbewerber wahrgenommen. Ein Viertel (25 Prozent) betrachtet zudem große Unternehmen aus der Digitalbranche als Konkurrenz.

 

Ein großes Innovationshemmnis ist aus Sicht der Befragten die starke Regulierung im Gesundheitssektor. 61 Prozent unterschreiben diesen Satz. Zudem mangele es bei den Patienten an Bereitschaft, Geld für Gesundheit auszugeben, wie 56 Prozent finden. Weitere Hemmnisse sind der Mangel an Spezialisten mit IT-Kenntnissen (38 Prozent), der Mangel an Kapital für Forschung und Entwicklung in den Unternehmen (27 Prozent) und zu strenge datenschutzrechtliche Vorschriften (20 Prozent).

 

Trotz dieser möglichen Hemmnisse ist die Branche optimistisch, dass sie in zehn Jahren im internationalen Vergleich beim Thema Digitalisierung gut aufgestellt sein wird. 43 Prozent sehen die deutsche Pharmabranche in der Spitzengruppe, 9 Prozent sogar als weltweit führend. 39 Prozent sagen, dass die Pharmabranche bei digitalen Innovationen in zehn Jahren im Mittelfeld liegen wird. Nur 10 Prozent gehen davon aus, dass sie unterdurchschnittlich bzw. abgeschlagen sein wird.

 

Insgesamt sehen die befragten Pharmaunternehmen die Digitalisierung mit großer Mehrheit (97 Prozent) als Chance. Nur 3 Prozent betrachten sie als Risiko. „Digitale Technologien werden herkömmliche medizinische Verfahren optimieren oder sogar völlig neue, innovative Angebote hervorbringen“, sagte Rohleder. Die Pharmaunternehmen hätten erkannt, welche Chancen für die Menschen und die Unternehmen damit einhergehen. „Wichtig ist, dass wir jetzt die Voraussetzungen schaffen, um die Chancen dieser digitalen Revolution zu nutzen.“ So müssten beispielsweise telemedizinische Anwendungen im geplanten E-Health-Gesetz stärker verankert werden. Nach jetzigem Stand soll Telemedizin auf Rezept vor allem für die telekonsiliarische Befundung von Röntgenaufnahmen eingeführt werden. „Das reicht aber nicht. Es gibt viele weitere sinnvolle Anwendungsfelder, etwa bei chronischer Herzinsuffizienz, Schlaganfall oder Diabetes“, so Rohleder. Diese müsse der Gesetzgeber nun auch zulassen.

 

Weitere aktuelle Befragungsergebnisse zur Digitalisierung in der Medizin und der Pharmabranche präsentiert der Bitkom am 10. Dezember 2015 auf der hub conference in Berlin. Informationen und Anmeldung: www.hub.berlin.

 

Hinweis zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 102 Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder von Unternehmen der Pharmabranche ab 20 Mitarbeitern befragt. Die Umfrage ist repräsentativ.