„Europa schaut auf Euch!“ – Hendrik Riedel von dem Beratungsunternehmen Digital Avantgarde ließ sich bei der Verabschiedung von Amanda Herbrand, Clinical Data Specialist am Universitätsspital Basel (USB), nicht lumpen. Die Schweizerin hatte beim diesjährigen Meeting am Meer in Heiligendamm über das Projekt Data Driven Hospital berichtet, das das USB vor einiger Zeit aufgesetzt hat.
Das Universitätsspital Basel geht ans Fundament
Die Probleme in Basel ähnelten denen in vielen anderen Häusern, so Herbrand. Die administrativen Aufwände für Gesundheitsfachpersonen seien enorm, die Kosten für Sekundärprozesse und für die IT-Maintenance seien hoch, und insgesamt herrsche viel Frustration wegen schlechter Datenqualität und schlechter Datenzugänglichkeit. Am USB wurde deswegen als Teil einer Gesamtstrategie des Universitätsklinikums eine Digitalisierungsstrategie formuliert, eben jenes „Data Driven Hospital“.
Der Name soll Programm werden. Nach einem erfolgreichen Proof-of-Concept Projekt im Jahr 2022 entschied man sich dafür, ein Klinikinformationssystem (KIS) auf Basis einer openEHR-Plattform anzuschaffen. Dafür wurde eine Ausschreibung mit zwei Losen konzipiert, bei der das KIS und ein allen Anwendungen zugrundeliegendes Clinical Data Repository (CDR) getrennt behandelt werden. „Alle Applikationen müssen Daten im CDR speichern“, so Herbrand. Mit anderen Worten: Das KIS ist nicht mehr das primär datenführende System. Das hat so im deutschsprachigen Raum noch kein Haus dieser Größenordnung gemacht.
Die Ausschreibung läuft noch, wie viele KIS-Anbieter da mitziehen, ist offen. KIS und CDS sind in Basel aber ohnehin nur eine Teilkomponente des Data Driven Hospital. Herbrand berichtete von umfangreichen Aktivitäten im Bereich Business Relationship Management: Fachbereiche und IT-Abteilung sollen stärker verzahnt werden, die IT soll weniger als technischer Dienstleister denn als eigenständige Einheit auftreten und betrachtet werden. Dazu sollen Ärzt:innen aus unterschiedlichen Fachbereichen in Teilzeit in der IT mitarbeiten. Und es werden auch 100 %-Arztstellen in der IT geschaffen, um Schnittstellenanforderungen aufzunehmen und in Datenmodelle zu überführen.
Die ePA als Standardisierungstreiber
Das zweite große Krankenhaus, das derzeit eine vielbeachtete KIS-Ausschreibung zu stemmen hat, ist die Charité Berlin, wo i.s.h.med abgelöst werden muss. Peter Gocke, Leiter der Stabstelle Digitale Transformation an der Charité, war ebenfalls nach Heiligendamm gekommen. Die Charité-Ausschreibung ist noch „frischer“, eine Entscheidung dürfte erst im Laufe des nächsten Jahres fallen. Aber Gocke ist eher ein bisschen skeptisch, was zusätzliche Datenplattformen angeht. Er setzt darauf, dass die regulatorisch oder anderweitig zu erreichende Standardisierung – ähnlich wie in der DICOM-Welt – für die nötige Einheitlichkeit sorgt.
Ein Hoffnungsträger ist für ihn die elektronische Patientenakte, die er weniger als „Akte“ denn als Plattform mit standardisierendem Potenzial versteht: „Das ist das erste Mal, dass ein Gesundheitsdatensystem für Deutschland alle Sektoren einbezieht.“ An der Charité sehe man langsam, dass die Patient:innen anfangen würden, die ePA in der bisher noch alten Version zu nutzen. Zusätzlicher Standardisierungsdruck wird durch den TI-Messenger und durch die medizinischen Informationsobjekte (MIO) kommen, die die ePA in der neuen Version mit strukturierten Daten ausstatten sollen. Seiner Auffassung nach, so Gocke, könnte es sogar sein, dass die dezentrale Datenspeicherung – oder zumindest Teile davon – irgendwann aussterben. Klingt in Deutschland noch abenteuerlich, aber völlig aus der Luft gegriffen ist das nicht: Andere Länder machen es teilweise vor.