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MedTech |

Fraunhofer MEVIS entwickelt im BMBF-Projekt SPARTA Software für Optimierung der Strahlentherapie

In den klinischen Workshops erarbeiten Wissenschaftler von Fraunhofer MEVIS gemeinsam mit Medizinern den Workflow und die User Experience der gemeinsam entwickelten Strahlentherapie-Software. Foto: Fraunhofer MEVIS

Gemeinsam mit Medizinern, anderen Forschungsgruppen und Industriepartnern entwickelt Fraunhofer MEVIS eine Software zur Optimierung der Strahlentherapie. Am 5. und 6. Februar fand in Bremen der fünfte klinische Workshop zur Evaluierung dieser Software statt.

 

Eine Krebstherapie durch Bestrahlung erstreckt sich meist über mehrere Wochen. Währenddessen verändert sich oft die Situation des Patienten: Er nimmt an Körpergewicht ab, womöglich schrumpft das Geschwür oder verändert sich in seiner Gestalt. Die Folge: Unter den veränderten Vorzeichen ist die zu Therapiebeginn gewählte Verteilung der Strahlendosis oft nicht mehr optimal. Schlimmstenfalls treffen die Strahlen den Tumor nicht mehr voll, ein Teil der Dosis landet in gesundem Gewebe und schädigt es.


Um das zu vermeiden, passen die Mediziner die Richtung und Dosis der Strahlung den veränderten Gegebenheiten nach Bedarf an. Bislang ist diese Neuplanung eine aufwändige und zeitraubende Prozedur. Die im BMBF-geförderten Projekt SPARTA entwickelte Software soll den Prozess beschleunigen und dadurch für günstigere Therapieverläufe sorgen. Ein Beitrag vom Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS in Bremen besteht in der schnellen und genauen Übertragung der Planungssituation auf die jeweils aktuelle Patientensituation. Um das Programm möglichst praxistauglich zu gestalten, arbeiten die Experten bei SPARTA eng mit Ärzten aus renommierten Krebskliniken zusammen.


Vor Beginn jeder Strahlentherapie erstellen die Mediziner auf Basis einer CT-Aufnahme eine detaillierte Bestrahlungsplanung. Diese gibt an, welche Bereiche im Körper wie oft und mit welcher Dosis bestrahlt werden sollen – mit dem Ziel, den Tumor komplett zu zerstören und das benachbarte Gewebe so weit wie möglich zu schonen. Allerdings ist es dabei mit einer einzelnen Bestrahlung nicht getan. Um den Krebs erfolgreich zu bekämpfen, müssen die Patienten mehrmals auf die Behandlungsliege, zum Beispiel einen Monat lang an jedem Tag.


„Um zu gewährleisten, dass der Tumor dabei stets wie geplant getroffen wird, machen die Ärzte regelmäßig Kontrollaufnahmen“, erläutert MEVIS-Forscher Stefan Wirtz. „Unter anderem können sie dadurch erkennen, ob der Patient in der korrekten Position im Gerät liegt.“ Ebenso lässt sich mit den Kontrollaufnahmen prüfen, ob sich der Tumor im Laufe der Wochen im Körper verschiebt, weil der Patient abgenommen hat. Dadurch können gesunde Körperregionen ins Visier der Strahlung geraten und versehentlich geschädigt werden. „Bei der Behandlung von Tumoren im Mund- und Rachenraum etwa wandert manchmal die Speicheldrüse ins Bestrahlungsfeld hinein und kann Schaden nehmen“, erklärt Wirtz‘ Kollege Stefan Kraß.


Um das zu vermeiden und die Bestrahlung optimal anzupassen, müssen die Mediziner die ursprünglichen Planungsbilder mit den aktuellen Kontrollaufnahmen vergleichen. „Oftmals muss der Arzt abwechselnd alte und neue Aufnahmen betrachten und sie im Kopf miteinander in Bezug setzen“, erklärt Stefan Wirtz. „Dagegen kann unsere Software beide Aufnahmen in einer einzigen Darstellung zur Deckung bringen und die Konturen des Bestrahlungsfeldes übertragen.“ Die Folge: Die Ärzte können rasch erkennen, ob die ursprünglichen Konturen noch zur aktuellen Situation passen. Tun sie es nicht, lassen sich die Konturen mit Software-Werkzeugen schnell anpassen. „Bislang dauert die Neuplanung einer Strahlentherapie mehrere Stunden“, sagt Stefan Kraß. „Unsere Software kann das deutlich beschleunigen.“


Um solche Software nutzergerecht zu entwickeln, tauschen sich die MEVIS-Experten mehrmals im Jahr mit Strahlentherapeuten aus und diskutieren die Fortschritte in gemeinsamen Workshops: Ist das Programm gut zu bedienen, liefern die Algorithmen die richtigen Ergebnisse? Und sind die Software-Werkzeuge so praxistauglich, wie es sich die Kliniker wünschen? „Die Ärzte reden regelmäßig mit“, betont Wirtz. „Dadurch sind wir zuversichtlich, dass unsere Software die Bedürfnisse im klinischen Alltag befriedigen wird.“


Einer der klinischen SPARTA-Projektpartner, die Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU) in München, setzt das Programm sogar schon zu Forschungszwecken ein, um die Vorteile bewerten zu können. „Bereits in der aktuellen Version produziert die schnelle Konturübertragung sehr gute Vorschläge für die Rekonturierung. Damit findet diese Software sicher einen Platz in der adaptiven Kopf-Hals-Strahlentherapie“, meint LMU-Arzt Reinoud Nijhuis.


„Zum Projektende im März 2016 wollen wir eine Software präsentieren, die weitgehend praxisreif ist“, sagt Stefan Kraß. „Und die aufgrund der engen klinischen Zusammenarbeit erreichte Reife der Software dürfte die Industrie motivieren, sie auf den Markt bringen zu wollen und die dafür nötige Zertifizierung anzugehen.“


Das Projekt SPARTA (Softwareplattform für die Adaptive Multimodale Radio- und Partikel-Therapie mit Autarker Erweiterbarkeit) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Es begann am 1. April 2013 und hat eine Laufzeit von drei Jahren. Das Konsortium umfasst zehn Partner, darunter Forschungsinstitute, Medizintechnik-Unternehmen und Universitätskliniken.