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Vernetzung |

ePA: Wenig bekannt und Widerspruchslösung bevorzugt

Eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage der gesamtdeutschen Bevölkerung ergibt: Die ePA ist wenig bekannt. 48 Prozent der Bevölkerung geben an, die ePA nicht zu kennen. Die Personen, die die ePA kennen, möchten diese zum überwiegenden Teil zukünftig nutzen. Bezüglich der automatischen Datenübertragung in die ePA sind die Nutzer:innen zurückhaltend.

Bild: © pickup – stock.adobe.com, 242071112, Stand.-Liz.

Seit dem 1. Januar 2021 können alle gesetzlich Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) bei ihren Krankenkassen beantragen. In dieser sollen medizinische Befunde und Informationen aus vorhergehenden Untersuchungen und Behandlungen über Praxis- und Krankenhausgrenzen hinweg umfassend gespeichert werden. Bisher wird die ePA noch wenig genutzt.

 

Zum Untersuchungszeitraum der hier berichteten Studie Ende 2022 nutzten laut Angaben der gematik 0,7 Prozent der gesetzlich Versicherten die ePA. Entsprechend der Zahlen, die MDR AKTUELL bei den Krankenkassen im März 2024 erhoben hat, haben bisher nur 0,1 Prozent der bundesweit AOK-Versicherten eine ePA beantragt. Eine der höchsten Werte kann die BARMER Krankenversicherung mit 1,7 Prozent aufweisen.1


Kernelement des im März 2024 verabschiedeten Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen (Digital-Gesetz)2 ist die verpflichtende Einführung der ePA. Das Gesetz soll den Aufbau der notwendigen Infrastruktur beschleunigen und die Nutzung der ePA erhöhen. Falls Patient:innen die ePA nicht nutzen möchten, können sie der Nutzung bei ihren Krankenkassen widersprechen (Opt-out-Verfahren).


Die ePA stellt einen zentralen Bestandteil der bundesdeutschen Digitalisierungsbemühungen im Gesundheitssystem dar. Sie soll als zentrale Plattform dem Datenaustausch zwischen Leistungserbringern und den Patient:innen dienen. Auf der individuellen Ebene ermöglicht sie eine optimierte, personalisierte und präventive Gesundheitsversorgung. Ein verbesserter Zugang zu den eigenen persönlichen Gesundheitsdaten könnte zudem ein besseres Selbstmanagement der Gesundheit ermöglichen. Auf gesellschaftlicher Ebene könnte der umfassende Zugang zu pseudonymisierten Gesundheitsdaten Innovationen durch neue Möglichkeiten der Gesundheits- und Medizinforschung fördern.


Bevölkerungsbefragung zur Digitalisierung des Gesundheitswesens
Im Zeitraum vom 1. bis 27. Juni 2022 wurde im Rahmen des Projekts „Privacy und Willingness to Share von Gesundheitsdaten (PWG)“ eine computergestützte Telefonbefragung (Dual-Frame) bei einer Zufallsstichprobe der deutschen erwachsenen Gesamtbevölkerung in Auftrag gegeben (n=1.308), um die Bekanntheit der ePA sowie Einstellungen dazu zu erheben. Der dabei genutzte Fragebogen bestand aus 46 standardisierten Fragen. Es werden Determinanten der Akzeptanz und Bekanntheit der ePA identifiziert. Neben soziodemografischen Merkmalen (Alter, Bildung, Wohnort etc.) wird auch der Einfluss von Einstellungen zu und Vertrauen in wissenschaftliche und staatliche Institutionen untersucht. Die Befragung per Telefon wurde gewählt, da diese im Gegensatz zu Online-Befragungen ermöglicht, Personen mit geringer Internetaffinität einzubeziehen und so einen Bevölkerungsquerschnitt zu erreichen.

Abb.1: Nutzungsbereitschaft ePA | Fragestellung: Seit 2021 gibt es in Deutschland für alle Versicherten in der gesetzlichen Krankenkasse eine elektronische Patientenakte (ePA), in der Gesundheitsdaten zu Diagnosen, verschriebenen Medikamenten, Operationen oder ärztlichen Behandlungen gespeichert werden können. Die Nutzung ist freiwillig und die gespeicherten Gesundheitsdaten liegen allein in der Hand der Patient:innen. Quelle: OTH Regensburg

Geringe Bekanntheit der ePA, aber Nutzungsbereitschaft vorhanden
Die Untersuchungen ergeben, dass die ePA zum Zeitpunkt der Befragung bei fast der Hälfte der Befragten, die sie nutzen können (gesetzlich ­Versicherte), unbekannt ist. Etwa ein Drittel will die ePA zukünftig nutzen und knapp 15 Prozent wollen diese zukünftig nicht nutzen (vgl. Abb. 1). Unter den Personen, die die ePA kennen, nutzen sie nach eigenen Angaben bereits 14,7 Prozent, 57,1 Prozent wollen sie zukünftig nutzen und 28,2 Prozent nicht. Angesichts der hohen Zahl derer, die die ePA nicht kennen, besteht hier Potenzial ebenso wie Bedarf für umfassende ­Informationskampagnen.


Die Angaben zur Nutzung der ePA sind überraschend hoch, denn der Anteil ist deutlich höher als von den Krankenkassen und der gematik berichtet. Es stellt sich die Frage, ob ein korrektes Verständnis vorherrscht, was die ePA ist. Eine Verwechslung mit den patientenbezogenen Gesundheitsakten gemäß dem (inzwischen aufgehobenen) § 68 SGB V, die zwischen 2015 und 2019 von vielen Krankenkassen eingeführt wurden, oder der elektronischen Gesundheitskarte kann nicht ausgeschlossen werden.


Auf individueller Ebene können wir beobachten, dass die Bereitschaft, die ePA zu nutzen, zunimmt, wenn die Nutzer:innen von einem generell größeren Vertrauen in Institutionen des öffentlichen Lebens  berichten.3 Die Befragten sollten die Wahrscheinlichkeit, dass Gesundheitsdaten in falsche Hände gelangen, und die Schwere eines solchen Datenlecks beurteilen. Befragte, die die Wahrscheinlichkeit und Schwere eines Datenlecks hoch einschätzen, berichten durchschnittlich eine geringere Bereitschaft, die ePA zu nutzen. Eine höhere digitale Kompetenz führt zusätzlich zu einer stärkeren Ablehnung der ePA.

Abb. 2: Bevorzugte Datenübertragung in die ePA | Fragestellung: Diagnosen und medizinische Leistungen werden von den Ärzten an die Krankenkassen gemeldet. Es ist technisch möglich, dass diese Daten automatisch in die elektronische Patientenakte übertragen werden. Was halten Sie davon? Quelle: OTH Regensburg

 

ePA-Datenübertragung: Nutzer:Innen möchten Datenhoheit behalten

Die ePA ist nur so nützlich wie die Daten, die sich darin befinden. Eine Frage der hier beschriebenen Studie war daher, auf welchem Weg Daten in die ePA aufgenommen werden sollen. Die Ergebnisse zeigen, dass eine automatische Übertragung und Befüllung der Datenbestände selten präferiert wird: Nur knapp 22 Prozent sind für eine Widerspruchslösung (Opt-out: „Die Daten sollten automatisch übertragen werden, außer wenn die Patienten dem widersprechen.“); knapp 16 Prozent sind für die Zustimmungs­option (Opt-in: „Die Daten sollten nur nach einmaliger Zustimmung der Patienten automatisch übertragen werden.“). Dagegen votiert die Hälfte der Befragten für die – äußerst unpraktikable – Lösung, dass vor jeder Datenübermittlung die Zustimmung abgefragt wird („Die Daten sollten nicht automatisch übertragen werden, Patienten sollten vor jeder Übermittlung der Daten nach ihrer Zustimmung gefragt werden.“) (vgl. Abb. 2).


Diese Ergebnisse sind konsistent mit der Studienlage in anderen Ländern. Entsprechend einer Studie aus dem Vereinigten Königreich bevorzugen dort 91 Prozent ein Opt-in-Verfahren, bevor ihre personenbezogenen Gesundheitsdaten genutzt werden. Die Hälfte würde erwarten, dass vor der Weitergabe von anonymisierten Daten ihre ausdrückliche Zustimmung eingeholt wird.


Die Angst vor einem Datenleck und das Vertrauen in Institutionen des öffentlichen Lebens stehen auch mit der bevorzugten ePA-Datenübertragung in Zusammenhang: Befragte, die die Wahrscheinlichkeit und Schwere eines Datenlecks hoch einschätzen, bevorzugen ein granulares Rechtemanagement und lehnen die Opt-in- und Opt-out-Datenübertragung ab. Menschen mit geringerem Vertrauen in Institutionen des öffentlichen Lebens bevorzugen ein granulares Rechtemanagement und lehnen Opt-in- und Opt-out-Datenübertragung ebenfalls ab.


Aktuell wird mit der Zustimmung zur Nutzung der ePA (aktuell Opt-in, ab 2025 ePA 3.0: Opt-out-Verfahren) der automatischen Datenübertragung zugestimmt. Die potenziellen Nutzer:innen der ePA geben jedoch überwiegend an, dass sie ein granulares Rechtemanagement bevorzugen. Sie möchten ihre Datenhoheit nicht abgeben. Die Zukunft wird zeigen müssen, inwieweit die geplante ePA 3.0 durch die Nutzer:innen akzeptiert wird.


Zentrale Erkenntnisse
Die Ergebnisse unserer Studie legen nahe, dass Wissen über den Umgang mit Gesundheitsdaten im Allgemeinen und im Hinblick auf die ePA im Speziellen oftmals nicht vorhanden ist oder sogar falsche Vorstellungen darüber existieren. Beinahe die Hälfte der gesetzlich Versicherten kennt die ePA nicht; andere verwechseln sie vermutlich mit den patientenbezogenen Gesundheitsakten oder der Gesundheitskarte, da die angegebenen Nutzungszahlen in keiner Weise mit der Realität in Einklang stehen. Diese Zahlen deuten auf einen erheblichen Bedarf an Information und Aufklärung hin.


Sowohl das generelle Opt-in, wie in der Vergangenheit praktiziert, als auch das generelle Opt-out, wie es aktuell diskutiert wird, haben nur mittlere Zustimmungswerte. Die Mehrzahl der Befragten möchte die vollständige und jederzeitige Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten behalten und jeder Datenübertragung einzeln zustimmen können. 


Originalpublikation
Haug, S., Schnell, R., Raptis, G., Dotter, C., & Weber, K. (2024). Wissen und Einstellung zur Speicherung und Nutzung von Gesundheitsdaten: Ergebnisse einer Bevölkerungsbefragung. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 184, 50–58.
https://doi.org/10.1016/j.zefq.2023.11.001.

 

Autor:innen

Prof. Dr. Karsten Weber
Ko-Leiter des Instituts für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung (IST), OTH Regensburg
Kontakt: karsten.weber(at)oth-regensburg.de

 

Prof. Dr. Sonja Haug
Ko-Leiterin des Instituts für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung (IST), OTH Regensburg
Kontakt: sonja.haug(at)oth-regensburg.de

 

Prof. Dr. med. Georgios Raptis
Professur eHealth, OTH Regensburg
Kontakt: georgios.raptis(at)oth-regensburg.de

 

Dr. Caroline Dotter
Post-Doktorandin am Institut für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung (IST), OTH Regensburg
Kontakt: caroline1.dotter(at)oth-regensburg.de

 

Interessenkonflikt
Georgios Raptis ist als unabhängiger Vertreter der Wissenschaft Mitglied im Beirat der gematik. Karsten Weber, Sonja Haug, Georgios Raptis und Caroline Dotter erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

 

Fußnoten

1 Siehe https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/wenige-elektronische-patientenakten-bisher-100.html# wenig, zuletzt besucht am 08.07.2024.

2 BGBl. 2024 I Nr. 101 vom 25.03.2024.

3 Abgefragt wurde das Vertrauen auf einer 10-Punkte-Skala in: Presse und Zeitungswesen, öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen, Bundesregierung, politische Parteien, Bundestag, öffentliche Verwaltung, Universitäten und Hochschulen, internationale Internetkonzerne, andere große Wirtschaftsunternehmen, WHO.