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Forschung |

Kinderkardiologie - Kathetertraining mit pulsatilen 3D-Druck-Herzmodellen

3D-gedruckte Herzmodelle; Bild: © LMU Klinikum/Carina Hopfner

Im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelte das Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München einen einfachen, aber hocheffektiven Simulationstrainingsaufbau für Kinderkardiologen zur Schulung von diagnostischen und interventionellen Katheterverfahren. Auf Basis realer Herzdaten wurden dazu 3D-gedruckte Modelle mit verschiedenen typischen angeborenen Herzfehlern realisiert, deren neueste Generation sogar pulsieren kann. Für die Entwicklung und Modifizierung der Herzmodelle nutze das Klinikteam das Softwarepaket Mimics Innovation Suite von Materialise. Praxistests mit den Herzmodellen fanden und finden außer an Universitäten in Deutschland und Österreich unter anderem auch noch im Ayder Referral Hospital der Universität Mekelle in Äthiopien statt. Die additiv gefertigten Nachbildungen ermöglichen ein besonders realistisches, beliebig wiederholbares Kathetertraining von Ärzten und Helfern in ihrer normalen Arbeitsumgebung.



Zu Beginn des Forschungsprojekts stand die Beobachtung, dass es bis heute keinen realistischen Simulationstrainingsaufbau für Katheteruntersuchungen bei angeborenen Herzfehlern gibt. Es entstand die Idee, das Training mit 3D-gedruckten Herzmodellen durchzuführen, sodass es auch in einer realen klinischen Umgebung stattfinden kann. Die bisher durch die Herzmodelle dargestellten angeborenen Herzfehler sind Vorhofseptumdefekt (ASD), Persistierender Ductus arteriosus (PDA), Koarktation der Aorta (CoA) und Aorten- sowie Pulmonalklappenstenose (AS, PS). Die 3D-Modelle von pädiatrischen Patienten werden in einem flexiblen, unter Röntgenstrahlen sichtbaren Material 3D-gedruckt, um diagnostische und interventionelle Katheterverfahren zu trainieren.



Mit 3D-Druck-Software zur realistischen Lösung

Bevor das schlagende Kinderherzmodell entwickelt wurde, war zunächst mittels der Materialise Mimics Innovation Suite ein dreidimensionales Herzmodell auf Basis anonymisierter CT- oder Magnetresonanztomographie-Scans (MRT) echter Organe geschaffen worden. Das virtuelle Herz wurde anschließend mithilfe der 3-matic-Software auf verschiedene Größen von Kinderherzen skaliert und mit diversen angeborenen Fehlern versehen – darunter Löcher in den Herzwänden oder verformte Strukturen.



Auf Basis der Rückmeldungen von Medizinern und Studenten veränderte eine Ingenieurin im Klinikum die Oberflächen, Formen und Strukturen schrittweise so, dass die Modelle immer realistischer wurden. Nach Schulungstest an den statischen Modellen wurden die Herzimitate schließlich zum Pulsieren gebracht. Dazu erhielt die nächste Generation noch eine Herzklappe und wurde mit einem geschlossenen, kreisförmigen, mit Wasser gefüllten Silikonschlauchsystem sowie einer pulsatilen Antriebseinheit verbunden. Die Herznachbildungen werden weiterhin laufend variiert und verbessert.



"Für die Modulation des Herzmodells ist vor allem die Designfreiheit, die Materialise 3-matic bietet, von großer Hilfe", so Carina Hopfner, verantwortliche Ingenieurin für 3D-Druck am LMU Klinikum. "Mit der Software kann ich Formen, Oberflächen und Strukturen der Modelle sehr flexibel und hochpräzise definieren. Unter anderem lassen sich damit die gesamte Einheit oder nur Teile der Strukturen oder Defekte skalieren. Außerdem können Löcher, Verbindungen oder Verformungen entweder beseitigt oder erzeugt werden."



Praxistests in Deutschland, Österreich und Äthiopien

Das Forschungsprojekt wird von Prof. Dr. med. Nikolaus Haas, Direktor der Abteilung Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin des LMU Klinikums und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler e.V., geleitet. Als praktischer Partner für das Projekt fungierte unter anderem das Ayder Referral Hospital der Universität Mekelle in Äthiopien. Die Mehrheit der Auszubildenden dort hat noch nie mit Herzkathetern gearbeitet. Zudem sind die technologisch und personell schwierigen Ausbildungsbedingungen in Mekelle ein guter Gradmesser für die universelle, einfache Nutzbarkeit der additiv gefertigten Herznachbildungen. Bisher wurden hier die statischen Herzmodelle getestet. Testschulungen mit den pulsierenden Herzen fanden bereits am LMU Klinikum sowie am Universitätsklinikum der Medizinischen Universität Wien statt.



Mehr Sicherheit durch wirklichkeitsnahe Bedingungen und häufigeres Training

"Die Rückmeldungen aus den bisher durchgeführten Workshops für Studenten, Assistenzärzte und erfahrene Kinderkardiologen mit den 3D-gedruckten Herzmodellen waren durchweg positiv", so Prof. Dr. Haas. "Die erfahrenen Akteure betonen unter anderem den realistischen Charakter der Nachbildungen einschließlich der haptischen und anatomischen Replikation sowie der prozeduralen Simulation der Eingriffe. Auch ich kann diese positive Erkenntnis bestätigen. Ganze Interventions-Teams gewinnen so unter wirklichkeitsnahen Bedingungen an Sicherheit bei der Katheteranwendung."



Univ.-Prof. Dr. Ina Michel-Behnke vom Pädiatrischen Herzzentrum der Medizinischen Universität Wien konkretisiert die Vorteile: "Wir schulten unsere Studenten und auch Postgraduierte, die nicht regelmäßig an Interventionen beteiligt sind, vor Ort in den Katheterlaboren anhand der 3D-Herzmodelle und konnten eine schnelle Verbesserung der Handhabungsfähigkeiten sowie eine Verkürzung der Dauer des Eingriffs und der Bestrahlung feststellen. Die angehenden Kinderkardiologen fühlten sich bei ihren ersten Patientenfällen viel wohler, nachdem sie durch dieses Modul der interventionellen Ausbildung eingeführt worden waren, und waren sehr erleichtert, die Strahlendosis für ihre Patienten verringern zu können."



Prof. Dr. Haas hält die neuen Herzmodelle für wegweisend: "Aufgrund der zahlreichen mit solchen 3D-Druck-Modellen verbundenen Vorteile bin ich der Meinung, dass Schulungen daran fester Bestandteil der kinderkardiologischen Ausbildung sein sollten. Das Training daran lässt sich ohne großen finanziellen und technologischen Aufwand in jedem mit einem Herzkatheterlabor ausgestatteten Krankenhaus regelmäßig durchführen. Handgriffe und Prozesse werden so schneller und besser verinnerlicht."

 

Quelle: Materialise