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Highspeed-Konnektoren auf der Überholspur

Hardwarelose Konnektoren nähern sich dem deutschen Gesundheitswesen mit Überschall: Im Sommer könnten die ersten zertifizierten Produkte zur Verfügung stehen. Sie eröffnen ganz neue Möglichkeiten.

Bild: © eHealth Experts GmbH

Über Highspeed-Konnektoren wird im Kontext der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens schon lange gesprochen, bisher vor allem im Zusammenhang mit der Anbindung der Krankenhäuser. Tatsächlich blieben sie aber jahrelang ein Wunschtraum: Hersteller entwickelten keine Produkte, und die Krankenhäuser setzten stattdessen auf Rechenzentrumskonnektoren, die nach dem Prinzip des Konnektor-Farmings arbeiten, bei dem Hardware-Konnektoren in großer Zahl in einem Rechenzentrum gebündelt und mit einer Software verschaltet werden.

 

Mit den Diskussionen über die so genannte Telematikinfrastruktur (TI) 2.0 hat das Thema Hardware-freier Highspeed-Konnektor seit einiger Zeit erheblich an Aktualität gewonnen. Eine entsprechende Spezifikation gibt es seit Sommer 2022. Grundlage dafür war unter anderem eine Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), im Rahmen derer ein neues Verfahren entwickelt wurde, bei dem die Spezifikation auch die Anforderungen an das Rechenzentrum festlegt. Als Folge davon benötigt derjenige, der das Rechenzentrum betreibt, auch eine Zulassung als Anbieter eines Highspeed-Konnektors – mit allen rechtlichen Konsequenzen, die das hat.

 

Ziel: Den Anwender:innen die TI vom Hals halten

Nägel mit Köpfen macht jetzt das Unternehmen eHealth Experts (ehex): Es hat auf Basis der neuen gematik-Spezifikation den Highspeed-Konnektor „Infinity“ entwickelt, der im Laufe des Frühjahrs den Zertifizierungsprozess bei der gematik durchlaufen soll: „Wir haben diese Woche das Produktmuster bei der gematik eingereicht und gehen davon aus, dass wir im Sommer ein zertifiziertes Produkt anbieten können“, sagte ehex-Geschäftsführer Frédéric Naujokat im Gespräch mit E-HEALTH-COM.

 

Der Clou an der ehex Lösung ist, dass nicht einfach die existierende Konnektor-Software im Rechenzentrum installiert wird. „Das hätten wir machen können, aber dann hätten nur etwa 50 bis 100 Konnektoren auf einen Server gepasst“, so Naujokat. Die Berliner haben sich stattdessen dazu entschieden, eine leistungsfähige, neue Software-Generation zu entwickeln, bei der ein einziger Highspeed-Konnektor bei Nutzung von Standard-Servern bis zu 2000 konventionelle Konnektoren ersetzen kann.

 

Das habe eine ganze Reihe von Vorteilen, betonte Naujokat. Zum einen profitiere die Umwelt, weil – anders als bei den bisherigen Rechenzentrumskonnektoren in Hardware-Farming-Modellen – in großem Maßstab Hardware eingespart werde. Zum anderen profitierten die Anwender:innen, für die der Zugang zur TI deutlich einfacher werde: „Arztpraxen oder Apotheken brauchen keine Box und keinen Zugangsdienst mehr, und sie müssen sich nach der Installation über sämtliche mit den Konnektoren zusammenhängende Service-Leistungen keinerlei Gedanken mehr machen. Keine Wartungen vor Ort, keine Updates in den Praxen. Das passiert alles bei uns. Die Idee ist, den Anwender:innen die TI vom Hals zu halten. Sie sollen mit der Technik möglichst wenig zu tun haben.“

 

Neue TI-Nutzungskonzepte werden möglich

Ein dritter Vorteil des virtualisierten Konnektors besteht darin, dass er der TI neue Nutzungshorizonte öffnet. Naujokat nannte im Gespräch mit E-HEALTH-COM insbesondere mobile Anwendungen, die radikal vereinfacht würden. Entsprechende Einwilligungssituationen vorausgesetzt könne der Highspeed-Konnektor in Verbindung mit zum Beispiel einer virtualisierten SMC-B, also dem „Ausweis“ der medizinischen Einrichtung, mobile ePA-Zugriffe ermöglichen, in Verbindung mit digitalen Leistungserbringeridentitäten und passenden Signaturdiensten auch mobile eRezepte. Gerade auch die neuen, bisher nicht berücksichtigten Nutzergruppen der TI werden von derartigen Szenarien profitieren, ist Naujokat überzeugt. Wie das konkret aussehen kann, hat ehex in Kooperation mit dem Partner slis und einem Hebammen-Software-Hersteller bereits pilotiert: „Bei diesem Modell brauchen die Hebammen nicht mehr als einen Tablet-PC und eine VPN-Verbindung, um mobil über die TI zu kommunizieren“, so Naujokat.

 

Was die Vermarktung angeht, zielt ehex – wie bei seinen anderen Angeboten – nicht direkt auf die Endanwender:innen, sondern arbeitet mit einem B2B-Modell, bei dem Partnerunternehmen den TI-Zugang per Highspeed-Konnektor selbständig anbieten und vermarkten. Diese Partnerunternehmen sind zum einen Primärsystemhersteller der unterschiedlichen Leistungserbringergruppen, zum anderen Abrechnungsdienstleister, die bei einigen Berufsgruppen als IT-Anbieter einen hohen Stellenwert haben.

 

“TI as a Service” wird Realität

Letztlich entsteht auf diese Weise eine neue Produktkategorie, nämlich TI-as-a-Service. Hierbei werden keine einzelnen, spezifizierten Produkte mehr vertrieben, sondern ein Paket als Service. Dies ermöglicht in der Softwarewelt übliche, neue Lizenzmodelle mit monatlichen Gebühren, was sich dann natürlich auch in den Finanzierungsvereinbarungen abbilden müsste. Mit der Spezifikation des TI-Gateways, die kurz vor der Veröffentlichung steht, wird es in jedem Fall eine Alternative zu den bisherigen Konnektor-as-a-Service Angeboten geben, die noch auf den Hardware-Konnektoren basieren. Das könnte die Akzeptanz der Anwender:innen für Service-Modelle im TI-Umfeld steigern.

 

Dass sich virtualisierte Konnektoren auch sehr gut mit chipkartenlosen, digitalen Identitäten vertragen, versteht sich von selbst. Die Virtualisierung der SMC-B dürfte mit dem Blick auf mobile Szenarien für viele Einrichtungen interessant werden. Aber auch digitale Identitäten der Versicherten werden attraktiver, wenn für den TI-Zugang keine Hardware mehr erforderlich ist. Hier blicken derzeit viele mit Spannung auf die Projekte der Privaten Krankenversicherung (PKV), die ab Mitte 2023 digitale Versicherten-Identitäten einführen und einen kartelosen TI-Zugang realisieren will.