E-HEALTH-COM ist das unabhängige Fachmagazin für Gesundheitstelematik, vernetzte Medizintechnik , Telemedizin und Health-IT für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Mehr

Für das ePaper anmelden

Geben Sie Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden

Anmelden

Passwort vergessen?

Health-IT |

„IT-Unterstützung in Krankenhäusern bleibt ein Flickenteppich“

Wie ist es um die IT-Unterstützung der klinischen Prozesse in deutschen Krankenhäusern bestellt? Noch mäßig, urteilen die Nutzer. Trotzdem werden Nutzenpotenziale gesehen.

Quelle: mb-checkit.de

An systematischen, breit aufsetzenden Erhebungen zum Reifegrad der Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern aus der Perspektive der klinischen Anwender mangelte es bisher. Das hat unter anderem die Ärztegewerkschaft Marburger Bund gestört, die sich deswegen mit dem Bundesverband Gesundheits-IT zusammengetan hat und im Mai 2019 das neue Analyse-Tool Check IT aus der Taufe gehoben hat, das aus radikaler Nutzerperspektive auf die Krankenhaus-IT in Deutschland blickt.


Nebeneinander von analogen und digitalen Prozessen ist die Regel

Die Check IT Anwendung besteht aus einer strukturierten Checkliste, die online für klinisch tätige Krankenhausmitarbeiter zugänglich ist und die die Prozessunterstützung zu derzeit 88 Einzelprozessen erfasst, die sich in vier Hauptprozesse und zwölf Subprozesse gliedern. „Obwohl die Erfassung etwas Zeit beansprucht, haben bis Ende September schon mehr als 200 Krankenhausärzte Check IT genutzt“, berichtet PD Dr. Peter Bobbert, Bundesvorstandsmitglied des Marburger Bunds. „Damit hat das neue Tool in wenigen Monaten mehr Resonanz erfahren, als wir erwartet hatten. Durch die vielen Rückmeldungen konnten wir das Tool weiter optimieren und am 8. November die neueste, stark verbesserte Version freischalten.“

 

Die Check IT Anwendung wurde aber nicht nur weiterentwickelt, es wurde auch schon eine erste Zwischenauswertung erstellt, deren Ergebnisse jetzt vorliegen. „Die Bilanz fällt insgesamt alles andere als beeindruckend aus“, sagt MB-Vorstand Bobbert. „Im Gesamtergebnis werden klinische Prozesse nur teilweise und lückenhaft durch IT unterstützt. Wir reden in Deutschland in weiten Teilen von einem Flickenteppich, bei dem analoge und digitale Prozesse nebeneinander existieren und bei dem Anwendungen dominieren, denen oft entscheidende Funktionalitäten zur vollständigen Prozessunterstützung fehlen.“

 

Trotz großer Lücken werden Nutzenpotenziale erschlossen

Die lückenhafte Versorgung gilt selbst für Basistechnologien. So berichten nur 26 Prozent der Umfrageteilnehmer von einer weitgehenden oder vollständigen WLAN-Verfügbarkeit. Und nur 16 Prozent sagen, dass mobile Endgeräte zur Verfügung stehen. Insgesamt werden die digitalen Arbeitsmittel häufig als veraltet wahrgenommen, in Sachen Nutzerfreundlichkeit kommen viele Anwendungen nicht gut weg und auch die unzureichende sektorenübergreifende Vernetzung wird im Alltag als großes Hindernis wahrgenommen.

 

„Vor diesem Hintergrund ist es umso erfreulicher, dass trotzdem viele Umfrageteilnehmer insbesondere bei Dokumentationsaufgaben schon jetzt eine Nutzenentfaltung durch digitale Anwendungen erkennen“, betont Bobbert. Dies betrifft unter anderem eine höhere Dokumentationsqualität, bessere Verfügbarkeit klinischer Informationen, das Verfolgen des Status von Aufträgen und Verordnungen sowie höhere Patientensicherheit. Die punktuell positive Nutzeneinschätzung zeige, dass der Weg der Digitalisierung der klinischen Prozesse richtig ist: „Wenn es uns gelingt, die klinischen Prozesse noch konsequenter als bisher zu digitalisieren, dann dürfte der wahrgenommene Nutzen auch weiter zunehmen.“ 

 

Durchschnittlicher IT-Reifegrad bei 48 Prozent

Auch Uwe Buddrus von der IT-Beratung HIT.net, die für die Umsetzung von Check IT zuständig ist, zeigte sich gegenüber E-HEALTH-COM überrascht, dass Klinikärzte dem IT-Einsatz trotz der vielen Lücken insgesamt sehr positiv gegenüberstehen: „Ich hätte erwartet, dass die tatsächliche Nutzenerschließung wegen der sehr unvollständigen Prozesse von den Ärzten niedriger bewertet wird.“ Den über alle Prozesse gemittelten, digitalen Reifegrad der teilnehmenden Krankenhäuser von 48 Prozent bewertet Buddrus als deutlich verbesserungsfähig. Er weist auch darauf hin, dass die bisherigen Daten nicht repräsentativ seien, da Häuser mit bis zu 200 Betten unterrepräsentiert seien: „Der tatsächliche durchschnittliche IT-Reifegrad in deutschen Krankenhäusern dürfte deswegen eher noch etwas geringer sein.“

 

Buddrus gehört in Europa zu den erfahrensten Experten für das Thema digitale Reifebewertung im Krankenhauskontext. Er war jahrelang zuständig für die Bewertungen nach dem EMRAM-Modell der US-Organisation HIMSS. Von diesem Modell grenze sich Check IT nicht zuletzt dadurch ab, dass es streng prozessorientiert sei und nicht auf installierte Systeme abziele. „Wir fragen ganz gewusst die klinischen Anwender, und nicht primär die IT-Leiter. Im Rahmen der Dateneingabe haben anwendende Ärzte aber die Möglichkeit, weitere Kollegen, auch IT-Kollegen, für Teilbereiche hinzuzuziehen“, so Buddrus.

 

Technisch kommt für Check IT ein auf Servern beim Marburger Bund gehostetes Online-Tool zum Einsatz, das kostenlos zugänglich ist. Es wurde von Meisterworks unter Einbindung führender Open-Source-Lösungen realisiert. Die Plattform wird auch vom britischen NHS für die Bewertung des digitalen Reifegrads von Krankenhäusern genutzt. Wenn der Nutzer es möchte, können die Eingaben anonym erfolgen. Unmittelbar nach dem Abschluss der Dateneingabe erhält der Nutzer statistische Auswertungen, zusammenfassende Diagramme und Charts, filterbare Datentabellen und Benchmarking-Ergebnisse online zur Verfügung gestellt.