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Medizin |

Digitale Medizin: Mehr Förderung, nicht weniger!

Das politische Ansinnen, angesichts leerer Kassen die Forschung und die Erstattung bei digitalen medizinischen Angeboten zu beschneiden, stößt auf breite Kritik.

Bild: © premium seller – stock.adobe.com, 1580632582, Stand.-Liz.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hat angesichts der prekären Finanzlage der Krankenkassen ihre Vorschläge für kurzfristige Einsparpotenziale unterbreitet. Der Löwenanteil soll bei den Krankenhäusern gekürzt werden, aber auch der Innovationsfonds soll seinen Teil dazu beitragen. Dessen Budget wird, wenn es nach Warken geht, zunächst einmalig von 200 auf 100 Millionen Euro halbiert. Betroffen ist davon natürlich nicht nur die digitale Medizin. Doch da viele Innovationsfondsprojekte digitale Lösungen nutzen, gehört sie Branche zwangsläufig zu den Leidtragenden.

 

Kritik am Kosten-Nutzen-Verhältnis digitaler Anwendungen

Auch an anderer Stelle droht Ungemach. So haben die Krankenkassen das fünfjährige Jubiläum der digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) dazu genutzt, einmal mehr gegen den derzeitigen Erstattungsmodus der DiGA zu schießen. Ein besonderer Dorn im Auge ist den Kostenträgern dabei der frei durch die DiGA-Hersteller festlegbare Erstattungsbetrag in den ersten zwölf Monaten einer vorläufigen Listung im DiGA-Verzeichnis. Der liege im Durchschnitt bei 540 Euro für in der Regel ein Quartal, während der verhandelte Preis jenseits des zwölften Monats bei dauerhafter Listung im Durchschnitt nur 229 Euro betrage, also weniger als die Hälfte des im ersten Jahr aufgerufenen Preises.

 

Die Krankenkassen stören sich daran, dass sie durch diesen Mechanismus auch für jene DiGA hohe Beträge zahlen, bei denen gar kein Nutzennachweis gelingt: „Auch DiGA müssen sich der Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis stellen. Deshalb brauchen wir rasch eine wirksame Reform der Preisfindung und einen besseren Nutzennachweis“, sagte etwa Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse und jemand, der den DiGAs eigentlich positiv gegenübersteht.

 

DGIM: Evidenzaufbau bei DiGAs systematisch fördern

Bei Verbänden und Fachgesellschaften läuten angesichts dieser und anderer ähnlicher Verlautbarungen derzeit die Alarmglocken. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) warnt in einer aktuellen Stellungnahme davor, die Potenziale der DiGAs durch fehlende Forschungsförderung und eine zu starke Preisregulierung zu gefährden. Aus Sicht der DGIM bleiben die Verordnungszahlen bei den derzeit 56 gelisteten DiGAs hinter den Erwartungen zurück, weil der Nutzen oft unzureichend belegt sei.

 

Um das zu verbessern, seien gemeinsame Anstrengungen nötig, betont Professor Dr. med. Martin Möckel, Vorsitzender der DGIM-Projektgruppe „DiGA/KI in Leitlinien“ von der Charité – Universitätsmedizin Berlin: „Damit DiGAs ihr Potenzial entfalten können, müssen ihre positiven Versorgungseffekte in methodisch hochwertigen klinischen Studien belegt werden. Für viele Hersteller – meist kleinere Unternehmen oder Start-ups – ist das allein jedoch kaum zu stemmen.“ Die DGIM spricht sich deswegen für gezielte Forschungsprogramme aus, die zum Beispiel beim Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) oder beim Innovationsfonds angesiedelt werden könnten: „Nur wenn die Forschungslast breiter getragen wird, lässt sich die Evidenzlage verbessern – und langfristig auch eine Senkung der Anwendungskosten erreichen“, so Möckel. 

 

DGTelemed: Mittelkürzung ist genau der falsche Weg

Scharfe Kritik insbesondere an der Kürzung der Mittel für den Innovationsfonds kommt derweil von der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin (DGTelemed). Die Potenziale der Digitalisierung für die medizinische Versorgung seien in zahlreichen Innovationsfondsprojekten unter Beweis gestellt worden, so die DGTelemed, die dabei insbesondere auf das TELnet@NRW Projekt hinweist, das für die Teleintensivmedizin den Weg in die Regelversorgung ebnete.

 

Eine Kürzung der Mittel sei vor diesem Hintergrund genau der falsche Weg, so Prof. Dr. Gernot Marx vom Universitätsklinikum Aachen und Vorstandsvorsitzender der DGTelemed: „Ein effizientes Gesundheitswesen benötigt mehr und nicht weniger Innovationen. Wir brauchen weiterhin einen verlässlichen Rahmen, um neue Versorgungswege und -formen zu erproben. Statt an dieser Stelle Gelder zu streichen, sollte die Bundesregierung vielmehr die Barrieren für ein modernes Gesundheitswesen endlich bearbeiten. Erfolgreich evaluierte Projekte aus dem Innovationsfonds müssen schneller in die Regelversorgung gelangen und so den Patientinnen und Patienten zugutekommen.“

 

In der Vergangenheit hatte die DGTelemed vorgeschlagen, Teile der Mittel des Innovationsfonds genau für eine Unterstützung des bislang defizitären Transferprozesses umzuwidmen. Dass an sich positiv bewerte und für die Regelversorgung empfohlene Innovationsfondsprojekte in der Regelversorgung nicht oder nur mit extremer Verzögerung ankommen, gilt als eines der Kernprobleme des Fonds – nicht nur bei digitalen Innovationen. „Nicht Einsparungen im Innovationsfonds, sondern mehr Effizienz bei der Übertragung in flächendeckende Angebote – Das ist das Gebot der Stunde“, so Marx. 

 

Weitere Informationen

Stellungnahme der DGIM zu Digitalen Gesundheitsanwendungen vom 20.20.2025

https://www.dgim.de/fileadmin/bildarchiv/PDF/Publikationen/Stellungnahmen/20251021_Stellungnahme_Digitale_Gesundheitsanwendungen.pdf