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Forschung |

Hirnschlag mit künstlicher Intelligenz wirksamer behandeln

Ein Forschungsteam des Inselspitals, Universitätsspital Bern, der Universität Bern und des «Centre hospitalier universitaire vaudois» (CHUV) setzt künstliche Intelligenz ein, um nach einem Hirnschlag schneller zielgerichtet handeln zu können. Das Projekt «Advanced Stroke Analysis Platform» (ASAP) arbeitet mit Verbundlernen, d.h. die Datenbanken beider Spitalzentren werden «föderativ» verbunden. Das Projekt wird von Innosuisse gefördert.

Hirn-Perfusionskarte; Oben mit Convolutional Neural Network (CNN) und unten mit der klassischen Methode eines Patienten mit akutem Hirnschlag. Bild: Insel Gruppe

Die wichtigsten Anwendungsbereiche der künstlichen Intelligenz (KI) liegen derzeit in der Interpretation von Bild- und Analysedaten zur Unterstützung der Diagnose- und Prognosestellung. Eine wichtige Hürde stellt die begrenzt verfügbare Datenmenge für das Training der Algorithmen dar. Oft sind nur ungenügende Datenmengen aus einzelnen Zentren vorhanden, die nicht übertragbar sind, oder Probleme der Anonymisierung verhindern den wirksamen Einsatz von KI.


Verbundlernen (Federated Learning): ein Durchbruch für die KI in der Medizin

Die neue Technologie arbeitet mit Verbundlernen. Dabei findet das Training der KI-Algorithmen im Verbund unterschiedlicher Datenbanken «föderativ» an dezentralen Standorten, in separaten Geräten und auf unterschiedlichen Plattformen statt. Die Forschungsgruppe des SCAN (Support Center for Advanced Neuroimaging) um Prof. Roland Wiest am Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie Inselspital, Universitätsspital Bern und Jonas Richiardi, CHUV, Lausanne wird eine neue Methodik entwickeln, um die Datenheterogenität zu bewältigen und die Datensicherheit beim Verbundlernen zu gewährleisten. Der Ansatz funktioniert stark vereinfacht dargestellt so, dass ein grosser Teil der Erfassung und Auswertung dezentral geführt wird und nur vorbearbeitete, anonymisierte und normalisierte Daten zentral für den Lernprozess verwertet werden. Der Berner Computeringenieur und KI-Experte Richard McKinley erklärt die Methodik so: «Bisherige Ansätze basieren auf einem zentralisierten Zugriff auf die Daten. Neu schlagen wir vor, die Zuordnung zwischen Standorten mithilfe der Bildübersetzung mit verteilten generativen kontradiktorischen Netzwerken (Generative Adversarial Network, GAN) zu lernen. Die Rohdaten werden so weder vom Server noch von den anderen Standorten gesehen.»



Pilotprojekt Advanced Stroke Analysis Platform (ASAP)
ASAP ist das Pilotprojekt in der realen, klinischen Umgebung in einer Kooperation des Inselspitals, Universitätsspital Bern, der Universität Bern und des CHUV in Lausanne mit dem Implementationspartner Siemens Healthineers Schweiz. Bisher existierte keine klinisch etablierte KI-Anwendung zur Prognosestellung für Strokepatientinnen und -patienten. Prognosen wurden in der Praxis aufgrund relativ ungenauer Daten auf der Basis sogenannter Volumendiffusions- bzw. Perfusionskarten erstellt. Deren Ungenauigkeit ergibt sich aus dem sehr hohen Zeitdruck bei Stroke und aus der Fehleranfälligkeit automatisierter Bildinterpretationsmethoden. Die Bestrebung im Projekt ASAP geht nun dahin, Prognosen direkt mittels KI, die auf MRT-Bildern trainiert wurde, zu erstellen. Dazu müssen genügend Daten aus der Akutphase wie auch aus mittel- und langfristigen Ergebnissen vorhanden sein. Prof. Roland Wiest und Richard McKinley erklären: «Wir schlagen vor, Deep-Learning-Modelle zu erstellen, die das Bildgebungsergebnis, also das endgültige Ausmass der Läsion und das klinische Ergebnis (mRS-Score) eines Patienten nach einem akuten Schlaganfall unter Verwendung von Verbundlernen vorhersagen. Insbesondere werden unsere Modelle alle verfügbaren Bildgebungsverfahren nutzen und präzise klinische Zeitpunkte umfassen, die routinemässig aufgezeichnet werden. So soll die Abschätzung der Prognose und die Erholung nach einem Schlaganfall dramatisch verbessert werden.» Das Projekt ASAP wird im 1. Quartal 2021 gestartet. Resultate sind per Ende 2023 zu erwarten. Der Implementationspartner dieses Projektes ist Siemens Healthineers Schweiz mit dem MRI-Innovationshub an der EPFL in Lausanne. Das Projekt wird finanziell unterstützt durch Innosuisse, der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung.



Berner Beitrag zu KI in Medizin
Die Verwendung von Verbundlernen in der Medizin ist nicht auf Herz-Gefässerkrankungen beschränkt. In der Neurologie, zum Beispiel bei der komplexen Diagnose von Covid-19 induzierten Komplikationen des Gehirns, oder in der Onkologie öffnen sich weite Felder für die Methodik und ihre Weiterentwicklung.
Der Medizinalstandort Bern bietet für die Entwicklung und Anwendung des Verbundlernens ein ideales Umfeld. Zum einen kann sich die Forschung in der Insel Gruppe auf ein grosses Zentrum abstützen, an dem höchste Fachkompetenz abrufbar ist und wo die personelle Vernetzung mit führenden Zentren weltweit bereits eingespielt ist. Zudem wird die KI-Forschung durch das neu gegründete Center for Artificial Intelligence in Medicine (CAIM) gestärkt, das offiziell am 19. März 2021 eröffnet wird.

 

Quelle: Universitätsspital Bern