Die Verknüpfung von medizintechnischen Geräten untereinander und mit den klinischen IT-Systemen gilt als ein Schlüssel für eine stärker datenbasierte medizinischen Versorgung, insbesondere in Notraufnahmen, Intensivstationen und Operationssälen. Bisher war allerdings in vielen Fällen die Einzelanbindung eines medizintechnischen Geräts an das Patientendatenmanagement-System (PDMS) das höchste der Interoperabilitätsgefühle. Ein Problem ist das unter anderem beim Alarmmanagement auf Intensivstationen, wo es zwar mitunter möglich ist, Alarme des Patientenmonitors ins Stationszimmer weiterzuleiten. Vor Ort im Patientenzimmer piepst es aber dennoch. Und eine intelligente Verschaltung unterschiedlicher Geräte, die alle ihre eigenen Alarme haben, geht im Wesentlichen gar nicht.
Teils absurde Komplexität
Das hat unterschiedliche Folgen. Wo eine Vernetzung zwingend ist, etwa bei der Anbindung von Beatmungsgeräten an Patientenmonitore, ist das regelmäßig mit viel Handarbeit auf Herstellerseite verbunden. Beatmungsgeräte beispielsweise kommunizieren mit Patientenmonitoren oft über Converter, die mittels serieller Schnittstellen angebunden werden. Ändert der Hersteller eines Beatmungsgeräts einen Beatmungsmodus, dann muss er sämtliche Partnerunternehmen informieren, damit die ihre Converter anpassen.
Dies Komplexität führt dazu, dass der Aufwand für viele andere Medizingeräte gar nicht erst unternommen wird. Und die Folge davon wiederum ist, dass es in Patientenzimmer auf Intensivstationen relativ laut sein kann, weil Alarme unterschiedlicher Geräte nicht intelligent verschaltet werden können, zum Beispiel über mobile Apps. Statt intelligenten Alarm-Managements piepen die Geräte im Patientenzimmer einfach los – was für das Personal genauso belastend ist wie für die Patient:innen.
Mit dem SDC-Standard ging es bisher nur langsam voran
Das Problem ist schon länger erkannt. Es gibt einen internationalen Standard, SDC (Service-oriented Device Connectivity) genannt, mit vollem Namen IEEE 11073 SDC. Dieser ermöglicht intelligente Vernetzungsszenarien von medizintechnischen Geräten. Er ging unter anderem aus dem deutschen OR.NET Projekt hervor und wird vom OR.NET Konsortium bis heute maßgeblich vorangetrieben. Nur muss so ein Standard natürlich auch in konkrete Produkte und Lösungen umgesetzt werden, und daran haperte es seit Jahren.
Doch jetzt tut sich was. Beim traditionellen LIVES-Kongress der European Society of Intensive Care Medicine (ESCIM), der in diesem Jahr in München stattfand, präsentierten die Unternehmen B. Braun, Dräger und Ascom eine neue SDC-basierte Lösung, die bereit ist für den Einsatz auf Intensivstationen. Die Unternehmen nennen die gemeinsame Lösung Silent Care Package. Der Name ist Programm: Es geht darum, Intensivstationen durch ein herstellerübergreifendes Alarmmanagement auf Basis eines offenen, interoperablen Ökosystems leiser zu machen.
Springen auch andere Hersteller auf?
Konkret werden Beatmungs- und Monitoring-Systeme von Dräger mit Infusionspumpen von B.Braun und einem flexblen Alarmüberwachungssystem von Ascom zusammengeschaltet. Akustische Alarme, die von den Infusionspumpen oder dem Beatmungsgerät ausgelöst werden, gelangen über ein zentrales Dashboard zu einem mobilen Endgerät der jeweils verantwortlichen Fachpflegeperson. Diese kann dann auf die Alarme reagieren, ohne dass es im Zimmer lautstark vor sich hin piept.
Das verbessert das Gesamtklima auf Station, aber es hat auch einen potenziellen medizinischen Nutzen. Denn die Lärmbelastung auf Intensivstationen korreliert mit dem Delirrisiko, entsprechend ist ein lärmsparendes Alarmmanagement gelebte Delirprävention. In einer idealen Welt beteiligen sich möglichst viele weitere Hersteller an solchen offenen Plattformkonzepten, damit die Intensivstationen hinsichtlich der nutzbaren Produkte möglichst flexibel sind. Ein erster Schritt zumindest ist jetzt gemacht.
