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Gesundheitspolitik: „Happy Go Lucky ist vorbei“

In der neuen Legislatur wird im Gesundheitswesen Schmalhans Küchenmeister. Strukturreformen oder ehrgeizige digitale Visionen? Fehlanzeige.   

Bild: © izzuan – stock.adobe.com, 1170652913, Stand.-Liz.

Wenn es um grundsätzliche Fragen geht, fragt man im deutschen Gesundheitswesen seit drei Jahrzehnten Franz Knieps, einst die rechte Hand von Ulla Schmidt im Bundesministerium für Gesundheit, derzeit Vorstand beim BKK Dachverband. Knieps hatte beim BMC Kongress wenig Erbauliches mitzuteilen. Die Party ist vorbei, kurz gesagt: „Wir hatten zwei Legislaturperioden, da war ‚Happy Go Lucky‘ die Überschrift. Jeder, der Ideen hatte, wie man das System verändern könnte, konnte die mehr oder weniger detailliert in den Koalitionsverträgen verankern.“ Anders ausgedrückt: Die Koalitionsverträge spiegelten die gesundheitspolitischen Wunschkonzerte der Wahlprogramme teils bis ins Detail wider.

 

Gesundheitspolitik 2025: Selbstbeteiligung und Zwangsrabatte?

Das werde diesmal nicht funktionieren, so Knieps, denn in den nächsten Jahren werde es primär darum gehen, die Lohnnebenkosten zu senken. „Wir steuern auf 42 Prozent zu, und es gibt zumindest in der politischen Mitte immer noch einen großen Konsens, dass jenseits der 40 Prozent Handlungsbedarf besteht.“ Daher: „Nichts, was gesundheitspolitisch in Wahlprogrammen steht, wird kommen.“

 

Insbesondere ist Knieps skeptisch, was politisch induzierte Strukturreformen angeht: „Strukturelle Veränderungen sind positiv konnotiert, aber ich sehe niemanden mit der Kraft, Anstöße zu geben.“ Statt auf die Politik hofft Knieps auf Impulse aus der Versorgung heraus, auf dem Boden des aktuellen SGB V. Dazu müsse die Politik aber zumindest keine neuen gesetzlichen Detailregelungen beschließen oder, noch besser, die Regulierungstiefe des SGB V reduzieren und den Akteuren des Gesundheitswesens auf diese Weise mehr Spielräume verschaffen.

 

Wozu die politische Energie in der neuen Legislatur angesichts der Entwicklung der Lohnnebenkosten zwangsläufig reichen werde, so Knieps, sei Kostendämpfung. Und für Kostendämpfung im Gesundheitswesen seien die einfachsten Hebel schon immer Selbstbeteiligung der Versicherten und Gewinnabschöpfung bei der Pharmaindustrie gewesen. Denkbar seien auch zwei „Superministerien“ für Gesundheit und Soziales einerseits und Wirtschaft und Arbeit andererseits. Die könnten es einfacher machen, Kostendämpfung zu exekutieren, denn dann gibt es weniger Verteilungskämpfe. Die Ampel-Koalition war in dieser Disziplin besonders gut. Dass es nicht nur nicht gelang, versicherungsfremde Leistungen aus der GKV zu tilgen, sondern, im Gegenteil, diese Leistungen sogar zunahmen, lag unter anderem daran, dass Hubertus Heil und Karl Lauterbach ihre ministerialen Eigeninteressen über das gleiche Parteibuch stellten.

 

Wahlprogramme bleiben vage  

Was steht denn nun Gesundheitspolitisches drin in den Wahlprogrammen? Clarissa Kurscheid vom Figus Institut hat sie sich genauer angesehen. Es bleibe viel im Unklaren, es dominierten Absichtserklärungen, so die Wissenschaftlerin: „Die CDU/CSU möchte was für die Pflege tun, aber es fehlt das Wie. SPD und Grüne holen nochmal die Bürgerversicherung aus der Kiste, die FDP lehnt sie kategorisch ab. Und die AfD ist auch stark im Neinsagen, ohne Alternativen zu nennen.“

 

Überschneidungen zwischen den Wahlprogrammen gebe es, aber es bleibe alles unkonkret. Regionale und sektorenübergreifende Versorgung fänden zwar alle gut. Aber Konzepte für eine Umsetzung fehlten gänzlich: „Man merkt, dass die gesundheitspolitischen Referenten relativ wenig Zeit hatten.“ Als positiven Ausreißer erwähnte Kurscheid die Volt-Partei. Sie bringe einen genossenschaftlichen Ansatz für das deutsche Gesundheitswesen in die Diskussion. Das sei zwar auch nicht neu, aber mutiger und langfristiger angelegt als das, was die anderen Parteien anböten.

 

„Digitalisierung nur Mittel zum Zweck“

Wie sehen die politischen Wünsche jener aus, die sich Strukturreformen auf die Fahnen geschrieben haben? Große Würfe erwartet man sich auch beim Bundesverband Managed Care (BMC) nicht. Maximiliane König, Leiterin Politik beim BMC, erhofft sich, dass einige Versorgungsansätze, die dem vorzeitigen Ampel-Aus zum Opfer gefallen sind, von einer neuen Regierung reanimiert werden, etwa Primärversorgungszentren und Case-Management-Ansätze.

 

Auch der Ausweitung der Kompetenzen nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe im geplanten, aber nicht mehr umgesetzten Pflegekompetenzgesetz trauert man in der Managed Care Community kräftig hinterher. Dass die zerstrittene Bundesregierung es auf den letzten Regierungsmetern noch geschafft hat, die hausärztliche Versorgung teuer zu entbudgetieren, wurde beim BMC-Kongress eher mit resignativem Kopfschütteln quittiert. Innerhalb der bestehenden Strukturen, so der Tenor, finde sich dann doch immer noch Geld.

 

In Sachen Digitalisierung ambitionslos

Von (weiteren) Digitalisierungsplänen für das Gesundheitswesen war beim BMC-Kongress so gut wie gar nichts zu hören und ist in den Wahlprogramm wenig zu lesen. „Digitalisierung ist nur ein Mittel zum Zweck“, sagte die FDP-Bundestagsabgeordnete Kristine Lütke ambitionslos. Sie erklärte dann noch, dass Telepharmazie nur dann unterstützt werden dürfe, wenn sichergestellt sei, dass die Apotheken und die mittelständisch-freiberufliche Struktur der Apothekenlandschaft erhalten blieben. Ehrgeiz klingt anders und digitale Visionen auch.

 

Ganz ohne Digitalisierung wird ein neuer Gesundheitsminister oder eine neue Gesundheitsministerin aber nicht über die Runden kommen, Wahlprogramme hin oder her. Die Umsetzung des European Health Data Space erfordert weiter Gesetze, die auf die Nutzung von Gesundheitsdaten und die Etablierung einer Forschungsinfrastruktur im Gesundheitswesen abzielen. Und auch seitens des Gemeinsamen Bundesausschusses kommt Druck, in Sachen indikationsspezifischer Register voranzukommen. Das hängt mit dem Thema Forschungsinfrastruktur eng zusammen. Vielleicht entsteht hier dann doch noch so etwas wie ein größerer Wurf.