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Vernetzung |

KIM-Anbieter bringen sich in Stellung

Bye-bye Fax: Bis Jahresende sollen alle Ärzte einen KIM-Anbieter wählen, um sicher kommunizieren zu können. Das KV-System geht mit einem eigenen Dienst namens kv.dox ins Rennen.

Die elektronische Kommunikation der Leistungserbringer über die Telematikinfrastruktur (TI) könnte in den nächsten Monaten Fahrt aufnehmen. Der gematik-Kommunikationsstandard KIM, bisher KOM-LE, ein verschlüsselter SMTP/POP3-E-Mail-Dienst, steht jetzt nicht mehr nur im Gesetz, sondern hat auch endlich von allen relevanten Akteuren der Selbstverwaltung die nötige Rückendeckung. Losgehen soll es mit dem E-Arztbrief, der ab dem 1. Juli 2020 nur noch dann vergütet wird, wenn er über KIM versandt wird. Es soll aber eine Übergangsregelung für Arztbriefe geben, die KV-Connect nutzen.

 

Finanzierung geregelt, und eAU läuft über KIM

Zwei Faktoren bringen KIM jetzt den Rückenwind, der bisher fehlte. Zum einen gibt es eine Einigung von GKV Spitzenverband und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) auf ein Finanzierungsmodell. Für die Installation des KIM-Dienstes werden einmalig 100 Euro je Praxis gezahlt. Danach wird der laufende Betrieb von KIM mit 23,40 Euro pro Praxis und Quartal finanziert. Dazu kommen für den E-Arztbrief je weiterhin die bisher schon gezahlten 28 Cent für den Versand (GOP 86900) und 27 Cent für den Empfang (GOP 86901). Dies ist gedeckelt auf maximal weitere 23,40 Euro pro Quartal. Allerdings gibt es, anders als bisher, zusätzlich eine ungedeckelte, auf drei Jahre befristete Strukturförderpauschale (GOP 01660) in Höhe von einem EBM-Punkt oder 10,99 Cent pro Brief.

 

Parallel dazu werden „analoge“ Varianten des Arztbriefversands ab Juli unattraktiver gemacht. Für den Postversand gibt es nur noch die Portokostenpauschale in Höhe von 81 Cent. Die bisher eingesetzten Pauschalen 40120 bis 40126 sowie die Kostenpauschale 40144 für Kopien werden gestrichen. Neu ist ab dem 1. Juli eine eigene Fax-Kostenpauschale, Ziffer GOP 40111. Sie ist zunächst mit 10 Cent bewertet und wird zum 1. Juli 2021 dann, entsprechend den Vorgaben des Gesetzgebers, noch einmal auf dann 5 Cent halbiert. Auch die Briefporto- und Faxpauschalen unterliegen je einem Höchstwert, der nicht pauschal, sondern arztgruppenspezifisch festgelegt wird.

 

Der zweite entscheidende Faktor, der KIM in den Arztpraxen zum Durchbruch verhelfen soll, ist die Verständigung darauf, bei der AU-Bescheinigung, die ab Jahresanfang 2021 digital von den Arztpraxen an die Krankenkassen versendet werden muss, auf KIM und nur auf KIM zu setzen. „Die Praxen werden sich in den nächsten Monaten für einen Anbieter entscheiden müssen“, betont KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel. Das können sie freilich erst, wenn die Dienste auch zugelassen sind und wenn Konnektoren verfügbar sind, die ein PTV3-Update haben und damit KIM-fähig sind.

 

KIM-Feldtest der CGM kurz vor Abschluss

Am nächsten an einer endgültigen Zulassung eines PTV3-Konnektors durch die gematik ist unstrittig die CompuGroup Medical (CGM). Der Feldtest zum Notfalldatensatz (NFDM) und zur eMedikation (eMP) sei abgeschlossen und alle damit verbundenen Aufgaben ausgeführt und erfüllt, so CGM Kommunikations-Chef Michael Franz: „Die Komponenten wurden von uns final geliefert und sind in der Zertifizierung.“ Parallel läuft als zweiter PTV3-relevanter Feldtest der KIM-Feldtest in Zusammenarbeit mit der KV Nordrhein sowie den KZVen Berlin, Nordrhein, Baden-Württemberg und Bayerns.

 

„Auch dieser Feldtest steht kurz vor dem Abschluss“, so Franz zu E-HEALTH-COM. Er ergänzte, dass sein Unternehmen insbesondere auch bei den Apotheken einen hohen Mehrwert eines TI-fähigen Kommunikationsdienstes wie KIM sieht: „Das wird die übergreifende Kommunikation mit anderen Teilnehmern der TI elementar verändern.“ Zu Prognosen über den Zeitpunkt der endgültigen Zulassung wollte sich Franz nicht hinreißen lassen: „Wir konzentrieren uns aktuell auf die Vorbereitung für den auf die Zertifizierung und Zulassung dann folgenden Roll-out.“

 

KV-System steigt mit kv.dox in den Ring

Als weitere Anbieter von KIM-Diensten sind unter anderem Secunet/eHealthExperts/DGN, die Telekom, RISE sowie Akquinet in der Diskussion. Teilweise haben die Anbieter eigene Konnektoren in der Entwicklungs-Pipeline, etwa RISE und Secunet, teilweise nicht. Akquinet wurde von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach Ausschreibung als Partner für den von der KBV angebotenen KIM-Dienst gewählt.  Dieser KV-eigene KIM-Dienst hat jetzt auch einen eigenen Namen: kv.dox.

 

KBV-Vorstand Kriedel betonte in einer Videoschalte, dass alle Ärzte und Psychotherapeuten kv.dox nutzen könnten, dass es aber nur ein KIM-Dienst von mehreren sei, zwischen denen frei gewählt werden könne. Preislich werde das KV-Angebot in der Größenordnung der mit dem GKV Spitzenverband verhandelten Erstattungssummen liegen, so Kriedel. Generell ist vorgesehen, dass alle KIM-Dienste und Konnektoren interoperabel sind: Jeder Konnektor soll mit jedem KIM-Dienst „können“ und umgekehrt. Das sei auch deswegen wichtig, weil KIM nicht nur Kommunikationssystem für Arztpraxen darstellt, sondern alle Akteure des Gesundheitswesens miteinander vernetzen soll.

 

KV.digital-Chef Dr. Florian Fuhrmann betonte, dass man sich aus technischen und juristischen Gründen gegen ein Reseller-Modell entschieden habe, also gegen eine vertragliche Kooperation mit einzelnen Praxis-IT-Anbietern: „Wir setzen auf Marktoffenheit.“ Die KV-Seite geht davon aus, dass der hauseigene KIM-Dienst im Laufe des Sommers zur Verfügung steht. Vorher muss freilich ein Feldtest durchgeführt werden, und der kann erst dann starten, wenn ein zugelassener PTV3-Konnektor existiert. Ärzte, die KIM-Dienste nutzen wollen, benötigen außerdem einen elektronischen Heilberufsausweis: „Ärzte sollten jetzt dringend einen Arztausweis der neueren Generation bestellen, sonst können sie viele Dienste nicht nutzen“, so Kriedel.

 

Baustellen Feldtests und Metadaten

Einige Baustellen gibt es aktuell allerdings noch. Da ist zum einen die Frage, ob die nötigen Feldtests wirklich schnell genug stattfinden können, zumal in Corona-Zeiten. Zwischenzeitig waren hier auch mit Blick auf Corona alternative Feldtestverfahren im Gespräch, doch scheint das derzeit nicht prioritär zu sein. Die gematik zumindest reagierte ausweichend auf eine entsprechende Anfrage von E-HEALTH-COM: Es sei „nicht geplant, Zugeständnisse bei den Tests, der Zulassung oder Zertifizierung der Konnektoren vorzunehmen. Stattdessen hat sich die gematik darauf vorbereitet, je nach Entwicklung der Pandemie zusätzliche Maßnahmen zu starten. Diese treten in Kraft, wenn Einschränkungen im Feldtest nicht zu verhindern sind.“

 

Eine andere Baustelle ist das Thema Metadaten. Wenn verschiedenste Anwendungen über KIM versandt werden sollen, dann müssen diese – ähnlich wie bei KV Connect – im Header oder der Betreffzeile so markiert sein, dass das empfangende Praxis-IT-System die einkommende E-Mail komfortabel verarbeiten kann. Bei KV-Connect hat sich die KBV um diese Metadaten gekümmert. Bei KIM ist das noch nicht so klar.

 

Die meisten sehen die gematik hier in der Pflicht, doch auch diese Entscheidung scheint noch auszustehen. Nochmal die gematik: „Daten, die über KIM übermittelt werden, liegen in der Zuständigkeit der jeweiligen Sektoren. Als sinnvoll wurde erachtet, übergeordnete Festlegungen zur Interoperabilität auf Anwendungsebene zu treffen. Dies gilt insbesondere für Anwendungen die intersektoral ausgetauscht werden. Daher prüft die gematik derzeit, welche Hilfestellung und Festlegungen getroffen werden müssen, damit Hersteller von Praxisverwaltungssystemen Interoperabilitätsleitlinien nutzen können.

 

Bleibt die Frage, was mit KV-Connect passiert. Was die Honorierung elektronischer Arztbriefe angeht, gebe es hier eine Übergangsfrist, so Kriedel: Die E-Arztbriefe werden noch sechs Monate ab Zulassung des ersten KIM-Dienstes finanziell gefördert, danach ist Schluss. Was die übrigen 16 KV-Connect- Anwendungen angehe, wo würden diese ab dem vierten Quartal schrittweise auf KIM migriert, so Fuhrmann. Ein Teil der Ärzteschaft wird für einen Übergangszeitraum daher KIM und KV-Connect parallel nutzen müssen. Nicht möglich wird es sein, E-Arztbriefe von einem KV-Connect Account auf ein KIM-Account zu versenden oder umgekehrt: „Das geht aus Verschlüsselungsgründen nicht, und es ist auch genau der Grund, warum wir einen einheitlichen Dienst im Gesundheitswesen brauchen“, so Fuhrmann.