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MedTech |

„In den Daten liegt die Innovationskraft“

Druck auf den letzten Metern: Beim PDSG fordern Verbände, Unternehmen und Teile der Politik Nachbesserungen in Sachen Datennutzung.

Quelle: © Production Perig – stock.adobe.com

Das Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) durchläuft gerade die letzten Schleifen im Deutschen Bundestag. Am 27. Mai war die parlamentarische Anhörung, und schon im Vorfeld hatte sich angedeutet, dass das Thema Datennutzung einer der großen Streitpunkte werden würde. Die acht Verbände der eHealth-Allianz, darunter bvitg, BVMed, bitkom, ZVEI und vfa, veröffentlichten zur Anhörung ein gemeinsames Positionspapier, in dem die im PDSG angelegte Möglichkeit einer freiwilligen Datenfreigabe für Forschungszwecke im Kontext der elektronischen Patientenakte ausdrücklich begrüßt wird. Damit werde Bürgerinnen und Bürgern künftig die Möglichkeit eröffnet, einen freiwilligen Beitrag zur Erforschung von Krankheiten zu leisten.

 

Kritisiert wird allerdings, dass private Unternehmen keinen Zugang zu Forschungsdaten haben sollen. Dies gilt nicht nur für die auf Datenspenden basierende Forschung mit ePA-Daten, sondern auch für die Forschung mit Abrechnungsdaten, deren Details in dem gerade vorgelegten Entwurf der Datentransparenzverordnung geregelt werden. „Das großer Problem ist der §303e SGB V“, betonte Natalie Gladkov, Referentin Digital Medizinprodukte beim BVMed, im Gespräch mit E-HEALTH-COM. „Da bleibt die Industrie, so wie der Kabinettsentwurf formuliert ist, komplett außen vor. Das ist schon ein Problem, wenn andererseits immer wieder gesagt wird, Daten seien der wichtigste Rohstoff. Es gab auch praktisch keine Möglichkeiten im Rahmen des parlamentarischen Anhörungsverfahrens für einzelne Hersteller, sich dazu zu äußern. Wir müssen das Thema aber unbedingt diskutieren, denn in den Daten liegen auch die Fortentwicklung und die Innovationskraft der Produkte.“

 

Wo Medizinproduktehersteller von besserem Datenzugang profitieren würden

Ein ganz aktuelles und konkretes Beispiel für die Datenzugangsproblematik sieht Natalie Gladkob beim Thema App auf Rezept, genauer gesagt beim Fast Track Prozess für eine Nutzenwertung und eine Listung auf der BfArM-Liste erstattungsfähiger digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA): „Wenn DiGA-Hersteller für eine Nutzenbewertung retrospektive Studien machen sollen, dann sollten sie Zugang zu Versorgungsdatensätzen hätten, die ja gewissermaßen den Status quo abbilden. Da fehlt die Konsistenz in der Gesetzgebung. Es kann doch nicht sein, dass jedes Mal ein Forschungsinstitut einbezogen werden muss.“

 

Um die Sache etwas anschaulicher zu machen, hat der BVMed jetzt ein Positionspapier zur Datennutzung zusammengestellt, dem weitere Beispiele für Situationen entnommen werden können, in denen ein Datenzugang für Unternehmen nutzenbringend wäre. Genannt werden unter anderem digitale Medizinprodukte in Dermatologie, Pathologie, Kardiologie, Ophthalmologie und Innerer Medizin, die mit Maschinenlernalgorithmen arbeiten. Hier ist der Zugang zu großen, validierten Datensätzen in China oder Nordamerika sehr viel einfacher zu realisieren als in Europa.

 

Versorgungsdaten würden von den Unternehmen auch für die Ausgestaltung von Behandlungs- und Beschaffungsprozessen benötigt, Stichwort Lieferengpässe, so der BVMed. Ein anderes Beispiel sind Implantate in der Endoprothetik, wo es um die Weiterentwicklung neuer, innovativer Produkte geht. Hier wären sechs- bis zwölfmonatige klinische Outcome-Daten zu Komplikationen, Revisionen und Grund der Revisionen sowie Patient-Reported-Outcomes zu Beweglichkeit, Lebensqualität und Schmerzen hilfreich. Ganz ähnlich sieht es in der OP-Robotik aus: „Auch hier bräuchten die Hersteller die klinischen Verlaufsdaten, die Patient Journey, um nachweisen zu können, dass die Ergebnisse bei Einsatz der Robotertechnologie besser sind. Das lässt sich mit konventionellen klinischen Studien nur sehr begrenzt machen“, so Gladkov.

 

CDU/CSU-Politiker rebellieren

Bei der PDSG-Anhörung am Mittwochnachmittag haben die Verbände ihre Position im Hinblick auf den Zugang zu Forschungsdaten den Parlamentariern noch einmal erläutert. Die Parlamentarier sind sich aber auch selbst alles andere als einig in diesem Punkt. So zirkulierte in Berlin im Vorfeld der PDSG-Anhörung ein Positionspapier der AG Gesundheit der Unionsfraktion. Es plädiert dafür, dass auch Industrieunternehmen ein Antragsrecht beim Forschungsdatenzentrum bekommen sollen.

 

Die Formulierung ist so gewählt, dass dieses Antragsrecht als eine „Perspektive“ verstanden werden kann. Der Blick geht also über das PDSG hinaus. Dass der Deutsche Bundestag hier auf den letzten Metern noch eine potenziell kontroverse Änderung einführt, nachdem das ganze Thema Forschungsdaten schon bei der Verabschiedung des Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) Ende 2019 enorme Unruhe produziert hatte, gilt vielen Beobachtern als unwahrscheinlich. In jedem Fall sei es an der Realität eines Wissenschafts- und Forschungsstandorts vorbeigedacht, wenn die industrielle Gesundheitswirtschaft dauerhaft vor der Tür bleibe, so die Unionspolitiker.