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KI und Psychiatrie: Tiefer Blick in die Seele

Warnung per Algorithmus? Forscher*innen lassen künstliche Intelligenz auf den Menschen los und entwickeln Warnsysteme für psychische Störungen.

Bild: © zapp2phot – stock.adobe.com

Maschinenlernalgorithmen sind bekanntlich gut darin, wiederkehrende Muster zu erkennen. Das gilt für radiologische Bilddaten. Aber zunehmend wird klar, dass auch das menschliche Verhalten Muster aufweisen kann, die einen Algorithmus stutzig werden lassen können. Eine neue Forschungsarbeit beschreibt jetzt einen Ansatz, bei dem Maschinenlernalgorithmen eingesetzt werden können, um Menschen mit psychischen Störungen auf Basis ihres Social Media Verhaltens zu identifizieren.

 

Forschende um Michael Birnbaum vom Zucker Hillside Hospital im US-Bundesstaat New York berichten in der Fachzeitschrift npj Schizophrenia über einen Algorithmus, der auf insgesamt über 3,5 Millionen Nachrichten und Bilder hin trainiert wurde, die insgesamt 223 freiwillige Studienteilnehmer*innen bei Facebook gepostet haben. Die Teilnehmer*innen waren entweder psychisch gesund, hatten eine depressive Störung oder eine Erkrankung des Schizophrenie-Spektrums.

 

Eingang in das Algorithmen-Training fanden alle Nachrichten in den 18 Monaten vor der ersten Krankenhauseinweisung wegen der jeweiligen Diagnose. Ziel war es, die drei Gruppen möglichst sauber zu trennen und so eine Risikowarnung zu ermöglichen. Dies gelang recht gut. Der Classifier erreichte eine Area under the Curve von jeweils rund 0,75 für die Abgrenzung von gesund zu depressiv, gesund zu schizophren und depressiv zu schizophren.

 

Keine Blackbox: Die Sprache macht den Unterschied

Doch was genau brachte die KI zu ihren Schlussfolgerungen? Auch das haben sich die Wissenschaftler*innen genauer angesehen. Unter anderem nutzten schizophrene im Vergleich zu gesunden Menschen signifikant mehr Verben, die Sinneswahrnehmungen ausdrücken, wie „hören“, „fühlen“ und „sehen“. Sie sprachen bzw. schrieben auch häufiger über negative Emotionen. Sowohl schizophrene als auch depressive Menschen nutzten außerdem vermehrt Schimpfwörter. Depressive Patient*innen sprachen bzw. schrieben häufiger über Schmerz, Blut und andere körperbezogene Themen.

 

Bei den Abbildungen waren kleine Bildgrößen prädiktiv für Menschen, die später wegen Schizophrenie oder Depression hospitalisiert wurden, und bei den später wegen Depression hospitalisierten Patient*innen fand sich häufiger die Farbe blau und seltener die Farbe gelb in den Bildern. Besonders interessant war, dass manche der von der KI identifizierten Merkmale zunahmen, je näher die Betreffenden der Klinikeinweisung waren. Das galt vor allem für den Gebrauch von Schimpfwörtern. Bei schizophrenen Menschen nahm außerdem der Gebrauch von Satzzeichen zu, und bei depressiven Menschen wurden vermehrt negative Emotionen gepostet, je näher der Krankenhausaufenthalt rückte.

 

Quelle:

Birnbaum ML et al. Identifying signals associated with psychiatric illness utilizing language and images posted to Facebook. npj Schizophrenia 2020; doi: 10.1038/s41537-020-00125-0

https://www.nature.com/articles/s41537-020-00125-0.epdf