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Corona-Krise: Dank IoT zu Kongressen und in den Skiurlaub?

Wie können Unternehmen dazu beitragen, SarsCoV2-Ausbrüche zu verhindern oder früh zu erkennen? Ein bayerischer Telemedizinanbieter springt in eine Lücke, die staatliche Tracing-Lösungen offenlassen.

Quelle: © kebox – stock.adobe.com

Die Corona-Warn-App gilt als Erfolg der deutschen Gesundheitspolitik, aber sie ist nur ein Baustein im Kampf gegen das Virus SarsCoV2. Vor allem lässt sie Lücken, weil sie zwar von vielen, aber längst nicht von jedem genutzt wird. Auch eignet sie sich nicht besonders gut dafür, lückenlose Alarm- und Tracing-Szenarien in umschriebenen Kontexten zu realisieren. Die Fertigungshallen eines Automobilherstellers wären ein solcher Kontext, Lagerhallen aller Art im Groß- oder Einzelhandel, die Lebensmittelverarbeitung, Veranstaltungen und Kongresse oder – ein Skiort, der in der kommenden Skisaison nicht zu einem neuen Ischgl werden möchte.

 

Auf solche im weitesten Sinne „betrieblichen“ Szenarien zielen Anbieter wie die HMO Health Management Online AG aus Oberhaching. Das Unternehmen hat bisher vor allem durch telemedizinische Zweitmeinungs-Services von sich reden gemacht hat. Dank der Corona-Krise ist jetzt mit digitalen Warn- und Tracing-Lösungen ein neues Standbein hinzugekommen, das im Internet of Things (IoT)-Kontext angesiedelt ist.

 

Drei Komponenten für Warnung, Tracing und Mitarbeiterkommunikation

Mit seiner Lösung hat HMO mittlerweile drei Großkunden, nämlich Media-Markt, außerdem einen Automobilhersteller mit Fertigung in Deutschland und Mexiko sowie ein pharmazeutisches Unternehmen. „Wir haben auch viele Anfragen aus der Kongress- und Veranstaltungsbranche, von Weihnachtsmarktbetreibern und auch von Skiorten, die ihrer Verantwortung gerecht werden wollen. Da ist viel Bewegung drin gerade“, sagte HMO-Vorstand Roy von der Locht im Gespräch mit E-HEALTH-COM.

 

Die betriebliche Corona-Lösung der HMO AG besteht aus drei Komponenten, die einzeln oder kombiniert genutzt werden können. Ein Bluetooth-Token dient der Registrierung von Kontakten und alarmiert, wenn die Abstandsregeln gebrochen werden. Dieser Alarm erfolgt akustisch, per Vibration oder per LED, und der Träger des Tokens kann dann – wenn es die Situation erlaubt – handeln und einen ausreichenden Abstand herstellen. „Das ist relativ simpel, aber hoch effektiv, weil die Abstandsregeln im Alltag unbewusst eben doch oft nicht eingehalten werden“, so von der Locht.

 

Die zweite Stufe ist eine auf den Tokens aufsetzende Tracing-Anwendung, „BudyGuard®“ genannt. Sie kann – je nach Kontext und Land – als persönliche Smartphone-App oder auch als Web-Applikation genutzt werden und dient – ähnlich wie bei der Corona Warn App – der Nachverfolgung von Kontakten im Falle einer gemeldeten Infektion. Die dritte Stufe schließlich ist eine weitere Web-Applikation, „Epi App“. Sie unterstützt Unternehmen bei der pandemiebezogenen Kommunikation mit ihren Mitarbeitern und auch bei der Evaluation individueller Gesundheitsrisiken.

 

Auf dem Weg zum „neuen Normal“

Gegenüber dem Einsatz von Smartphone-Apps sieht von der Locht bei den Tokens einige Vorteile. Zum einen sei die Entfernungsmessung zuverlässiger: „Die Mobiltelefonlösungen messen die Entfernung durch Algorithmen. Das ist deswegen schwierig, weil bei jedem Hersteller die Bluetooth-Signalstärker anders ist.“ Die Tokens generieren dagegen konsequent dann eine Warnung, wenn ein Bluetooth-Signal messbar ist. Der zweite Vorteil der Tokens ist, dass sie auch dort funktionieren, wo die Menschen nicht alle ein Mobiltelefon besitzen. „Das ist zum Beispiel in Mexiko der Fall, wo wir derzeit vier Fabriken ausstatten“, so von der Locht. Es gibt zudem einige berufliche Kontexte, bei denen Mitarbeiter ihr Smartphone gar nicht erst mit an den Arbeitsplatz nehmen dürfen, zum Beispiel in Branchen, in denen Geheimnisverrat ein Thema ist. Auch hier sind Tokens klar im Vorteil.

 

Die Warn- und Tracing-Tools richten sich primär an Arbeitgeber, die Corona-Ausbrüche vermeiden oder begrenzen wollen. Wie nötig das ist, hat der Ausbruch in einem Gemüsehof und einer Konservenfabrik in Dingolfing-Landau in Bayern gerade erst wieder gezeigt, von Tönnies in Nordrhein-Westfalen gar nicht zu reden. Prinzipiell seien alle Arten von Arbeitsplätzen für eine derartige Infrastruktur geeignet, so von der Locht. Die Tokens seien sehr unkompliziert auszurollen. Bei der Tracing-Anwendung sollte gewährleistet sein, dass regelmäßig getestet wird und dass positiv getestete Menschen das dann auch melden. Ähnlich wie bei den staatlichen Apps lässt sich die Meldung und Warnung anonym gestalten. Das Warnsystem kann aber auch, wie etwa bei den HMO-Installationen in Mexiko, über den Arbeitgeber organisiert werden.

 

In die Zukunft geblickt gehen die möglichen Einsatzszenarien für dezidierte Warn- und Tracing-Infrastrukturen über Arbeitsplätze im engeren Sinne hinaus: „Konzerte, Messen, überhaupt die ganze Veranstaltungsbranche, könnten mit solchen Lösungen mehr Sicherheit erreichen“ ist von der Locht überzeugt. Auch aus Skigebieten gebe es Interesse an digitalen Tracing-Systemen, die zum Beispiel über die Unterkünfte ausgerollt werden könnten. „Jedes dieser Szenarien erfordert eine gewisse freiwillige Mitarbeit. Ohne geht es nicht, aber wir denken, dass die Bereitschaft dazu sehr groß ist, wenn dafür etwas Normalität zurückkommt.“