Telemedizin kann die Therapietreue und Lebensqualität von Patient:innen mit Herzschwäche verbessern. Das zeigt das Innovationsfondsprojekt sekTOR-HF, das durch den Gemeinsamen Bundesausschuss gefördert wird. In der Region Marburg werden Menschen mit Herzinsuffizienz zwölf Monate lang mit digitaler Unterstützung von Fach- und Hausarztpraxen vor Ort, aber auch durch das Universitätsklinikum Marburg engmaschig medizinisch begleitet. In einer ersten Befragung ziehen alle am Projekt Beteiligten ein positives Zwischenfazit: Demnach stärkt die digitale Kommunikation die Gesundheitskompetenz der Patient:innen und verbessert deren medizinische Versorgung. Parallel zum Raum Marburg wird das Konzept in Bad Neustadt a. d. Saale (Nordbayern) am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt sowie mit in der Region niedergelassenen Haus- und Facharztpraxen erprobt.
eHealth-Portal hat sich bewährt
Als zentrales Element des Versorgungsprojekts hat sich ein eHealth-Portal bewährt. Darin sind für die behandelnden Haus- und Fachärzt:innen sämtliche relevanten Patientendaten aus vorhergehenden ambulanten oder stationären Behandlungen einsehbar. Zudem tragen die Patient:innen im Portal bequem von zu Hause ihre tagesaktuellen Gesundheitsdaten ein, beispielsweise Blutdruck, Körpertemperatur oder Körpergewicht sowie weitere Angaben zum aktuellen Gesundheitszustand. Die Vitalwerte werden über das eHealth-Portal von den medizinischen Mitarbeitenden einer Netzwerkstelle beobachtet und überwacht. Verändern sie sich in einem kritischen Bereich, bindet das dortige Team umgehend die behandelnden Ärzt:innen ein, so dass die Therapie zügig angepasst werden kann.
Mehr Sicherheit für Patient:innen
„Durch das laufende Monitoring der Eingaben können wir Verschlechterungen des Gesundheitszustands sofort erkennen oder sogar ganz vermeiden. Das trägt erheblich dazu bei, dass diese Patient:innen seltener die Notaufnahme aufsuchen oder ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen“, sagt Professor Bernhard Schieffer, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Marburg. „Die Patient:innen fühlen sich durch die kontinuierliche Erfassung ihrer aktuellen Daten insgesamt sicherer im Umgang mit ihrer Erkrankung. Sowohl eine Bestätigung, dass alle Werte in Ordnung waren, als auch eine frühzeitige Warnung über eine Abweichung sorgten für Sicherheit und steigerte Compliance und Therapietreue“, betont Professor Kerber, Ärztlicher Direktor und Chefarzt des Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt.
Informierte, kompetente Patient:innen
Die Befragung zeigt auch, dass die Patient:innen durch das gewissenhafte Erheben ihrer Messwerte mit dem Krankheitsbild der Herzinsuffizienz richtig umzugehen und ihren Körper besser einzuschätzen lernen. Viele haben beispielsweise erst durch ihre kontinuierliche Mitarbeit den Zusammenhang zwischen der regelmäßigen Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten und den anschließend positiven Körperwerten erkannt und verstanden. „Es ist sehr erfreulich, dass die Patient:innen eine höhere Motivation im Umgang mit ihrer Erkrankung und auch ein größeres Interesse entwickelt haben, ihren Gesundheitszustand aktiv zu verbessern. Das unterstreicht, wie informierte, kompetente Patient:innen selbst ihre Therapieerfolge positiv beeinflussen können. Dieses Patient:innen-Empowerment wird durch die digitalen Lösungen maßgeblich unterstützt“, sagt Dr. Barbara Voß, Leiterin der TK-Landesvertretung in Hessen.
Als wichtiges Kriterium ihrer Zufriedenheit haben die Nutzer:innen den einfachen und niedrigschwelligen Aufbau der telemedizinischen Plattform genannt. Deren Bedienung wird als selbsterklärend und leicht wahrgenommen. Positiv registrierten sie auch, dass neben den behandelnden Ärzt:innen zudem auch Familie und weitere Angehörige auf die Patientenakte der Plattform zugreifen können. Dies fördere den intensiven Austausch über die Erkrankung und die individuelle Situation der Betroffenen.
Besondere Versorgung bei Herzinsuffizienz
Die Herzinsuffizienz zählt zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Allein in Hessen leiden schätzungsweise rund 30.000 Menschen daran; bundesweit sind es jedes Jahr rund 465.000 Fälle. Keine andere Erkrankung führt so häufig zu einem Krankenhausaufenthalt. TK-versicherte Patient:innen, die am Innovationsfondsprojekt teilnehmen, werden in Hessen sowohl von Fach- und Hausarztpraxen der Ärztegenossenschaft PriMa e.G. als auch durch das Universitätsklinikum Marburg betreut. In Nordbayern wird das Projekt in Bad Neustadt a. d. Saale am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt sowie mit dort niedergelassenen Haus- und Facharztpraxen erprobt. Die wissenschaftliche Auswertung des Innovationsfondsprojekts soll bis 31. Mai 2024 abgeschlossen sein.
Projektpartner:innen
Konsortialpartner:innen des Innovationsfondsprojekts „sekTOR-HF“ sind unter anderem die Rhön-Klinikum AG, das Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, das PriMa e.G.-Ärztenetz, in dem sich niedergelassene Ärzt:innen im Landkreis Marburg-Biedenkopf zusammengeschlossen haben, der Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt sowie die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns. Neben der Techniker Krankenkasse sind auch die AOK Bayern, die AOK Hessen und die DAK-Gesundheit beteiligt. Die Abkürzung „sekTOR HF“ steht für Transsektorale bedarfsorientierte Versorgung von Patient:innen mit Herzinsuffizienz und Entwicklung eines alternativen Vergütungsmodells.
Befragung
In Expert:inneninterviews und Fokusgruppendiskussionen im Rahmen einer universitären Abschlussarbeit wurden ausgewählte Projekt-Beteiligte zu ihrer Zufriedenheit und Akzeptanz mit der digitalen Plattform befragt. Darüber hinaus war es ein Ziel der Arbeit, in Erfahrung zu bringen, welche Auswirkungen die aktive Beteiligung der Patient:innen auf die Kommunikation mit dem beteiligten medizinischen Personal hat und wie dadurch ihre Kompetenzen gestärkt werden.
Weitere Informationen
Ärztegenossenschaft PriMa: https://www.prima-eg.de/
Innovationsfondsprojekt sekTOR HF: https://www.sektor-hf.de/
Quelle: TK