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Vernetzung |

Digitale Versorgung von Tinnitus-Patienten wird ausgebaut

© Techniker Krankenkasse

Techniker Krankenkasse und Sonormed weiten ihr digitales Therapieangebot bei Tinnitus aus. Es gibt jetzt ein digitales Counseling, bei Bedarf mit Videoschalte zum Tinnitus-Experten.

 

Die Musik-App Tinnitracks von Sonormed, die die Techniker Krankenkasse seit gut zwei Jahren in fünf Bundesländern verfügbar macht, gilt als eine der ersten „Apps auf Rezept“ im deutschen Gesundheitswesen. Die App stimmt frei wählbare Musiktitel auf die individuelle Tinnitus-Frequenz des Patienten ab und reduziert so den Leidensdruck. Sie wird von niedergelassenen HNO-Ärzten verschrieben, die dadurch ein neues therapeutisches Werkzeug in die Hand bekommen haben. Tinnitus-Experten haben die App dagegen wiederholt wegen zu geringer Evidenz kritisiert.

 

Tinnitracks-Counseling für einen besser informierten Patienten

Jetzt wird das digitale Therapieangebot ausgeweitet, und zwar so, dass Tinnitus-Experten stärker eingebunden werden. „Mit unserem neuen Angebot entwickeln wir Tinnitracks weiter, von einer reinen Therapie-App hin zu einer Tinnitus-App mit mehreren Versorgungsangeboten auf Basis einer einheitlichen Infrastruktur. Damit können wir Tinnitus-Patienten eine zunehmend breitere Palette an Therapieoptionen anbieten, bei denen der behandelnde HNO-Arzt eng eingebunden ist“, erläuterte Sonormed-Geschäftsführer Jörg Land im Gespräch mit E-HEALTH-COM.

 

Das heißt konkret: Aus der bisherigen Therapie-App wird unter dem neuen Namen Tinnitracks Neuro-Therapie eines von mehreren Modulen der neuen Tinnitus-App. Dieses Modul, das die Techniker Krankenkasse künftig bundesweit zugänglich machen will, wird ergänzt durch das Modul Tinnitracks Basis-Therapie. Dabei handelt es sich um ein digitales Informationsmodul, eine Art E-Learning-Tool, das entsprechend den Leitlinienempfehlungen wichtiges Wissen rund um den Tinnitus vermittelt und den behandelnden HNO-Arzt, in dessen Aufgabenbereich dieses Counseling normalerweise fällt, weiter entlastet.


Videosprechstunde mit dem Experten bei Bedarf

Dieses Counseling-Modul wurde nicht nur zusammen mit Tinnitus-Experten entwickelt. Es bindet diese Experten bei Bedarf auch direkt ein. Gibt es bei einem Patienten nach Durchlaufen des Counseling-Moduls und über das Gespräch mit dem eigenen HNO-Arzt hinaus noch Beratungsbedarf, kann innerhalb der App eine Videosprechstunde vereinbart werden. Hier wird der Patient dann mit einem Tinnitus-Experten des Kooperationspartners Schön-Klinik Roseneck zusammengebracht. So wird ein breites Spektrum der Tinnitus-Versorgung von der Selbsthilfe bis zur telemedizinischen Beratung durch einen Experten digital abgedeckt.

 

Die Schön-Klinik ist nicht nur wegen ihrer Tinnitus-Kompetenz der erste Kooperationspartner für das neue Angebot. Die Klinik hat unter dem Namen MindDoc neben ihrem stationären Geschäft bereits seit Längerem ein Online-Therapieangebot aufgebaut, das sich bisher vor allem an Patienten mit Depression und mit Essstörungen richtete. Auf diese Expertise setzen die Projektpartner jetzt auf und übertragen sie auf die Indikation Tinnitus.


Integration weiterer Partner in Zukunft denkbar

Spannend ist der Strategiewechsel bei Tinnitracks auch vor dem Hintergrund, dass damit die schon länger von vielen Vertretern der Digitalmedizinzunft vorhergesagte „Abkehr von der Einzel-App“ ein Stück weit Realität wird: Genuin digitale Therapieangebote werden verquickt mit Werkzeugen, die Versorgungsprozesse digitalisieren. Im besten Fall sind die Patienten so besser informiert, bekommen Selbsthilfe-Tools an die Hand und erhalten auch noch leichter als bisher Zugang zu Experten.

 

Und das muss noch lange nicht alles sein. Die Tinnitus-App könnte zumindest theoretisch zu einer anbieteragnostischen Indikationsplattform für den Bereich Tinnitus werden: „Technisch ist Tinnitracks so angelegt, dass eine Integration weiterer externer Partner in Zukunft denkbar ist“, so Jörg Land zu E-HEALTH-COM. „Die Struktur ist vorhanden, und Patienten, Ärzte und Krankenkassen profitieren von einer einheitlichen und etablierten Versorgungslösung."

 

Text: Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM