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Medizin |

DiGA: Habemus Rahmen!

Anderthalb Jahre wurde verhandelt, jetzt steht sie, die Rahmenvereinbarung für die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Auch der DiGA-Leitfaden erhielt ein Update.

Bild: © Production Perig – stock.adobe.com

Dass es nicht ganz einfach würde, wenn sich GKV-Spitzenverband und Herstellerverbände digitaler Gesundheitsanwendungen an einen Tisch setzen, um sich über einen Rahmen für die Preisgestaltung bei den DiGA im ersten Jahr nach Aufnahme auf die BfArM-Liste zu einigen, das wurde relativ schnell klar. Dass es so lange dauern würde, hätten viele dann wohl doch nicht erwartet. Und zumindest aus dem Gesundheitsministerium kamen zwischenzeitlich immer wieder spitze Bemerkungen dahingehend, dass der Gesetzgeber geliefert habe, noch nicht aber die Verbände.

 

Damit ist jetzt Schluss. Am heutigen Mittwoch (15.12.2021) wird die verhandelte DiGA Rahmenvereinbarung der Öffentlichkeit vorgestellt. Darin enthalten sind insbesondere die lange kontroversen und am Ende erst in einem zusätzlichen, sich ebenfalls hinziehenden Schiedsverfahren festgezurrten Regelungen zu Höchstbeträgen und Schwellenwerten.

 

Gruppenbildung orientiert sich am ICD-10

Was die Höchstbeträge angeht, war eine entscheidende Frage die der Gruppenbildung. Aus dem britischen NHS gibt es ein Modell, das mit vier Gruppen arbeitet. Es unterscheidet Anwendungen, die nur informieren, solche die nur überwachen, solche die einfache Interventionen und solche die risikobehaftete Interventionen beinhalten. Eine Gruppenbildung auf Basis dieses Modell wurde nach einigen Diskussionen letztlich als zu unterkomplex verworfen: „Es vergleicht Äpfel mit Birnen“, heißt es aus Verhandlungskreisen.

 

Die deutsche Gruppierung wird sich jetzt relativ trivial an den ICD-10-Kapiteln orientieren, sie ist also im weitesten Sinne indikationsbezogen. Insgesamt 17 ICD-Gruppen gibt, in die die jeweiligen Hersteller ihre DiGA einsortieren können, darunter Augenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krankheiten des Nervensystems, onkologische Erkrankungen und Schwangerschaft. Innerhalb jeder der 17 ICD-Gruppen gibt es dann noch die dem Digitale Versorgung Gesetz (DVG) entlehnte und im BfArM-Leitfaden sich spiegelnde Unterscheidung zwischen Anwendungen, die einen medizinischen Nutzen für sich beanspruchen und solchen, die zu patientenrelevanten Struktur- und Verfahrensverbesserungen führen.

 

In Summe sind das demnach maximal 34 Gruppen, für die dann jeweils einheitliche Höchstbeträge definiert werden. Zwei Ausnahmen gibt es von den Höchstbeträgen, nämlich die Seltenen Erkrankungen, bei denen Gruppenbildung schwierig ist, außerdem Anwendungen, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten. Es gibt außerdem eine Öffnungsklausel, die es erlaubt, wenn nötig weitere Ausnahme-Anwendungen zu definieren. Am Ende des ersten Jahrs folgt dann in jedem Fall bei ohnehin dauerhaft gelisteten DiGA oder bei definitiver Aufnahme vorläufig gelisteter DiGA die Verhandlung des Vergütungsbetrags. Dieser Preis gilt ab Monat 13, gegebenenfalls auch rückwirkend.

 

Berechnung des Höchstbetrags auf Basis der tatsächlichen Preise

Der Teufel liegt bei solchen Regelungen natürlich im Detail. Die Höchstbeträge werden berechnet auf Basis der tatsächlichen (Tages-)Preise der DiGA der jeweiligen Gruppe. Der Tagespreis errechnet sich aus dem tatsächlichen Preis geteilt durch die Anwendungsdauer in Kalendertagen. Jede DiGA bleibt für 36 Monate in diesem Preis-Pool, um für eine gewisse Kontinuität zu sorgen, also auch dann, wenn für die DiGA nach einem Jahr bereits ein Vergütungsbetrag verhandelt wurde.

 

Der Berechnung des Höchstbetrags zugrundegelegt wird ein statistisches Verfahren, das ab zwei DiGA pro Gruppe greift. Das ist einerseits wenig, andererseits zollt es der Realität Tribut: Bei etwas über 20 BfArM-gelisteten DiGA werden anfangs viele Gruppen leer bleiben oder maximal eine DiGA enthalten. In einer solchen Situation gibt es noch keinen Höchstbetrag in der jeweiligen Gruppe, wenn die eine gelistete DiGA endgültig ins Verzeichnis aufgenommen ist. Ist die eine gelistete DiGA vorläufig gelistet, dann wird sie einer temporären Auffanggruppe zugeteilt, für die dann wieder eigene Regeln gelten.

 

Der gruppenspezifische Höchstbetrag ist in jedem Fall der Betrag, den ein Unternehmen im ersten Jahr der Krankenkasse maximal in Rechnung stellen kann – und zwar bei einer dauerhaft gelisteten DiGA. Vorläufig gelistete DiGA werden etwas schlechter gestellt, hier können maximal 80 % des Höchstbetrags in Rechnung gestellt werden. Hersteller, die mehr wollen, müssten über Zuzahlungen der Versicherten gehen. Das dürfte am Anfang kaum jemand machen, zumal noch völlig unklar ist, wie so etwas organisatorisch abgewickelt werden könnte.

 

Der 20 % Abschlag bei den vorläufig gelisteten DiGA macht den Fast-Track für die Hersteller etwas unattraktiver. Viele in der Branche gehen aber ohnehin davon aus, dass der Trend bei den DiGA-Zulassungen auf Dauer in Richtung dauerhafte Listung geht, sprich „Studien vorab“ und nicht „Studien im Feld“. Das liegt auch ein wenig an den Erfahrungen der letzten 12 Monate: Die BfArM-Anforderungen an die Evidenzgenerierung bei vorläufiger Listung werden von vielen Unternehmen als ziemlich unberechenbar bewertet, das Risiko einer vorläufigen Listung ist also recht hoch. Ob sich das durch den Anfang Dezember endlich aktualisierten BfArM-Leitfaden ändert, bleibt abzuwarten.

 

Die ersten 2000 Verordnungen pro DiGA sind höchstbetragsfrei

Was es für die Höchstbeträge unabhängig von vorläufiger oder endgültiger Listung gibt, ist eine Art Freigrenze, nämlich 2000 Verordnungen pro DiGA: Höchstbeträge gelten grundsätzlich erst ab der Verordnung Nummer 2001, eine herstellerfreundliche Regelung also. Dafür gibt es am oberen Ende der Skala ein Bonbon für die Kostenträger: Wird eine DiGA im ersten Jahr mehr als 10.000 Mal verordnet, dann wird ab der Verordnung Nummer 10001 ein Abschlag von 25 % auf den gruppenspezifischen Höchstbetrag berechnet.

 

Gesondert betrachtet werden Hardware-Komponenten und DiGA-assoziierte Dienstleistungen. Hier wird es eine Pflicht des Herstellers geben, diese gesondert auszuweisen. Diese Preisbestandteile fließen nicht in die Höchstbetragsbildung ein und werden separat erstattet. Völlig unabhängig vom Thema Höchstbeträge ist zudem die bei den DiGA teilweise mögliche, zusätzliche Honorierung der verordnenden Ärzt:innen.

 

Zuständig für alle Verfahrensfragen rund um die Höchstbeträge ist eine noch einzurichtende, gemeinsame Stelle, in der maximal je ein Vertreter jedes der derzeit 13 Herstellerverbände sitzt, wobei Krankenkassen- und Herstellerseite was die Stimmabgabe angeht immer paritätisch agieren. Die Berechnung der Höchstbeträge erfolgt halbjährlich zum 1. April und zum 1. Oktober. Stichtag für die Datenbasis ist jeweils der 1. November des Vorjahrs bzw. der 1. Mai desselben Jahrs. Vom Zeitpunkt der Konstituierung der gemeinsamen Stelle hängt ab, ab wann die Regeln für die Höchstbeträge gelten. Angestrebt wird eine Konstituierung im Januar 2022. Der erste Berechnungsstichtag wäre dann der 1. Februar 2022, und der erste Geltungsstichtag der 1. August 2022.

 

Vorläufig gelistete DiGA werden etwas schlechter gestellt

Neben den Höchstbeträgen, an denen naturgemäß vor allem die Herzen der Krankenkassenvertreter:innen hängen, enthält die DiGA Rahmenvereinbarung auch Schwellenwerte, auf die nicht zuletzt die Herstellerverbände gedrungen haben. Beides, Höchstbeträge und Schwellenwerte, sind im Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) Kann-Regeln.

 

Schwellenwerte sind eine Art Bagatellklausel: Sie ermöglichen es dem Hersteller, die Verhandlungen über einen definitiven Vergütungsbetrag nach Ende des ersten Jahrs der BfArM-Listung zu vermeiden. Ob eine Schwellenwertsregelung greift, hängt vom tatsächlichen Preis der gelisteten DiGA ab. Liegt dieser unterhalb der Grenze von 25 % des Durchschnittspreises aller (!) im BfArM-Verzeichnis gelisteten DiGA, dann muss nicht verhandelt werden, sofern zusätzlich der Umsatz der letzten 12 Monate eine Million Euro inklusive Umsatzsteuer nicht überschreitet. Maßgeblich ist dabei der Gesamtumsatz, falls eine DiGA unter mehreren DiGA ID gelistet ist. Wie die Höchstpreise sind auch diese Schwellenwerte dynamisch angelegt und werden alle halbe Jahr neu berechnet. Gemessen an den derzeitigen Preisen der gelisteten DiGA läge die 25 % Schwelle nach Angabe aus den Reihen der Verbände bei einem Tagespreis von rund einem Euro.

 

Weitere Informationen:

Bundesverband Internetmedizin https://bundesverbandinternetmedizin.de/

Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung https://digitalversorgt.de/diga-verzeichnis/

DiGA-Portal des BfArM https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Portale/DiGA/_node.html

DiGA-Leitfaden des BfArM Stand 2.12.2021 https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Medizinprodukte/diga_leitfaden.pdf