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Brauchen wir die Datenspende?

Prof. Dr. Christiane Woopen leitet die Forschungsstelle Ethik (FSE) ceres – Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health an der Universität Köln. Sie ist Vorsitzende des Europäischen Ethikrats. Foto: Universität Köln

 

Die Ethikerin Christiane Woopen plädiert im E-HEALTH-COM-Interview für Selbstbestimmung bei Gesundheitsdaten und fragt, ob es eine Pflicht zur Datenspende geben könnte.

 

Brauchen wir im Zeitalter von Big Data eine neue „Datenethik“ im Gesundheitswesen? Was könnten die Eckpfeiler einer solchen Ethik sein? Die Medizinethikern und Vorsitzende des Europäischen Ethikrats, Professor Christiane Woopen von der Forschungsstelle Ethik am Universitätsklinikum Köln, nimmt Stellung.

 

Welche Forderungen stellt eine Ethikerin an das Gesundheitswesen in Zeiten von Big Data?
Wir sollten ein lernendes Gesundheitssystem anstreben, bei dem alle erhobenen Daten ausgewertet und wieder in den Versorgungsprozess zurückgespielt werden. So ließen sich Versorgungsdefizite
identifizieren und abstellen, neue Erkenntnisse könnten schneller generiert werden und allen zugutekommen. Dafür benötigen wir eine Datenintegration, die nicht nur den viel diskutierten translationalen Prozess von der Grundlagenforschung in die Versorgung unterstützt, sondern auch einen zirkulären Prozess aus der Versorgung in die Versorgung zurück. Eine konsequente Datenintegration wäre also eine ethisch begründete Forderung, die im Big-Data-Zeitalter gestellt werden könnte.


Welche anderen ethischen Dimensionen hat die digitale Medizin?
Der zweite wichtige Faktor ist die Selbstbestimmung des Patienten. Die Möglichkeit, die eigenen Daten einzusehen und deren Verwendung mitzusteuern, ist unverzichtbar. Man kann sich im Jahr 2017 schon fragen, warum Patienten auf ihre Gesundheitsdaten aus der medizinischen Versorgung immer noch
nicht per Smartphone zugreifen können. Und wenn die Antwort lautet, dass die derzeitige Karte den Schwenk zur Mobilität nicht mitgemacht hat und dass ein Patient deswegen nur dann auf seine Daten zugreifen kann, wenn gleichzeitig ein Arzt seine eigene Karte ans Lesegerät hält, dann halte ich das
für nicht vertretbar. Klar ist allerdings auch, dass Selbstbestimmung eine hohe digitale Kompetenz erfordert. Das wäre eine Forderung an die Schulen und die Ausbildung zu Gesundheitsberufen.


Gibt es eine Art Pflicht, seine Daten zur Verfügung zu stellen, wenn das die Versorgung verbessert?
Ich würde schon so weit gehen, zu sagen, dass es eine Art solidarische Pflicht gibt, anonymisierte Datensätze für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung zur Verfügung zu stellen, von der man ja immerhin selbst profitiert. Selbstbestimmung und Datenschutz sind aber natürlich zu berücksichtigen. Nur scheinen mir beim Datenschutz die Akzente noch nicht ganz richtig gesetzt.


Was wären die richtigen Akzente? Entsteht hier nicht ein Problem dadurch, dass es dank Big Data gar keine echte Anonymität mehr geben kann?
Eine dauerhafte Anonymisierung ist wohl kaum zu garantieren, aber man kann eine nicht autorisierte Deanonymisierung sehr schwer machen. Statt der Datensparsamkeit muss zudem die Datenverwertung thematisiert werden. Die missbräuchliche Verwendung von Daten muss so hart bestraft werden, dass sie unattraktiv wird. Außerdem kann man Verwendungsverbote einführen. Das Gendiagnostikgesetz etwa verbietet es Versicherern, sogar freiwillig offenbarte genetische Informationen zu nutzen. So etwas könnte man auch einführen, um zum Beispiel Krankenversicherungstarife zu vermeiden, die auf einer kontinuierlichen Übertragung von Lebensstildaten beruhen.

 

Interview: Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM