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Medizin |

Industrie fordert Gleichstellung digitaler Arztbesuche

© agenturfotografin

Keine Diskriminierung der digitalen Versorgung: Das fordert der IT-Verband BITKOM. Profitieren soll davon nicht zuletzt die Pflege, bei der sich die Bundesbürger mehr Digitalisierung wünschen.

 

Telemedizinische Arztkontakte sind in Deutschland mittlerweile in vielen Ärztekammerbezirken weitgehend uneingeschränkt möglich. Was fehlt, ist eine gute Erstattungspolitik. Für Videosprechstunden in der Nachsorge können bei eng umschriebenen Indikationen minimale Euro-Beträge abgerechnet werden. Das kann für Arztpraxen in einzelnen Fällen medizinisch und finanziell Sinn machen. Eine reguläre Quartalspauschale kann bisher aber nicht ausgelöst werden, bei Folgekontakten nicht und schon gar nicht bei Erstkontakten.

 

Telekonsultationen aufwerten: Schweden und Frankreich zeigen, wie es geht

Vor diesem Hintergrund fordert der IT-Verband BITKOM jetzt in einem neuen Positionspapier, dass digitale Arztbesuche mit der Versorgung vor Ort hinsichtlich Leistungsumfang und Vergütung gleichgestellt werden. Eine Konsultation eines Arztes solle grundsätzlich sowohl vor Ort als auch über digitale Wege möglich und für den Arzt in gleichem Umfang abrechenbar sein, so der Verband. Der Leistungserbringer soll dabei gemeinsam mit dem Patienten über Art bzw. Ort der Leistungserbringung entscheiden.

 

Völlig revolutionär ist diese Idee nicht, wie BITKOM Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder in einer telefonischen Pressekonferenz erläuterte: „Dass eine Gleichstellung bei der Vergütung funktionieren kann, hat Schweden vorgemacht. Wir sollten das in Deutschland auch so handhaben und nicht länger warten.“ In Schweden begann eine Gleichstellung von digitalen und realen Konsultationen Anfang 2018 in der Region Stockholm. Mittlerweile beteiligen sich weitere Regionen an diesem Projekt. Es gab und gibt Kritik seitens der Ärzte, die sich aber weniger auf die digitale Konsultation an sich als auf den Zugang der Ärzte zu den entsprechenden Plattformen bezieht. Als zweites Beispiel nannte Rohleder Frankreich, wo Telekonsultationen und physische Konsultationen seit 15. September 2019 vergütungstechnisch gleichgestellt sind. Das betrifft bisher aber nur den Kostenträger CNAM, der rund ein Drittel der französischen Versicherten abdeckt.

 

Spahn: Pflegeheime sollen digitale Förderung erhalten

Die Schwierigkeiten, Telekonsultationen in Deutschland adäquat abzurechnen, sind nicht zuletzt bei der Betreuung von Patienten in Pflegeheimen ein echtes Ärgernis. Ob es hier kurzfristig zu Verbesserungen kommt, ist zumindest zweifelhaft. Immerhin: Im Rahmen des Pflegepersonal Stärkungsgesetzes will das Bundesgesundheitsministerium einen neuen Absatz 8 in den §8 SGB XI einfügen, der Pflegeheime berechtigt, in den Jahren 2019 bis 2021 einmalig eine Förderpauschale für digitale Anwendungen, unter anderem im Bereich Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegeeinrichtungen, in Anspruch zu nehmen. Gefördert werden sollen 40 Prozent der entstehenden Kosten, maximal 12000 Euro pro Einrichtung. Das sind freilich nur Investivmittel.

 

Wie die deutsche Bevölkerung ganz allgemein zu einer zunehmenden Digitalisierung der Pflege steht, hat der BITKOM Verband in einer repräsentativen Umfrage ermittelt, für die mehr als 1000 Bundesbürger über 14 Jahren befragt wurden, ein Drittel davon mit eigenen Angehörigen in einem Pflegeheim. Insgesamt erhält die Pflege in Deutschland ein schlechtes Gesamtzeugnis: 42 Prozent geben die Note mangelhaft oder ungenügend, nur 14 Prozent bewerten mit sehr gut oder gut. 92 Prozent sagen, dass das Pflegepersonal hoch oder sehr hoch belastet sei, kein einziger Befragter schätze die Belastung als niedrig oder sehr niedrig ein.

 

Bundesbürger erwarten Verbesserungen bei der Pflege durch digitale Anwendungen

Was die Digitalisierung angeht, würden sich zwei von drei Befragten auf jeden Fall oder eher mit Hilfe digitaler Anwendungen zuhause betreuen lassen als in ein Pflegeheim zu gehen. Mehr digitale Anwendungen in der Pflege halten 53 Prozent für geboten. 76 Prozent denken, dass digitale Anwendungen länger ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen, 72 Prozent gehen davon aus, dass mehr Zeit für die eigentliche Pflege bleibt und 69 Prozent erwarten sich mehr Sicherheit im Alltag.

 

Es gibt aber durchaus auch skeptische Stimmen. Rund die Hälfte fürchtet, dass die Isolation der Pflegebedürftigen durch digitale Anwendungen steigt, knapp sechs von zehn haben Bedenken in Sachen Datenschutz und Datensicherheit. Und eine zumindest teilweise robotische Pflege können sich 34 Prozent überhaupt nicht und 23 Prozent eher nicht vorstellen. Nur 17 Prozent haben damit gar keine Probleme.

 

BITKOM-Positionspapier zu Telekonsultationen https://www.bitkom.org/noindex/Publikationen/2018/Positionspapiere/181022-Gleichstellung-Telemedizin/20181022-Positionspapier-Gleichstellung-Telemedizin-final.pdf

 

Philipp Grätzel