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Vernetzung |

E-Rezept: „Wir wollen eine breite Plattform für alle Versorger“

Beim elektronischen Rezept bringen sich derzeit ganz unterschiedliche Konzepte in Stellung. Jetzt startet ein Pilotprojekt in Hessen, das nicht nur Arzneimittelrezepte, sondern auch Verordnungen anderer Leistungserbringer digitalisieren will.

Quelle: © elizaliv – stock.adobe.com

Elektronische Rezepte und Verordnungen im deutschen Gesundheitswesen sollen kommen, aber noch ist nicht klar, wie sie genau aussehen werden. Die Bundesregierung hat die gematik beauftragt, im Laufe des Jahres 2020 eine technische Spezifikation für ein elektronisches Rezept vorzulegen, für das dann die Telematikinfrastruktur genutzt werden soll. Bis dahin sollen nach dem Willen von Jens Spahn möglichst viele Pilotprojekte unterschiedliche Ansätze erproben, sodass die gematik dann auf erste Praxiserfahrungen zurückgreifen kann.


Apotheker entwickeln DAV-App und Gerda
Ein wichtiger Akteur dabei ist naturgemäß die Apothekerschaft. Nach einigem Zögern hat der Deutsche Apothekerverband (DAV) im Frühjahr angekündigt, eine eigene Plattform für das E-Rezept zu entwickeln, die DAV-App. Sie ist nicht als native App geplant, sondern als eine technisch in HTML5 programmierte, mobile Webseite. Die DAV-App, die um den Jahreswechsel herum online gehen wird, soll von den Landesapothekerkammern finanziert werden, für die Patienten kostenfrei und komplett werbefrei sein. Im September wurde dazu eine eigene, gemeinnützige GmbH gegründet. Über 10 000 Apotheken haben nach Angaben des DAV bereits Interesse an dem Projekt gezeigt.


Ebenfalls apothekengetrieben ist das Projekt „GERDA“ in Baden-Württemberg, das technisch von dem Abrechnungs- und IT-Dienstleister Noventi HealthCare umgesetzt wird. GERDA ist jene E-Rezept-Plattform, die im Rahmen des docdirekt-Telemedizinprojekts der KV Baden-Württemberg eingesetzt werden soll. Verantwortlich für GERDA ist die Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA), ein Tochterunternehmen der Avoxa Mediengruppe, die wiederum einehundertprozentige Tochter des Spitzenverbands der Deutschen Apothekerschaft ABDA ist. Die ABDA wird gemeinsam von den 17 Apothekerverbänden und den 17 Apothekerkammern getragen.


Ursprünglich sollte es mit GERDA bereits im Sommer 2019 losgehen. Das war wohl etwas überambitioniert. Zuletzt wurde der November 2019 als möglicher Startmonat in den doc-direkt-Pilotregionen Stuttgart und Tuttlingen genannt. Ab 2020 könnte die GERDA-Plattform dann bundeslandweit zur Verfügung stehen, so zumindest die derzeitige Planung.


E-Rezept-Projekt in Hessen zielt (auch) auf Therapeuten
GERDA und die DAV-App sollen nicht die einzigen E-Rezept-Plattformen bleiben. Beim gevko-Symposium im September wurde ein weiteres E-Rezept-Projekt vorgestellt, das in Hessen pilotiert wird. Es handelt sich um ein E-Rezept-Projekt der KV Hessen mit der AOK Hessen und der DAK-Gesundheit. Koordiniert wird es von dem Unternehmen Optica, ebenfalls ein Abrechnungsdienstleister sowie Anbieter von Branchensoftware, allerdings nicht im Apothekenumfeld, sondern bei sonstigen Heilberuflern, darunter Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten und Sanitätshäuser. Optica gehört zur Firmengruppe Dr. Güldener, unter deren Dach sich außerdem noch die Deutschen Zahnärztlichen Rechenzentren (DZR) und das Unternehmen Apotheken und Ärzte Abrechnungen (AÄA) befinden.


An dem Pilotprojekt in Hessen sind eine ganze Reihe von Akteuren aus Gesundheitspolitik und Digitalisierungsbranche beteiligt. Seitens der Ärzte kommen über die KV Hessen in einem anfangs noch kleinen Fokus Ärzte mit ins Boot, die am kassenärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen und mit einer Videosprechstundenausstattung versorgt wurden. Später soll das Projekt dann auf weitere Ärzte in ganz Hessen ausgedehnt werden. Technikpartner sind zum einen der IT-Dienstleister gevko, der vor allem durch seine Selektivvertragsschnittstellen bekannt ist, zum anderen der FHIR- und Blockchain-Spezialist Nortal, der maßgeblich am Aufbau der elektronischen Patientenakte und des E-Rezepts in Estland beteiligt war. Außerdem sind die beiden Praxis-IT-Hersteller Medical Office und Tomedo dabei. Medical Office ist das Praxisverwaltungssystem, das im Gebiet der KV Hessen einheitlich im Rahmen des kassenärztlichen Bereitschaftsdiensts genutzt wird. Diese Einheitlichkeit ist sehr günstig, weil so nur einige wenige Schnittstellen nötig sind.


Einheitliche Verordnungsplattform statt reiner Medikations-App
Das hessische Projekt ist auf insgesamt zwölf Monate angelegt und soll zwei Phasen haben. In der ersten Phase werden schrittweise die Bereitschaftsdienstpraxen eingebunden. In dieser Projektstufe geht es um das klassische Arzneimittelrezept, das Muster 16. Im Laufe des Frühjahrs 2020 soll das Projekt dann um Physiotherapiepraxen erweitert werden, also um die digitale Übermittlung von Muster-13-Verordnungen, die der Patient, ähnlich wie ein Arzneimittelrezept, vom Arzt erhält und an den jeweiligen nichtärztlichen Leistungserbringer weitergibt.


„Unser Ziel ist eine gangbare Lösung für elektronische Verordnungen aller Art“, betonte Optica-Geschäftsführer Dr. Jochen Pfänder im Gespräch mit E-HEALTH-COM. „Wir glauben nicht, dass es eine separate technische Plattform für Apothekenrezepte geben sollte. Es macht insbesondere aus Sicht der Patienten wenig Sinn, für jede Verschreibungsart eine eigene App einzusetzen.“ Am Ende könnte eine solche einheitliche E-Verordnungs-Plattform beispielsweise über die Versicherten-App einer Krankenkasse zugänglich sein: „Wir halten das für einen vernünftigeren Ansatz als die reinen Arzneimittelrezept-Plattformen und vor allem für sehr patientenfreundlich. Entscheidend ist, dass der Patient zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle über Rezept beziehungsweise Verordnung haben muss und diese dann auch, sofern vorhanden, den Weg in die elektronische Patientenakte des Patienten finden.“

 

Erster Schritt: Videosprechstunde im ärztlichen Bereitschaftsdienst

Wie genau läuft die digitale Verordnung im Rahmen des hessischen Pilotprojekts ab, wenn es Richtung Jahreswechsel losgeht? In der ersten Ausbaustufe des Projekts handelt es sich um ein Bereitschaftsdienstszenario, das heißt, der Patient, der die Bereitschaftsdienstnummer 116 117 wählt, steht am Anfang. Es erfolgt eine telefonische Triage, bei der geklärt wird, ob es sich um einen Patienten handelt, der für eine Videosprechstunde infrage kommt. Ist das der Fall, und hatte der Patient sich im Vorfeld bereits auf der Webseite der KV Hessen aktiv für Videosprechstunde und E-Rezept registriert, wird gefragt, ob einer Teilnahme am Modellprojekt mit elektronischer Rezeptübermittlung zugestimmt wird. Noch nicht registrierte Patienten werden auf die Möglichkeit von Videosprechstunde und E-Rezept hingewiesen. Sie können sich dann anmelden, um den Service bei eventuellen weiteren Anrufen beim ärztlichen Bereitschaftsdienst nutzen zu können.


Resultiert eine Videosprechstunde in einem Rezept, dann stellt der Arzt in der Medical-Office-Software wie gehabt sein Rezept aus. Einziger Unterschied zum Offline-Rezept ist die digitale Signatur. Der signierte Datensatz wird über einen digitalen Transportweg, im ersten Schritt KV-Connect, und eine REST-Schnittstelle an den IHE-konformen Gesundheitsgateway tHENA der gevko übermittelt.
Vom Kommunikationsserver geht es dann weiter an einen elektronischen Verordnungsspeicher, wobei als Sicherheitsmerkmal ein Hash-Code erzeugt wird. Der eingehende Rezeptdatensatz wird außerdem in drei Teile zerlegt, nämlich Patienteninformationen, Verordnerinformationen und eigentliche Verschreibung. Zusammengefügt werden können die drei Informationsblöcke nur mithilfe des Hash-Codes, für dessen Übermittlung als weiteres Sicherheitsfeature die Blockchain-Technologie genutzt wird.

 

„Letztlich stellen wir mit Hash-Code und einer Blockchain sicher, dass der Datensatz unverändert bleibt“, so Marcus May, der bei Optica für das E-Verordnungsprojekt und die Branchensoftwarelösungen von technischer Seite verantwortlich ist.


Aus Patientenperspektive sieht das Ganze so aus, dass das im Rahmen einer Videosprechstunde erstellte Rezept im System unter völliger Patientenhoheit auf dem Verordnungsportal verfügbar gemacht wird. „Der Patient geht entweder auf das Webportal und sucht sich einen Apotheker bzw. später Physiotherapeuten oder anderen Leistungserbringer aus, dem die Verordnung dann zugewiesen wird. Alternativ ist natürlich auch die Nutzung einer App möglich. Die Kostenträger sehen in jedem Fall nur die Daten, die sie sozialrechtlich sehen dürfen“, so May.


Ziel ist die Zertifizierung durch die gematik
Die Situation bei den Physiotherapeuten ist insofern etwas anders als bei den Apotheken, als Physiotherapeuten, insbesondere wenn es sich um kleinere Praxen handelt, oft noch relativ IT-arm arbeiten. Ein großes Softwaresystem sei aber auch nicht nötig, so May: „Ein Physiotherapeut braucht im Prinzip nur ein Smartphone oder iPad, um das Webportal nutzen und das Rezept einsehen zu können.“ Grundsätzlich sei es möglich, das Rezept in unterschiedlichen Formaten zur Verfügung zu stellen, je nachdem, was der jeweilige Leistungserbringer benötigt. Eine Schnittstellenkooperation gebe es beispielsweise bereits mit dem Apothekensoftwarehersteller awinta.


Pfänder betont, dass die hessische Plattform von ihrer Konzeption her mit der Telematikinfrastruktur voll kompatibel gemacht werde. Nicht nur die Anbindung der Ärzte über KOM-LE/KV-Connect-/KV-SafeNet, sondern auch die Anbindung der Apotheken wird TI-kompatibel erfolgen, sobald die Apotheken mit TI-Konnektoren ausgestattet sind. Bei den anderen Heilberuflern sieht Pfänder perspektivisch eher Software-Konnektoren im Einsatz: „Hier ist noch einiges im Fluss, aber die Signale, die aus der gematik kommen, deuten darauf hin, dass man sich der Problematik einer Ausstattung von zum Beispiel Physiotherapeuten mit Hardware-Konnektoren bewusst ist.“ Ziel sei es in jedem Fall, die von der gematik vorgegebenen Spezifikationen einzuhalten und das Gesamtsystem dann ab Mitte 2020 bei der gematik zu zertifizieren. Alle Ergebnisse des Pilotprojekts werden der gematik zur Verfügung gestellt.