Rund ein Jahr nach Übernahme eines KBV-Vorstandspostens hat die im Vorstand der KBV unter anderem für Digitalisierung zuständige Dr. Sibylle Steiner eine neue Stabsstelle Digitalisierung ins Leben gerufen und sie mit Dr. Philipp Stachwitz besetzt, der in den letzten Jahren in vielen Funktionen IT-politisch aktiv war und gleichzeitig als Arzt in der ambulanten medizinischen Versorgung arbeitet.
Prozesse vereinfachen statt mit TI-Ausfällen kämpfen
E-HEALTH-COM hat mit Sibylle Steiner und Philipp Stachwitz ausführlich gesprochen. Beide wollen wegkommen von den ständigen Diskussionen über Funktionsstörungen der digitalen Infrastruktur hin zu einer konstruktiven Diskussion über IT als Hilfsmittel für die Versorgung: „Die Frage“, so Steiner, „sollte eigentlich nicht sein: Läuft die Patientenversorgung trotz Digitalisierung? Sondern: Wie unterstützt Digitalisierung die Versorgungsprozesse?“
Im Fokus der Digitalisierung dürften in der ambulanten Versorgung nicht einzelne Formulare wie eAU oder eRezept stehen, sondern Versorgungsprozesse und deren Vereinfachung: „Ich spreche gerade mit den Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten über die Digitalisierung des Antrags- und Gutachterverfahrens, das wäre so ein Beispiel. Wir müssen an einen Punkt kommen, an dem die Kolleginnen und Kollegen einen Mehrwert spüren.“
Neue Stabsstelle: „Keine One-Man-Show“
Die neue Stabsstelle Digitalisierung setze genau an diesem Punkt an, so Steiner. Es brauche Personen, die einerseits Digitalisierung kennen und verstehen, die andererseits aber in der medizinischen Versorgung verankert sind und dadurch die Anwendersicht einbringen können – gegenüber der gematik, gegenüber den Praxis-IT-Herstellern aber durchaus auch innerhalb des komplexen KBV/KV-Apparats. Wie groß der neue Stab werden soll, darauf wollte sich Steiner noch nicht festlegen: „Wir fangen gerade erst an, aber Ziel ist schon, dass das ein Team wird und keine One-Man-Show.“
Philipp Stachwitz selbst sieht wenig überraschend die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) als ein wichtiges Thema der nächsten Monate: „Da gibt es viel Raum für die Nutzerperspektive – und das heißt konkret für die Umsetzung im Praxisverwaltungssystem.“ Ein anderes, wichtiges Thema der ersten Monate im neuen Job sei die Abstimmung mit den diversen KVen innerhalb des KV-Systems. Auch hier ziehen bekanntlich nicht immer alle am selben Strang, was der Digitalisierung der ambulanten Versorgung in der Vergangenheit nicht immer gutgetan hat.
KBV legt den Finger in die Usability-Wunde
Stichwort Praxisverwaltungssysteme: Auf die sind viele im KV-System derzeit nicht besonders gut zu sprechen. Eine aktuelle, bundesweite Umfrage des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat hier gerade wieder Datenmaterial geliefert, auf dem sich die Branche nicht ausruhen kann. In Bewegung könnte der Markt nicht zuletzt durch die neuen Rahmenverträge kommen, die die KBV jetzt mit Praxis-IT-Herstellern auf freiwilliger Basis abschließen kann. Wie viele Hersteller solche Verträge abschließen werden oder können, das ist eine der spannenden Fragen der nächsten Monate.
Die Zufriedenheit mit den digitalen Anwendungen in der ärztlichen Versorgung hat viele Facetten. In den letzten Monaten war es vor allem die fehlende Stabilität der Telematikinfrastruktur, die ein nahezu dauerhaftes Ärgernis war, das zu viel Frust führte, den Praxis-IT-Hersteller nicht immer zurecht abbekamen. Es gehe aber nicht nur um mehr die Stabilität der TI, so Stachwitz: „Usability ist ein Riesenthema. Was man ganz klar sagen muss: Bei Usability geht es nicht um Geschmacksfragen, auch wenn dieser Eindruck manchmal erweckt wird. Es geht um fundamentale, funktionale Anforderungen, und dafür gibt es schon objektivierbare Kriterien. Ein bisschen mehr Verbindlichkeit wäre uns in diesem Bereich ganz recht.“
Weitere Informationen:
Das vollständige Interview mit Dr. Sibylle Steiner und Dr. Philipp Stachwitz lesen Sie im Juni in der
E-HEALTH-COM 4/2024 und dann auch an dieser Stelle online.