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Vernetzung |

Offene Datenschnittstelle für das digitale Gesundheitsamt

Digitalisierte Gesundheitsämter stehen weit vorn auf der Wunschliste für die postpandemischen Modernisierung. Die Open Source Schnittstelle IRIS connect will für eine bessere Anbindung der Bürger:innen sorgen – und startet jetzt in ersten Gesundheitsämtern.

Das Gesundheitsamt und seine Schnittstellen, Quelle: InÖG

Digitale Schnittstellen für Gesundheitsämter sind seit Beginn der Pandemie ein Dauerbrenner, und dabei wird auch gern mal einiges durcheinandergebracht. Da ist zum einen die digitale Laborschnittstelle DEMIS, über die Labore ihre Daten an die IT-Systeme der Gesundheitsämter übermitteln. Das viel diskutierte SORMAS ist eines dieser Systeme. Es gibt außerdem eine Schnittstelle der Gesundheitsämter in Richtung Robert-Koch-Institut. Dieser Weg heißt SurvNet, er soll irgendwann in einem dann breiteren DEMIS-System aufgehen, aber das ist eines der Berliner-Flughafen-Projekte des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Deutschland.

 

IRIS connect: Open Source Schnittstelle über die Pandemie hinaus?

Was es auch noch gibt, wie überall in der IT-Welt, sind mehr oder weniger unbefriedigende Einzelschnittstellen. Check-In-Funktionen von Kontaktnachverfolgungs-Apps sind dafür Beispiele. Sie können, wenn auf einer Veranstaltung ein Infizierter war, die entsprechenden Kontaktlisten an das zuständige Gesundheitsamt übertragen, auf unterschiedlichen Wegen. „Was es bisher nicht gibt, ist eine generelle Bürgerschnittstelle in Richtung Gesundheitsamt“, sagt Bianca Kastel, Expertin für Kontaktnachverfolgungs-Software beim Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit (InÖG) und Sachverständige u.a. für das Gesundheitsamt Bodenseekreis.

 

Das soll sich ändern. Zusammen mit der Björn-Steiger-Stiftung und in Kooperation mit einer ganzen Reihe an App-Herstellern arbeitet der InÖG an „IRIS connect“, einer digitalen Open-Source-Schnittstelle für den Kontakt zwischen Gesundheitsämtern und Bürger:innen. Die digitalen Kontaktnachverfolgungs-Apps sind der offensichtliche Anwendungsfall in der Pandemie. Dabei geht es gar nicht mal so sehr um die Veranstaltungslisten, sondern zum Beispiel um Einträge in Kontakttagebüchern, deren digitale Übermittlung den Mitarbeitern des Gesundheitsamts sehr viel Arbeit abnehmen könnte. Mittelfristig denken die IRIS connect-Initiatoren aber über die Pandemie hinaus: „Unsere Vision ist eine Bürgerschnittstelle, die künftig von vielen verschiedenen Anwendungen genutzt werden kann“, sagt Dr. Tobias Opialla vom InÖG.

 

Was das im Einzelfall für Anwendungen sind, könne sehr unterschiedlich sein. Es kann sich um Apps handeln, aber auch um Webformulare aller Art, mit denen Bürger:innen Daten an das Gesundheitsamt übermitteln können, die sonst zeitaufwändig vor Ort erfasst würden. Opialla nannte unter anderem Anwendungen im Zusammenhang mit Schuleingangsuntersuchungen und anderen sozialmedizinischen Aufgaben der Ämter, aber auch Anwendungen im Zusammenhang mit zum Beispiel Trinkwasseranalytik oder anderen umweltmedizinischen Themen.

 

Viele Kontakt-Apps sind schon an Bord

Technisch arbeitet IRIS connect nach Aussage von Bianca Kastel „sehr dezentral“. Die Schnittstelle habe eine kleine zentrale Komponente für Verzeichnis-Dienste, ihre Nutzung erfordere aber keinerlei zentrale Speicherung personenbezogener Daten. Innerhalb der Gesundheitsämter werden Daten, die über IRIS connect kommen, nicht direkt in Fachanwendungen geschrieben. Viel mehr gibt es einen Client, der als eine Art Türsteher fungiert und auch Filterfunktionen übernehmen kann. Sowohl die App-Anbieter, die die Schnittstelle nutzen, als auch die Gesundheitsämter werden über Zertifikate von Bundesdruckerei oder D-Trust verifiziert. Was den Verfahrensbetrieb angeht, übernimmt diesen die Björn-Steiger-Stiftung. Dabei geht es neben dem Thema Zertifizierung auch um Service-Dienstleistungen wie einen Callcenter-Betrieb.

 

Stand der Dinge derzeit ist, dass am 16. Juni 2021, nach einer Testphase mit Testdaten an unterschiedlichen Orten in der Republik, in Köln-Ehrenfeld das erste Gesundheitsamt mit der IRIS connect Schnitt in den Echtbetrieb gegangen ist. Es gibt eine ganze Reihe von App-Anbietern, die schon angebunden sind oder diese Anbindung gerade vornehmen, darunter SmartMeeting, Recover, GastIdent, Darfichrein, PERK ViSITS, e-guest, visito.me, sectrace-me, here-im.eu, zzeus.de, CheckIn.Jetzt, Videmic, undo App, Shapefruit MeldeApps und Pandasafe. In Planung ist eine Anbindung unter anderem bei Vireless, FLVW (Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen), PLACELOGG, bevent.io und Meine Checkins-App.

 

Nordrhein-Westfalen und Thüringen sind die Vorreiter

„Bundeslandweite Rollouts von IRIS connect wird es zunächst in Nordrhein-Westfalen und Thüringen geben“, so Opialla. Bis Ende des Monats sollen alle 53 Gesundheitsämter in Nordrhein-Westfalen mit einem Zertifikat ausgestattet sein. Die Gesundheitsämter selbst haben, wie immer bei solchen IT-Projekten, ein hohes Maß an Autonomie. Mit der ebenfalls über den InÖG vorangetriebenen SORMAS-Software funktioniert die Schnittstelle natürlich. Aber IRIS connect will eben gerade keine reine SORMAS-Schnittstelle sein – und bietet entsprechend auch andere Exportformate an, die bei der Installation in Abhängigkeit von der jeweiligen IT-Lösung des Gesundheitsamts konfiguriert werden können. Durch den Open-Source-Ansatz ist das künftig beliebig erweiterbar.

 

Opialla hofft, dass neben Nordrhein-Westfalen und Thüringen noch weitere Bundesländer aufspringen. In Hessen läuft bezüglich dieser Thematik gerade ein Ausschreibungsverfahren, ein weiteres Bundesland hat ebenfalls ein Vergabeverfahren unterwegs. Es könnte sich also ein bisschen was tun, und natürlich können Gesundheitsämter auch ohne den Segen des jeweiligen Bundeslandes individuell auf den Zug aufspringen.

 

Auf Seiten der Apps fehlt im Moment noch der Platzhirsch unter den Kontaktlisten-Apps, die Luca-App. Ebenfalls noch nicht in der Liste der IRIS connect unterstützenden Anwendungen taucht die Corona-Warn-App (CWA) auf, wobei sich deren Check-In-Funktion von denen anderer Check-in-Apps dahingehend unterscheidet, dass es keinen direkten Draht zum Amt gibt. Derzeit wird, wenn ein positiv getesteter Indexfall seine Infektion in die CWA einträgt, an andere CWA-Nutzer, die auf derselben Veranstaltung waren, eine Information mit Empfehlung zur Selbstquarantäne bzw. Testung geschickt. Es gibt also keine Veranstaltungslisten im CWA-Kosmos.

 

Selbst wenn das so bleiben sollte, könnten die Gesundheitsämter aber von einer Schnittstelle zur Corona-Warn-App profitieren, etwa wenn beim Gesundheitsamt qua Labormeldung bekannte, infizierte Bürger:innen Kontakttagebuch-Einträge übermitteln, vielleicht sogar auch – und immer freiwillig – die per CWA informierten Kontaktpersonen. Die Tagebuchübertragung würde die bei Indexpatienten nötigen Telefonate zumindest stark abkürzen, jedenfalls dann, wenn das Tagebuch sauber geführt ist. Denkbar wäre auch, die Check-In-Historie aus der CWA zu übermitteln – auch das freiwillig.

 

Unterstützung für generische Bürger:innen-Schnittstellen in Richtung Gesundheitsamt kommt nicht nur von einzelnen Landesregierungen, sondern auch und gerade von der kommunalen Ebene. So hat der Deutsche Landkreistag schon im März 2021 eine „offene, standardisierte und sichere“ generische Schnittstellenlösung zwischen den Apps zur digitalen Kontaktverfolgung und den Gesundheitsämtern gefordert.

 

Weitere Informationen

https://www.iris-connect.de/